Was ist Stress?
Stress kann kurzfristig durchaus sinnvoll sein. Für die Gesundheit gefährlich wird es, wenn die Entspannungsphasen zu kurz kommen.
Wer unter chronischem Stress steht, wird irgendwann krank. (Bild: 123RF)
Bis in die 30er-Jahre gab es das Wort Stress im heutigen Sinne noch nicht. Es stammt ursprünglich aus der Werkstoffkunde, wo es den Zustand eines unter Druck stehenden Materials bezeichnet. Der österreichisch-kanadische Mediziner Horst Selye übertrug 1936 den Begriff auf Menschen. Seither versteht man unter Stress psychische und körperliche Reaktionen auf äussere und innere Reize sowie Belastungen, die als unangenehm, bedrohlich oder überfordernd bewertet werden.
Stress und die damit verbundenen Reaktionen sind normalerweise nichts Negatives, sondern können kurzfristig durchaus sinnvoll sein. Aber dieser Zustand sollte nur dann vorhanden sein, wenn Stresssituationen dem Körper gut tun (zum Beispiel Sport) oder in Gefahrensituationen (Flucht oder Angriff). Gefährlich für die Gesundheit wird es, wenn die Entspannungsphasen gegenüber der Anspannung immer weniger werden oder sich ein dauerhaftes Missverhältnis einspielt. Wenn die mit dem Stress verbundene Hormonausschüttung, der Stresshormonpegel nicht mehr abgebaut werden kann. Bei Stress wird Adrenalin freigesetzt, das Energie zur Bewältigung einer Aufgabe bereitstellt, die Herzfrequenz und der Blutdruck steigen.
Wenn die damit verbundene Anstrengung nicht zu einem Ergebnis führt, ergebnislos weitergeführt wird oder dauerhaft auf hohem Niveau ohne Abbau bleibt, wird zusätzlich Cortisol freigesetzt. Cortisol aktiviert den Stoffwechsel, dämpft bzw. beeinträchtigt das Immunsystem und die Produktion von Immunbotenstoffen, die den Schutz vor viralen Infektionen gewährleisten. Auch Serotonin, dass sogenannte Glückshormon, wird in der Wirkung behindert. Zuviel Cortisol führt zur einer Wahrnehmungsverzerrung. Wenn Adrenalin und Cortisol in höherer Konzentration zum Dauerzustand werden, oder die Situation als in einem hohen Masse bedrohlich erlebt wird, dann werden noch körpereigene Morphine (Endorphine) freigesetzt. Der Betroffene kommt in einen neurobiologischen Ausnahmezustand.
Unterscheiden zwischen Stretch- und Stress-Zone
Wer unter chronischem Stress steht, wird irgendwann krank. Zu unterscheiden gilt es zwischen der Stretch-Zone und der Stress-Zone. In der Stretch-Zone ist eine Herausforderung individuell zu bewältigen, die Lücke zwischen dem vorhandenen Wissen, Können und der Erfahrung zu dem, was verlangt wird, kann geschlossen werden. Der Lerneffekt und die damit verbundene Persönlichkeitsentwicklung führt zu einem Wachstum an Kompetenzen. Ist die Lücke zwischen den individuell vorhanden Ressourcen und Kompetenzen, die zur Bewältigung einer Aufgabe zur Verfügung stehen, und den neuen Anforderungen zu gross und kann nicht geschlossen werden, fällt der Betroffene in die Stress-Zone. Die damit verbundene Überfoderung führt auf die Dauer zu chronischem Stress, mit dem Risiko auszubrennen.
Gemäss einer vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Auftrag gegebenen Studie 2010 fühlt sich rund ein Drittel der Erwerbstätigen in der Schweiz häufig oder sehr häufig gestresst. Die Studie stellt fest, dass der Anteil der Personen, die «häufig» und «sehr häufig» Stress empfinden, von 26.6 auf 34.4 Prozent zugenommen hat. Im Vergleich zum Jahr 2000 sind damit rund 30 Prozent mehr Erwerbstätige chronisch, das heisst länger andauernd gestresst. Der Anteil der Personen, die «nie» und «manchmal» Stress empfinden, hat von 17.4 auf 13.2 Prozent abgenommen.
Von den betroffenen Personen fühlen sich im Vergleich zur früheren Studie 11 Prozent weniger völlig imstande, ihren Stress zu bewältigen (Rückgang von 31% auf 20%). Dies sind 30 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Das Erleben von Stress hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen.
Auswirkung
Für das Stressempfinden sind gemäss der Studie folgende Faktoren besonders bedeutend: Arbeit während der Freizeit, mehr als 10 Stunden am Tag arbeiten (1-2 Mal pro Woche bis jeden Tag), unklare Arbeitsanweisungen und die Anforderung in der Arbeit, Gefühle zeigen zu müssen, die mit den eigenen nicht übereinstimmen. Bei Erwerbstätigen, die starkem Termindruck oder Arbeit in hohem Tempo ausgesetzt sind, ist der Anteil der Personen, die sich gestresst fühlen, beinahe doppelt so hoch (66%), wie bei Personen, die unter weniger Zeitdruck arbeiten (34%). Ebenfalls sind Personen, die angeben, während der Arbeit unter sozialer Diskriminierung (wie beispielsweise Mobbing) zu leiden, doppelt so häufig gestresst wie andere Erwerbstätige.
Führungsverhalten als Schutzfaktor
Die Studie kommt zum Schluss, dass das Führungsverhalten von Vorgesetzten die Gesundheit der Mitarbeitenden massgeblich beeinflusst. Wenn die Mitarbeitenden das Führungsverhalten ihres direkten Vorgesetzen positiv beurteilen (wie beispielsweise respektiert die Mitarbeitenden, löst Konflikte gut, kann gut planen und organisieren, usw.) konnte festgestellt werden, dass die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen am höchsten und die Anzahl Personen, die sich gestresst oder emotional verbraucht fühlen, am niedrigsten ist. Diese Personen sind zudem in einem besseren allgemeinen Gesundheitszustand als Personen, die ihre Vorgesetzten negativ erleben. Wenn alle Aspekte des Führungsverhaltens positiv beurteilt werden, fühlen sich nur 5 Prozent der Mitarbeitenden gestresst, im Vergleich zu 95 Prozent, wenn das Führungsverhalten negativ bewertet wird.