HR Today Nr. 1&2/2016: HR-Trends

Was HR-Profis beschäftigt

Wo investieren HR-Profis in den nächsten zwei Jahren ihre Zeit, ihr Budget und ihre Aufmerksamkeit? Mit 480 Teilnehmenden gehört die vorliegende Studie im deutschsprachigen Raum zu den umfassendsten ihrer Art. Als Medienpartner der Umfrage bietet HR Today einen exklusiven Einblick in die Erkenntnisse und hat zudem HR-Verantwortliche nach ihrer Trend-Einschätzung befragt.

Die Mitarbeiter- und Organisationsforschung der GfK hat zusammen mit dem Lehrstuhl für Personalmanagement der Universität St. Gallen, der ZfU International Business School und HR Today Unternehmen im deutschsprachigen Raum dazu befragt, wo die nächsten zwei Jahre die Investitionsschwerpunkte im Bereich Human Resource Management liegen. Zudem haben wir gefragt, wie kompetent die eigene Organisation eingeschätzt wird, diese Themenbereiche in Angriff zu nehmen, und die Resultate bei der Analyse miteinander in Bezug gesetzt. Mit 480 Teilnehmer/-innen gehört diese Studie im deutschsprachigen Raum zu den umfassendsten ihrer Art.

Die Ergebnisse zeigen, dass viele der eher klassischen HR-Aufgaben rund um die Sicherung der Leistungsfähigkeit der Organisation (z. B. Führungskräfteentwicklung und Talentgewinnung) von der Mehrheit der HR-Fachkräfte als Hauptinvestitionsbereiche bezeichnet werden. Auf den hinteren Plätzen befinden sich neben Themen rund um das analytische und faktenbasierte HR erstaunlicherweise auch zwei der relevanten Megatrends mit vermeintlich hoher Bedeutung für das Personalwesen, nämlich die Digitalisierung der HR-Arbeit und der demografische Wandel.

Begriffe wie «Social Media», «Employer Branding» oder «HR Big Data» tauchen immer häufiger in Personalfachzeitschriften oder auf Personalmessen auf und hinterlassen bei HR-Profis häufig die Frage: Wo investieren meine Kolleginnen und Kollegen in anderen Unternehmen tatsächlich schon in diesem Bereich? Aus diesem Grund war es das Hauptziel dieser Studie, zu klären, wo HR-Fachkräfte die nächsten zwei Jahre effektiv ihre Schwerpunkte setzen – oder anders gefragt: Wo investieren HR-Profis ihre Zeit, ihr Budget und ihre Aufmerksamkeit? Die erfragten Themengebiete stellten wir aus nationalen und internationalen Publikationen sowie vergleichbaren Studien im Bereich HR zusammen. Sie decken sowohl klassische Aufgaben des HR (z. B. Mitarbeiterbefragungen) 
als auch aktuelle Schlagwörter mit HR-Bezug (z. B. HR Big Data) ab.

Wo investieren HR Profis effektiv?

Beim ersten Blick auf die Verteilung der Antworten zeigt sich eine breite Streuung zwischen den erfragten Themen: Auf der einen Seite liegen die «heissen» Themen, die für eine grosse Mehrheit der HR-Profis in den kommenden zwei Jahren Relevanz besitzen, etwa Führungskräfte-Entwicklung (69 %) und Talentgewinnung (48 %). Auf der anderen Seite liegen die «kalten» Themen, in die nur die wenigsten investieren werden, wie beispielsweise HR Big Data (11 %) und Outplacement (7 %). Bei der Analyse der Daten lassen sich folgende Trends klar erkennen:

«Heisse Themen» mit hoher Investition: Leistungsfähigkeit sichern.

Zu dieser Gruppe von Themen gehören auf den vorderen Rängen HR-Aktivitäten, die schon seit jeher zu den zentralen Funktionen des Personalwesens gehören: Führungskräfteentwicklung, Talentgewinnung, Leistungsbeurteilung und das Umsetzen einer effektiven HR-Strategie. Dieser Befund überrascht wenig und wurde auch kürzlich im Harvard Business Review Artikel «The Unsexy Fundamentals of Great HR» noch zusätzlich unterstrichen: Bevor die grundlegendsten Aufgaben von HR («improve business results by increasing the company’s talent quality and depth») nicht zuverlässig erfüllt sind, bleibt wenig Spielraum für innovative oder neuartige Themen.

«Heisse Themen» mit hoher Investition: Das Unternehmen formen.

Zu dieser Gruppe von Themen mit überdurchschnittlichen Investitionsabsichten gehören Organisationsentwicklung, Unternehmenskultur, Mitarbeiter-Engagement und Change Management. Diese Themen unterstützen den langfristigen Erfolg von Unternehmen und helfen dabei, die Organisation an die sich laufend verändernden Gegebenheiten einer sich verändernden Wirtschaft anzupassen.

«Kalte Themen» mit unterdurchschnittlicher Investition: HR-Arbeit mit Zahlen untermauern.

Eindeutig auf den hinteren Plätzen bezüglich geplanten Investitionen liegen Themen, bei denen die quantitative Seite der Personalarbeit im Vordergrund steht (faktenbasiertes HR, HR Controlling, HR Big Data). Dies überrascht insofern, als dass in vielen Organisationen zunehmend belastbares Zahlenmaterial verfügbar ist (z. B. aus Mitarbeiterbefragungen, aus dem Controlling und aus den Themen, in welche gemäss den vorliegenden Resultaten viel investiert werden wird, wie Talent- oder Performance-Management). Der bereits erwähnte Harvard Business Review-Artikel beschreibt den Weg über intelligente Analysen als möglichen Erfolgsfaktor, wie sich HR innerhalb von Unternehmen neu positionieren und Business-Strategien effizient umsetzen kann. Auch HR-Vordenker wie Laszlo Bock (Work Rules! – Insights from Inside Google That Will Transform How You Live and Lead) rekrutieren gezielt Mitarbeiter mit analytischen Fähigkeiten, um die HR-Funktion zu verstärken.

«Kalte Themen» mit tiefer Investition: Megatrends anpacken.

Ebenfalls auf den hinteren Rängen befinden sich überraschenderweise die vermeintlichen Megatrends in der Personalarbeit: die Digitalisierung der HR-Arbeit und der demografische Wandel. Hier könnten die kritischen Hypothesen formuliert werden, dass Unternehmen im deutschsprachigen Raum noch nicht erkannt haben, dass diese Themen unumgänglich sind, bzw. deren Dringlichkeit noch unterschätzt wird. Alternativ kann vermutet werden, dass es dem HR als Disziplin schlicht an effektiven Strategien und Instrumenten fehlt, um diesen beiden Megatrends die Stirn bieten zu können – mit der Konsequenz, dass hier (noch) kaum investiert wird. Es gilt zu hoffen, dass sich in diesem Bereich bald ein Wandel vollzieht. 

Kompetent genug, die kommenden Herausforderungen anzupacken?

Mögliche Antworten auf diese Hypothesen bietet der vertiefte Blick in die Daten. Neben der Frage nach den Investitionsschwerpunkten haben wir nämlich auch gefragt, wie kompetent HR-Profis ihre Organisationen einschätzen, in den jeweiligen Themengebieten die anstehenden Herausforderungen anzupacken. Die Resultate sind in unserer Grafik als Rangreihe dargestellt, wobei ein tiefer Rang eine hohe Kompetenz anzeigt.

Dabei zeigt sich: Es gibt grosse Unterschiede in Bezug auf die Einschätzung der Kompetenz der eigenen Organisation, die kommenden Herausforderungen auch tatsächlich anpacken zu können. Während einige Themen für die meisten Unternehmen keine grosse Herausforderung mehr darzustellen scheinen, etwa Salärstruktur  und -modelle (1. Rang) oder Führungskräfteentwicklung (2. Rang), scheinen sich die Lösungen für andere Aufgabenstellungen schwieriger zu gestalten. So etwa das Thema Demografischer Wandel (23. Rang) oder Innovationsförderung (22. Rang). Interessant ist auch, dass es scheinbar keinen Zusammenhang gibt zwischen dem Grad an Investition und der Kompetenz in einem Thema. Beispielsweise geben fast genau gleich viele HR-Fachkräfte an, in Salärstruktur und -modelle und faktenbasiertes HR zu investieren (nämlich eher wenig), allerdings befindet sich die Kompetenz dieser Themen jeweils fast am anderen Ende der Skala (fast alle fühlen sich kompetent bei Salärstruktur und -modellen, aber nur die wenigsten im Bereich faktenbasiertes HR).

Bei genauerer Betrachtung ergeben sich aus der Kombination der Investitionsabsicht und der Kompetenz klar unterscheidbare Gruppen, die wir nachfolgend beschreiben.

Etablierte Themen: Hohe Investition – hohe Kompetenz

Diese Themen sind nicht neu, werden aber die Personalabteilungen heute und morgen beschäftigen, weil sie heute und in Zukunft die Voraussetzung für gut funktionierende Unternehmen sind. Dazu gehören essenzielle Versorgungsdienstleistungen wie die Entwicklung und Beschaffung von geeignetem Personal: Führungskräfteentwicklung (2. Rang) und Talentgewinnung (7. Rang). Herstellen von günstigen Arbeitsbedingungen: Mitarbeiter-Engagement (10. Rang) und Sicherstellen der Leistungsfähigkeit der Organisation: Leistungsbeurteilung (4. Rang).

Aktuelle Themen: Hohe Investition, viele (noch) nicht kompetent

Diese Themen stellen die Gruppe der aktuellen Themen dar – mit einer mittleren bis hohen Investition und einer relativ tiefen Kompetenz. Dazu gehören Themengebiete wie HR-Technologie & IT (15. Rang), sowie die Digitalisierung von HR im weiteren Sinne: Employer Branding (13. Rang) und Social Media & Digitalisierung (21. Rang).

Themen der Zukunft: (Noch) tiefe Investition und wenig Kompetenz

Auffallend in dieser Themengruppe ist die Häufung von Themen rund um die Unterlegung der HR-Arbeit mit Zahlen und Fakten: HR Controlling (16. Rang); faktenbasiertes HR (19. Rang); HR Big Data (20. Rang). Diese Themen werden von verschiedensten HR-Vordenkern stark propagiert. Beispielsweise schreibt Peter Capelli in seinem Artikel im Harvard Business Review («Why We Love to Hate HR»): «HR should bring first-rate analytic minds into the function to help companies make sense of their employee data», und plädiert dafür, dass Personaler ihren Beitrag verstärkt quantifizierbar untermauern und dadurch Personalentscheidungen zu echten Business-Entscheidungen machen sollten. Gemäss den vorliegenden Daten scheint dieser Trend noch nicht im deutschsprachigen Raum angekommen zu sein.

Zu dieser Gruppe gehört auch das bereits erwähnte Thema des demografischen Wandels – kein anderes Thema hat einen tieferen Kompetenzgrad, es landet entsprechend auf dem letzten Rang.

Fazit

Neben den klassischen Aufgaben, welche HR-Profis sowohl heute als auch in Zukunft beschäftigen, hat sich gezeigt, dass insbesondere im Bereich von faktenbasiertem HR und den vermeintlichen Megatrends wie der Digitalisierung und dem demografischen Wandel noch Aufholbedarf besteht. Was diese Studie nicht leistet und Gegenstand künftiger Forschung sein muss: Die eigentlichen «Kunden» des HR – Mitarbeiter, Führungskräfte und Geschäftsleitungsmitglieder der beteiligten Unternehmen – haben keine Stimme erhalten. Ihnen würde das letzte Wort gebühren, denn sie sind die Empfänger der HR-Leistungen und sie spüren den Grad an Effizienz und Bereitschaft der HR-Organisation, die künftigen Herausforderungen in diesen Bereichen erfolgreich zu meistern.

Zur Trendstudie

Die Mitarbeiter- und Organisationsforschung der GfK hat zusammen mit dem Lehrstuhl für Personalmanagement der Universität St. Gallen, der ZfU International Business School und HR Today Unternehmen im deutschsprachigen Raum dazu befragt, wo die nächsten zwei Jahre die Investitionsschwerpunkte im Bereich Human Resource Management liegen. Die Studie wurde im Oktober 2015 mittels einer Onlinebefragung durchgeführt. Es beteiligten sich 480 HRlerinnen und HRler, wovon die meisten in einer leitenden Position (86 %) tätig sind. Drei Viertel der Befragten arbeiten in Unternehmen, deren Hauptsitz in der Schweiz liegt. Dabei waren Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Grössen vertreten – sowohl HR-Fachpersonen aus Konzernen (mehr als 10'000 Mitarbeitende, 14 %), grossen und mittleren Unternehmen (251–10 000 Mitarbeitende, 73 %) sowie KMUs (weniger als 250 Mitarbeiter, 23 %).

Die Resultate dieser Studie finden Sie kompakt visualisiert in einer Infografik auf www.organisationsforschung.ch oder ganz unten unter Downloads.

Referenzenliste:

  • The Unsexy Fundamentals of Great HR (Marc Effron & Miriam Ort), August 2015, Harvard Business Review.
  • Why We Love to Hate HR... and What HR Can Do About It (Peter Capelli), August 2015, Harward Business Review.
  • Work Rules! – Insights from Inside Google That Will Transform How You Live and Lead (Laszlo Bock), April 2015, Twelve Publishing.
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Dr. Silvan Winkler, Leiter Diagnostik und Projekte bei der Jörg Lienert AG, ist Experte in den Bereichen Personalselektion und -diagnostik. Davor war er als HR-Berater bei PwC und in einer HR-Stabsfunktion bei der Credit Suisse tätig. Als promovierter Organisationspsychologe verfügt er über Erfahrungen in leitender Funktion in den Bereichen Management-Diagnostik, Mitarbeiter- und Organisationsforschung sowie People Analytics.

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