KMU

«Wenn alle Firmen Kurzarbeit einführen, kommt die Strukturbereinigung zu spät»

Ruedi Noser ist neben seiner Funktion als Nationalrat der Liberalen Inhaber und CEO der Noser Management AG, eines KMU der Noser Gruppe. Im HR Today Interview äussert er sich kritisch zur verlängerten Kurzarbeit und zu den Gründen der mangelnden Risikokapitalvergabe in der Schweiz.

«Wer keine Gewinne erwirtschaftet, kann nicht moralisch handeln», sagten Sie am KMU-Tag in St. Gallen im Oktober. KMU – auch wenn sie es nicht immer direkt äussern mögen – leiden unter der Krise. Wie gross sehen Sie gegenwärtig die Versuchung, unmoralisch zu handeln? Und was bedeutet überhaupt «unmoralisch handeln»?

Ruedi Noser: Diesen Satz kann man nicht nur auf die aktuelle Situation beziehen. Wenn ich sage, man nur moralisch handeln kann, wenn man Gewinne macht, sage ich implizit auch, dass ein Teil der Gewinne als Reserven vorhanden sein muss, um eben auch dann noch Handlungsoptionen zu haben, wenn man sie in wirtschaftlich schwierigen Situationen braucht. Optionen, die durchaus auch schmerzhaft sein können. Wichtig aber ist, dass Reserven dazu eingesetzt werden, sich strukturell anzupassen, um rasch wieder in die Gewinnzone zu gelangen. Wenn man die Reserven nur zur Überbrückung der Krise verbrennt, werden sie nicht moralisch eingesetzt. Ich bin der Ansicht, dass es vielen KMU in der heutigen Situation nicht besonders gut geht. Die meisten waren jedoch zu Beginn der Krise viel gesünder als zur vergleichbaren Situation im Jahr 2000.

Welche Personalpolitik sollten KMU verfolgen – die Kurzarbeit auf zwei Jahre verlängern? Der Verlust von wertvollen, über Jahre eingearbeiteten, schwer gefundenen Mitarbeitenden, insbesondere Fachkräften, wäre besonders für KMU fatal, sobald die Konjunktur wieder steigt …

Man muss sich bewusst sein, dass eine zweijährige Kurzarbeit auch grosse Fragen zum Wertesystem in der betroffenen Firma aufwirft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mitarbeiter, die zwei Jahre Kurzarbeit leisten, ihren Wert wirklich voll erhalten können. Kurzarbeit macht höchstens Sinn, um sich an neue Situationen anzupassen, und nicht, um diese auszusitzen. Im Weiteren muss man sich auch bewusst sein, dass eine Erholung im Markt nur dann stattfinden kann, wenn Strukturen bereinigt werden. Wenn alle Firmen Kurzarbeit einführen, findet diese Strukturbereinigung viel zu spät statt. Deshalb wird sich der kluge Unternehmer nicht auf eine lange Kurzarbeit einlassen.

Wie könnten KMU auf personalpolitischer Ebene einen Strukturwandel konkret mitgestalten?

Das müssen sie zwangsläufig tun. KMU sind nahe am Markt, und das zwingt sie, den Wandel im Markt mitzugehen, oder sie sind nicht mehr im Markt.

Wie kann gerade jetzt nachhaltiges Wirtschaften bei KMU umgesetzt werden?

Wenn ein KMU in guten Zeiten das Geld dazu verwendet hat, Kredite zurückzubezahlen, und Investitionen selbst finanziert hat, dann verfügt es heute über gewisse Reserven, die es ihm ermöglichen, zu tun, was nötig ist, und es davor bewahren, kopflos zu handeln. Nachdenken ist immer der Anfang von Nachhaltigkeit.

In welcher Form könnte der Staat KMU zum Überleben helfen bzw. zum Kauf von anderen Firmen verhelfen? Laut einer Studie sind 20 Prozent der KMU übernahmewillig!

Der Staat soll ja nicht direkt helfen. Indem der Staat dafür sorgt, dass der Kreditmarkt weiter funktioniert, die Zinsen tief sind und der Franken nicht aufgewertet wird, schafft er die Rahmenbedingungen, die es braucht, um Unternehmen kaufen und verkaufen zu können. Im Übrigen muss nicht jedes Unternehmen, das auf dem Übernahmemarkt ist, auch wirklich übernommen werden. Einige müssen, so schmerzlich es im Einzelfall ist, eben auch verschwinden.

Genügen die gegenwärtigen Beiträge im dritten Stabilisierungspaket für die Generierung innovativer Schweizer Technologien?

Ja, ich bin überzeugt, dass die Schweiz zu den Innovationsgewinnern gehört. Die meisten von anderen Staaten ergriffenen Massnahmen dienen nur der Strukturerhaltung und sind damit Gift für die Innovation.

Ist die Bereitschaft zur Risikokapitalvergabe in der Schweiz gross genug, um den Schweizer KMU zu mehr Innovation zu verhelfen?

Nein, in der Schweiz gibt es zu wenig Risikokapital. Und das vorhandene wird vermutlich mehrheitlich im Ausland angelegt statt in der Schweiz. In der Schweiz gibt es keinen transparenten Unternehmensmarkt. Das macht es den Investoren schwer, in die hiesigen Firmen zu investieren. Auch haben wir keine eigene Kultur dafür entwickelt. Dass heisst, wenn Investitionen getätigt werden, dann nach amerikanischem Modell. Nun ist es aber so, dass es sehr viele KMU gibt, die zwar eine gute Idee haben und in die man investieren könnte, aber für die ein Exit-Szenario über die Börse nur beschränkt geeignet ist. All diese Firmen haben es sehr schwer, Investoren zu finden, da es nur wenige langfristig orientierte Anleger gibt, die bereit sind, ihr Geld in einem illiquiden Markt anzulegen.

Darum wäre es gut, wenn die Schweiz bereit wäre, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Unternehmen besser gehandelt werden können, und zwar nach unseren Wertvorstellungen.

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Connie Voigt ist 
Executive Coach bei der Firma «Inside Out» sowie Gründerin der Netzwerkorganisation «Interculturalcenter.com GmbH». Zudem ist sie Dozentin für Organizational Behavior an der Edinburgh Business School, FHNW Basel und FU Berlin.

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