«Weiche Faktoren» der (Un-)Gleichstellung in Unternehmen
Während Unternehmen und Verwaltungen heute vielfach über statistische Kennwerte zur Gleichstellung verfügen, sind sie oft nur wenig über kulturelle Dimensionen informiert, die im betrieblichen Alltag zur Ungleichstellung von Frauen und Männern führen. Ein jüngst ins deutsche übersetztes Online-Diagnose-Tool verspricht, diese «weichen Faktoren» aufzuzeigen und bietet auf jeweils spezifische Voraussetzungen zugeschnittene Handlungsansätze.
Es sind die in den Köpfen verankerten Überzeugungen und Auffassungen zu den Geschlechtern, die den bestehenden Massnahmen zur Gleichstellung in die Quere kommen. (Bild: 123RF)
Viele Unternehmen und Verwaltungen haben in den vergangenen Jahren Massnahmen zur Gleichstellung etabliert. Doch hat sich längst noch nicht in allen Bereichen etwas bewegt: Männerdominierte Branchen sind für Frauen immer noch schwer zu erobern und sogenannte Frauenarbeitsbereiche erweisen sich für Männer noch vielfach als Sperrgebiet. Oft sind es kaum hinterfragte, stereotype Wahrnehmungen von «Weiblichkeit» und «Männlichkeit», die Hindernisse des Zugangs zu spezifischen Berufsfeldern bilden oder den Arbeitsalltag in bestimmten Branchen und Betrieben erschweren. So dominiert etwa weiterhin die Vorstellung, dass Frauen weniger Durchsetzungskraft in einflussreiche Positionen einbringen könnten. Oder Männern, die den Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Verpflichtungen äussern, wird eine geringe Karriereorientierung unterstellt.
Gerade aber über diese oftmals unsichtbaren Mechanismen der Ungleichstellung besteht in vielen Unternehmen Unwissen. Während die Arbeitgeber heute Statistiken über die Geschlechterverteilung in Funktionen und Positionen führen oder potentielle Lohnungleichheiten im Selbsttest messen, wissen sie vielfach nicht, wie es bei Ihnen um die «weichen Faktoren» der Ungleichstellung steht. Dabei sind es gerade diese «weichen» beziehungsweise die in den Köpfen verankerten Überzeugungen und Auffassungen zu den Geschlechtern, welche heute vielfach die bestehenden Massnahmen zur Gleichstellung konterkarieren.
Online-Tool «Pro-Egalität»
Eine Möglichkeit zur Einschätzung dieser sogenannt «weichen Faktoren» der (Un-)Gleichstellung im Betrieb bietet seit kurzem ein online verfügbares Diagnose-Instrument. Mit dem Online-Tool «Pro-Egalität» können Unternehmen ihre Mitarbeitenden zu verschiedenen Aspekten des Arbeitsalltags, wie etwa zu Bewerbungsverfahren, der Integration ins Team, der Beziehung zu Vorgesetzen oder zur Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen befragen. Gezielt werden diese Wahrnehmungen und Beobachtungen der Belegschaft als Grundlage einer Einschätzung der Gleichstellungssituation herangezogen.
Das neue Online-Tool soll eine Ergänzung bieten zu bereits bestehenden Diagnose-Instrumenten im Bereich der Messung «harter Fakten». Es richtet sich an Linien-Manager, HR und Gleichstellungsbeauftragte in Organisationen. Ausgehend von den Resultaten können die Verantwortlichen nicht nur spezifische Bedürfnisse und Erwartungen ihres Personals identifizieren, sondern auch Unterstützung und Anleitung bei der Förderung der Gleichstellung und der Modernisierung von Arbeitsverhältnissen gewinnen. Die Massnahmenvorschläge, die auf der Webseite von «Pro-Egalität» eingesehen werden können, beziehen sich auf 9 für Diskriminierung anfällige Arbeitssituationen. Zu diesen zählen neben Massnahmen im Bereich der Sensibilisierung und Schulung von Vorgesetzten oder der Vermittlung von Anerkennung im Arbeitsalltag auch Hinweise auf die Gleichbehandlung von Kundinnen und Kunden. Überdies sind konkrete Vorschläge zur Verbesserung der betrieblichen Gleichstellung, wie beispielsweise Anleitungen für Bewerbungsgespräche oder die Einführung eines Buddy-Systems für neue Mitarbeitende zu finden. Die Webseite listet eine Vielzahl von Links und Literaturvorschlägen auf, welche die Vertiefung in das Thema ermöglichen und weitere Ansätze aufzeigen.
«Pro-Egalität»
Entwickelt wurde das Online-Tool am Institut für Höhere Studien in der öffentlichen Verwaltung (IDHEAP) der Universität Lausanne mit finanzieller Unterstützung des Eidgenössischen Büro für Gleichstellung (EBG). Bis anhin wurden vor allem in der Westschweiz Diagnosen durchgeführt. Aus dem Französischen wurde es nun von der Hochschule für Angewandte Psychologie (APS) der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) für den Gebrauch im deutschen Sprachraum übersetzt. www.pro-egalitaet.ch