HR Today Nr. 12/2020: Praxis – Serie Berufliche Vorsorge

Weiterversicherung nach Art. 47a BVG

Ab 1. Januar 2021 tritt eine neue Regelung zur Weiterversicherung in der beruflichen Vorsorge in Kraft. Diese verpflichtet Pensionskassen, Arbeitnehmende weiter zu versichern, wenn ihr Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 58. Altersjahres aufgelöst wird.

Arbeitnehmende, die wenige Jahre vor dem Rentenalter den Job verlieren, mussten bislang häufig aus der Pensionskasse aus­treten und erlitten dadurch Einbussen beim Vorsorgeschutz. Ab 1. Januar 2021 wird das nicht mehr so sein. Neu sind die ­Pensionskassen verpflichtet, allen Versicherten ab 58 Jahren eine Weiterversicherung anzubieten. Gemäss Gesetzeswortlaut gilt das dann, wenn das Arbeitsverhältnis von Arbeitgebenden aufgelöst wird (Art. 47a Abs. 1 BVG). Diese Regelung erfasst das Obligatorium ebenso wie die weitergehende berufliche Vorsorge. Das Covid-19-Gesetz erstreckt diese Regelung zudem in ­zeitlicher Hinsicht. So profitieren auch Versicherte davon, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 2021, aber nach dem 31. Juli 2020 aufgelöst worden ist.

Eckpunkte der Weiterversicherung

Wer sich weiterversichern lässt, kann den Alterssparprozess fortführen, ist dazu aber nicht verpflichtet (Art. 47a Abs. 2 BVG). Der Anspruch auf eine Altersrente bleibt unabhängig ­davon bestehen, ob der Sparprozess fortgeführt wird oder nicht. Zwingend dagegen sind Beiträge für die Risiken Tod und Invalidität (Art. 47a Abs. 3 BVG) – eine beitragsfreie (Weiter-)Versicherung ist nach Auffassung des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) nicht vorgesehen. Die Risikobeiträge wie auch allfällige Alterssparbeiträge berappen die Versicherten vollumfänglich aus eigener Tasche. Dagegen können Pensionskassen in ihren Reglementen vorsehen, dass ein tieferer als der bisherige Lohn versichert werden kann (Art. 47a Abs. 7 BVBG).

Gesetzlich nicht geregelt ist, innert welcher Frist und in ­welcher Form der Anspruch auf Weiterversicherung geltend zu machen ist. Es ist Sache der Pensionskassen, in ihren Reglementen für Klarheit zu sorgen und die Versicherten entsprechend zu informieren (Art. 8 Abs. 2 FZG). Infolge Weiterversicherung haben die Versicherten einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit ihren bisherigen Arbeitskolleginnen und -kollegen und bleiben sowohl im gleichen Vorsorgewerk als auch im gleichen Anschlussvertrag versichert. So bleibt eine gewisse Solidarität über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bestehen.

Auflösung des Arbeitsverhältnisses

Die Möglichkeit zur Weiterversicherung nach Art. 47a BVG hängt davon ab, wer das Arbeitsverhältnis auflöst. Gemäss Gesetz greift die Regelung nur dann, wenn «das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aufgelöst wurde». Die Auslegung dieser ­Formulierung wird aber bereits kontrovers diskutiert. Ist tatsächlich entscheidend, wer kündigt, oder nicht vielmehr, wer die Kündigung veranlasst hat?

Das BSV legt das Gesetz dahingehend aus, dass die frei­willige Weiterversicherung nach Art. 47a BVG nur jenen Versicherten offensteht, denen der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht persönlich zugerechnet oder vorgeworfen werden kann. Die Wahlmöglichkeit nach Art. 47a BVG entfiele also beispielsweise bei einer gerecht­fertigten fristlosen Kündigung durch die Arbeitgebenden, obwohl diese das Arbeitsverhältnis auflösen.

Kündigen Arbeitnehmende aus freien Stücken oder endet ein befristetes Arbeitsverhältnis, so greift die Weiterversicherung nach Art. 47a BVG ebenfalls nicht. Darüber hinaus ist das BSV der Auffassung, dass ein Arbeitsverhältnis auch dann als von Seiten der Arbeitgebenden aufgelöst betrachtet werden kann, wenn diese mit den Arbeitnehmenden eine Aufhebungsvereinbarung abschliessen und sich nachweisen lässt, dass die Initiative zur Vertragsbeendigung von den ­Arbeitgebenden ausging. Dieser Nachweis obliegt im Streitfall den Arbeitnehmenden. Das gewerkschaftsnahe Pensionskassen-Netz will die Weiterversicherungsoption nach Art. 47a BVG sogar bei Kündigungen durch die Arbeitnehmenden greifen lassen, die durch die Arbeitgebenden veranlasst worden sind.

Aufhebungsvereinbarung

Früher oder später werden Gerichte diese Fragen an der Schnittstelle von Arbeitsrecht und beruflicher Vorsorge zu klären haben. Bei Aufhebungsvereinbarungen bleibt ­Folgendes zu beachten: Sollten sie entgegen dem BSV zum Verlust der Weiterversicherungsoption nach Art. 47a BVG führen, wären allfällige negative Auswirkungen für die ­Arbeitnehmenden beim Abschluss und der Ausgestaltung zu bedenken und in die Überlegungen miteinzubeziehen. Auch ist nicht auszuschliessen, dass die Gerichte diesbezüglich eine Informationspflicht der Arbeitgebenden bejahen, gestützt auf Art. 331 Abs. 4 OR. Jedenfalls widerspricht es nach ­gängiger Gerichtspraxis der Lebenserfahrung, dass Arbeitnehmende auf gesetzliche Ansprüche ohne Gegenleistung verzichten.

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Dr. iur. Philipp Egli, Rechtsanwalt, Dozent und Leiter des Zentrums für Sozialrecht an der ZHAW in ­Winterthur.

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Marc Wohlwend, MLaw, Rechtsanwalt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Sozialrecht an der ZHAW und Doktorand im Doktoratsprogramm ­Biomedical Ethics and Law / Law Track an der Universität Zürich.

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