Was Unternehmen tun, um die Lücken in den eigenen Reihen zu schliessen
Das Problem ist dasselbe, doch die Lösungen sehen unterschiedlich aus. In der Umfrage von HR Today erzählen die HR-Fachleute Nadine Gembler, Daniel Zimmermann, Markus Iberg und Beat Sigrist, wie sie dafür sorgen, dass die richtigen Personen die leer werdenden Sessel besetzen, und welche Voraussetzungen sie dafür in ihrem Unternehmen vorfinden.
Nadine Gembler, Leiterin Personal bei Coop.
Der Fokus liegt auf der internen Besetzung
«Wir haben die strategische Zielsetzung, 75 Prozent aller frei werdenden Kader- und Führungsfunktionen intern zu besetzen. Meiner Meinung nach ist das ein sehr gutes Mass. Bei 90 Prozent wäre die Gefahr der Betriebsblindheit zu gross; hätte man mehr externe Besetzungen, könnte man nicht mehr ausreichend interne Perspektiven bieten.
Bei uns ist bei Pensionierungen bis zu einem Jahr vorher bekannt, wer Nachfolger wird. Manchmal sogar noch länger. Ich bin zum Beispiel seit Januar in meiner Funktion, habe aber bereits mehr als ein Jahr vorher gewusst, dass ich diese Stelle übernehmen werde. So konnte ich frühzeitig zu den einzelnen Geschäftsstellen in der Schweiz reisen, mich vorstellen, Probleme aufnehmen und mich einarbeiten.
Ich bin kein Freund von Lösungen, bei denen Vorgänger und Nachfolger sehr lange die gleiche Stelle besetzen. Wir kommunizieren zwar früh, aber lange Parallelbesetzungen haben wir nicht. Mehr als einen Monat Überschneidung halte ich für zu lang. Während meiner Einarbeitungszeit hatte ich auch noch meine alte Funktion inne. Die Übernahme erfolgte erst bei Austritt meines Vorgängers. Wichtig ist natürlich, dass der Vorgänger auch einen entsprechenden Teil seiner Verantwortlichkeiten abgibt. Für die Stellenbesetzung haben wir zwei Verfahren: Entweder besetzen wir die Stelle über eine interne Ausschreibung oder wir machen eine Art Berufungsverfahren – dann nämlich, wenn der Vorgesetzte schon genau weiss, wen er intern will. Ich habe mich zwar immer für die erste Variante ausgesprochen, doch in einem solchen Fall verkommt die Ausschreibung zur reinen Formsache, die vermeidbar ist. Aber selbstverständlich gibt es dennoch ein Assessment.
Dadurch, dass wir über 50000 Mitarbeiter haben, verfügen wir natürlich über eine immense Auswahl bei der Nachfolge – gerade auf Stufe Geschäftsführer. Was wir hier in Zukunft noch vermehrt anstreben, ist, das grosse Wissen der Poolteilnehmer gezielt zu nutzen und sie an konkreten Projekten für das Unternehmen arbeiten zu lassen. So eine geballte Ladung High Potentials sollten wir auch einsetzen.
Der War for Talents ist im Verkauf noch nicht so spürbar. Gedanken mache ich mir allerdings, ob wir künftig unsere 3000 Lehrstellen noch besetzen können. Die Berufslehre muss gerade um ihr Image kämpfen und der Trend mit Bologna führt einerseits dazu, dass immer mehr Leute sich für eine akademische Laufbahn entscheiden. Dem gegenüber steht viel ungelerntes Personal, das unsere Ansprüche nicht erfüllen kann.»
Bewährungsprobe für interne Nachfolger
«Der Handlungsbedarf für eine systematische Nachfolgeplanung entstand, weil wir in der Energiebranche nebst wichtigen Führungsfunktionen auch zahlreiche Fachspezialistenfunktionen haben. Wir sind gut beraten, frühzeitig darüber nachzudenken, wie die Nachfolge einer Schlüsselstelle geregelt werden kann. Demzufolge haben wir einen systematischen Nachfolgeplanungsprozess für alle Schlüsselstellen initialisiert. Im vergangenen Jahr haben wir diese erstmals systematisch identifiziert und von der Geschäftsleitung bestätigen lassen. In einem jährlichen Review-Prozess werden diese überprüft und gegebenenfalls angepasst. Es ist wichtig, dass die Themen Schlüsselstellen, Potenzialträger und Nachfolgeplanung in der Geschäftsleitung präsent sind und von dieser getragen werden. Systematische Nachfolgeplanung ist letztendlich kein HR-Thema, sondern eine originäre Führungsaufgabe. Die Aufgabe von HR besteht darin, durch ein geeignetes Instrumentarium ideale Voraussetzungen zu schaffen und den Prozess zu begleiten bzw. zu steuern.
Insgesamt haben die CKW 40 Schlüsselstellen identifiziert, was rund 7 Prozent der Belegschaft entspricht. Es handelt sich um Führungs- und Fachkräfte unterschiedlicher Stufen. Ob eine Position als Schlüsselstelle gilt, hängt unter anderem von folgenden Kriterien ab, welche nicht alle erfüllt sein müssen: Wie stark beeinflusst die Funktion die strategische Positionierung des Unternehmens auf dem Markt, wie gross ist der Einfluss auf den monetären Unternehmenserfolg oder die Beziehung zu externen Kunden, inwiefern koordiniert beziehungsweise vernetzt eine Funktion relevante Abläufe?
Positionen, wie zum Beispiel meine eigene, bei denen Management-Skills im Vordergrund stehen, sind tendenziell keine Schlüsselstellen, da diese auf dem Arbeitsmarkt leichter zu finden sind. Kritischer sind vielmehr die technischen Funktionen in den Bereichen Netz oder Energie. Die Kenntnis der Anlagen und Funktionalitäten ist hochgradig komplex, die Einarbeitung kann dort unter Umständen mehrere Jahre in Anspruch nehmen.Für rund zwei Drittel unserer Schlüsselpositionen haben wir intern mögliche Nachfolger identifizieren können. Der Fokus unserer Nachfolgeplanung liegt jedoch nicht einzig auf interner Nachfolge – alle potenziellen Nachfolger müssen sich auch gegenüber externen Bewerbern behaupten können.»
Talent-Roundtables für die Identifikation
«CWS-boco ist gerade dabei, die Nachfolgeplanung neu zu gestalten und über den Konzern hinweg zu vereinheitlichen. Das Unternehmen gehört zum deutschen Haniel-Konzern mit etwa 50 000 Mitarbeitenden und beschäftigt in der Schweiz gut 650 Personen. Eine gezielte Nachfolgeplanung gibt es für das obere Kader, das etwa 15 bis 20 Personen umfasst. Die Besetzung der Geschäftsführung, also des Topmanagements und des General Manager, erfolgt auf Konzernebene in Deutschland.
Da wir in dem sehr spezialisierten Segment der Waschraumhygiene und der textilen Dienstleistungen rund um Berufskleidung und Flachwäsche operieren, sind wir nahezu darauf angewiesen, einen Grossteil unseres Nachwuchses intern aufzubauen: Einen Wäschereileiter, beispielsweise, findet man kaum auf dem Markt. Kündigt sich an, dass eine solche Fachkraft das Unternehmen verlässt oder pensioniert wird, bauen wir intern einen Nachfolger auf.
Durch die Neugestaltung sollen frei werdende Stellen transparenter werden, sodass die konzerninterne Besetzung einfacher wird.
Dazu werden dann im Organigramm alle Schlüsselpositionen mit ihren Nachfolgern nach einem Ampelsystem klassifiziert: Hat eine Position zwei potenzielle Nachfolger, ist sie grün; gibt es einen, ist sie orange, und gibt es keinen, ist sie rot. So sieht man gleich, wo dringend noch Handlungsbedarf besteht. Hauptkriterien für Schlüsselpositionen sind hierbei die Businessrelevanz und die benötigte interne Aufbauzeit. Dieses Wissen existiert bis anhin nur implizit.
Neu wird das Unternehmen so genannte Talent-Roundtables einführen, die von der HR-Abteilung initiiert werden. Dort kommen die jeweiligen Abteilungsleiter mit den HR-Bereichsverantwortlichen zusammen und analysieren Leistung und Potenzial der einzelnen Mitarbeitenden und erstellen einen Gesamtüberblick über den Betrieb oder den Bereich: Wer sind die High Potentials, wie steht es um die Fluktuation, wo gibt es Abgänge? Die Talent-Roundtables basieren auf dem Mitarbeiterdialog über Ziele und Zielerreichung. Über das Kompetenzmodell wird auch die Art und Weise der Zielerreichung thematisiert, was wiederum für die Nachfolgeplanung relevant ist.
Standardisierte Prozesse mit Freiraum
«Auf Stufe Konzern führen wir eine welt weite Nachfolgeplanung für die Top 100. In den Divisionen umfasst die Nachfolgeplanung die wichtigsten Führungs- und Fachfunktionen. Ziel ist es, möglichst viele Nachfolger von innen zu rekrutieren; unsere Zielvorgabe liegt bei 70 Prozent interner Stellenbesetzung. 2009 haben wir zum Beispiel 79 Prozent der Führungspositionen mit internen Kandidaten besetzt. Natürlich gibt es auch Situationen und vor allem Teamkonstellationen, wo wir bewusst neue Impulse über externe Rekrutierung setzen wollen.
Wir haben einen etablierten Prozess zur Identifikation von kurz- (<2 Jahre) und mittelfristigen (<5 Jahre) Nachfolgern. Ergänzend führen wir Pools mit Kandidaten, die Potenzial für internationale und/oder divisions-übergreifende Einsätze haben. Kandidaten für die Nachfolgeplanung werden über einen strukturierten Talent-Review-Prozess identifiziert und beurteilt. Bei diesen Review Sessions sind die entsprechenden Managementteams unter Moderation von HR aufgefordert, ihre Sicht einzubringen. Als Basis dazu dienen die jährlich stattfindenden individuellen Mitarbeitergespräche. Ergänzend werden Interviews und Assessments zur Potenzialabklärung durchgeführt. Unsere Prozesse sind standardisiert, lassen aber genügend Freiraum für schnelle und pragmatische Lösungen. Auch ist es wichtig, den kulturellen Unterschieden weltweit Rechnung zu tragen.
Die Schlüsselpostionen identifizeren wir nach dem Global Grading System von Towers Watson, um weltweit eine einheitliche Einstufung zu garantieren. Letztlich geht es um Kritierien wie strategischer Impact, Komplexität von Aufgabe und Umfeld und Business KPIs.
Zur Potenzialbeurteilung nutzen wir Interviews und Assessments. Wesentlich ist auch die Diskussion anlässlich unserer Talent Review Meetings, wo wir eine Person und ihr Potenzial aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Wichtig bei solchen Diskussionen ist ein gemeinsames Verständnis der relevanten Kompetenzen. Dazu nutzen wir unser firmenspezifisches Kompetenzmodell.
Für die Nachfolgeplanung braucht es klare Prozesse, aber vor allem auch die Einsicht der Führungskräfte, dass Nachfolgeplanung eine zentrale Führungsaufgabe ist, welche mit hoher Priorität verfolgt werden muss.»