Wenn der Arbeitsvertrag übereilt aufgelöst wird
Urteil des Bundesgerichts vom 19. Januar 2012 (4A_563/2011).
Das Urteil
Die Klägerin war seit Oktober 2008 bei der Beklagten als Leiterin Kundendienst angestellt. Anfang Februar 2010 kam es zwischen den Parteien zu einem Zerwürfnis. Am 4. Februar 2010 bestätigte die Arbeitgeberin der Angestellten die von ihr vorgeschlagene Vertragsauflösung im gegenseitigen Einvernehmen. Sechs Wochen später, mit Schreiben vom 16. und vom 29. März 2010, opponierte die Angestellte gegen die Beendigung des Vertragsverhältnisses und stellte ihre Arbeitskraft bis Ende April zur Verfügung. Mitte April reichte sie beim Arbeitsgericht Luzern Klage über die Lohnsumme von 12 663 Franken für den Zeitraum vom 5. Februar bis 30. April 2010 ein, und ein paar Monate später trat die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern bezüglich der von ihr geleis-teten Arbeitslosenentschädigung in den Prozess ein.
Alle Gerichtsinstanzen verneinten, dass zwischen den Parteien ein Aufhebungsvertrag gültig zustande gekommen ist. Grundsätzlich ist eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar möglich und kann auch konkludent erfolgen. Da ein solcher Aufhebungsvertrag für den Arbeitnehmer allerdings einschneidende Folgen haben kann, üben die Gerichte grosse Zurückhaltung bei der Annahme eines konkludenten Aufhebungsvertrages. Zusätzlich wird verlangt, dass der Aufhebungsvertrag durch ein Interesse des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist. Die beidseitigen Ansprüche aus zwingendem Recht, auf die vertraglich verzichtet werden soll, müssen von ungefähr gleichem Wert sein, damit der Aufhebungsvertrag gültig ist.
Obschon im konkreten Fall davon auszugehen war, dass die Arbeitnehmerin, welche mit massiven Vorhaltungen konfrontiert worden war, in die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses einwilligte, wenn nicht gar selbst vorschlug, ist ein Aufhebungsvertrag nicht gültig zustande gekommen. Denn offensichtlich handelte die Arbeitnehmerin überstürzt und war sich der Tragweite ihres Handelns nicht bewusst, zumal der Verzicht auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses keinerlei Vorteile für sie bot. Daran ändert auch nichts, dass die Arbeitnehmerin nicht mehr zur Arbeit erschien und es sechs Wochen dauerte, bis sie gegen den Aufhebungsvertrag opponierte. Aufgrund der Umstände durfte sie davon ausgehen, dass ihr Arbeitseinsatz nicht länger erwünscht war.
Konsequenz für die Praxis
Die Gerichte warfen der Arbeitgeberin vor, dass sie nicht erkannt habe, dass die Arbeitnehmerin mit der Situation überfordert war und deshalb nicht gültig in die Aufhebung einwilligen oder diese gar selbst vorschlagen konnte. Die Arbeitgeberin hätte in dieser Situation der Arbeitnehmerin eigentlich eine genügende Überlegungsfrist zur Verfügung stellen müssen. Das Ergebnis wäre dann zwar höchstwahrscheinlich dasselbe gewesen, aber immerhin hätte sich die Arbeitgeberin die Kosten im Zusammenhang mit den Gerichtsverfahren sparen können.