Schweizer Unternehmen tun noch zu wenig in Sachen Sicherheit ihrer Expatriates
Die Unternehmen in der Schweiz liegen im internationalen Vergleich in der Umsetzung ihrer Fürsorgepflicht noch zurück, sagt Ghislain de Kerviler. «In der Theorie, wie der Erstellung von Reiserichtlinien, sind sie bestens aufgestellt. In der praktischen Umsetzung gibt es jedoch noch Verbesserungspotential. Mit spezifischen Trainings etwa, mit medizinischem oder Sicherheitsschwerpunkt bereiten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter auf den Aufenthalt im Ausland richtig vor – und schliessen zugleich die Lücke zwischen Theorie und Praxis.»
Diesbezügliche bietet International SOS auch Kurse im Rahmen der Gesamtberatung zum Thema Expatriates an.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen auch Tabus diskutieren
Die Studie geht auch auf die Verantwortung des Arbeitnehmers ein. Abmachungen werden seitens des Arbeitgebers (HR) sinnvollerweise schriftlich festgehalten und gegengezeichnet. So ist der Angestellte nämlich rechtlich verpflichtet, die empfohlenen Massnahmen zu beachten, die zu mehr Sicherheit und einer Minimierung möglicher Risiken führen, unter Umständen selbst wenn sie sein Privatleben betreffen.
Denn was in der Schweiz oder in ähnlich sozialisierten Ländern kein Thema ist, kann anderenorts auf der Welt zu ernsthaften Problemen führen. Aufreizende Kleidung, ein Flirt nach Feierabend, ein Scherz über die Regierung, ein Bierchen auf dem Balkon und dergleichen sind nicht überall möglich oder sogar bei Strafe verboten.
Fragen nach Trinkverhalten und der Einstellung zur Sexualität oder auch zum Gesundheitszustand sind arbeitsrechtlich zwar heikel, können in diesem Zusammenhang aber dennoch zielführend da (lebens)sichernd sein.
In diesem Zusammenhang müssten oft auch niederschwellige Informationen und Richtlinien mit dem Mitarbeitenden erörtert werden, die sonst nach dem Motto «Das weiss doch jeder» leicht vergessen gehen können, sagt Alec Crippa. «Wenn ein Arbeitnehmer etwa in fremde Kulturen entsandt wird, dann sollte er auf den ‘Kulturschock‘ vorbereitet werden.
Verhaltensmuster müssen deshalb diskutiert werden. Arbeitgeber sollten Arbeitnehmern diesbezüglich die ‘einfachste Regel‘ für ferne Kulturen ans Herz legen: No Sex, no Drugs, no Rock‘n‘Roll!»
Crippa erinnert auch daran, dass gewisse Länder (Pakistan) Einreiseverbote für Menschen kennen, die etwa träger des HI-Virus sind. Das Besprechen solch brisanter, persönlicher Dinge ist zwar delikat - aber nötig.
Was Unternehmen bei der Auslandsentsendung ihrer Mitarbeiter beachten müssen
Unternehmen schicken heute mehr Mitarbeiter als je zuvor ins Ausland. Damit steigt auch die Verantwortung der Arbeitgeber, die Fürsorgepflicht wahrzunehmen und die Mitarbeiter auf die Geschäftsreise oder den längeren Aufenthalt im Ausland richtig vorzubereiten. Nach Empfehlungen von International SOS, dem weltweit grössten Anbieter von Prävention und Krisenmanagement in Gesundheits- und Sicherheitsfragen, sind folgende sechs Prinzipien grundlegend für jeden Auslandsaufenthalt:
- Sich richtig vorbereiten: Mitarbeiter müssen sich auf die Reise gezielt vorbereiten (Bsp.: medizinische Versorgung, politische und sicherheits-spezifische Lage).
- Bewusstsein entwickeln: Jeder Einzelne muss sich der Situationen, die potentielle Risiken und Gefahren bergen, bewusst werden (Bsp.: Endemische Infektionskrankheiten wie Malaria, nachts am Reiseziel ankommen, Linksverkehr, etc.).
- Sich unauffällig verhalten: Reisende sollten die landestypischen Regeln und Verhaltensweisen beachten, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (Bsp.: keinen teuren Schmuck oder Frequent Flyer Tags am Gepäck tragen).
- Routinen vermeiden: Insbesondere in Risikoländern sollten Reisende darauf achten, keinen vorhersehbaren Tagesablauf zu haben (Bsp. Abholzeiten und Routen variieren).
- In Kontakt bleiben: Der Reisende sollte Kollegen und Bezugspersonen über Termine und Aufenthaltsorte während der Reise stets informieren (Bsp.: Hotel- oder Ortswechsel mitteilen).
- Mehrere Schutzschichten (Zwiebelprinzip): Je besser Reisende und Expats sich vorbereiten und je mehr Prinzipien sie befolgen, desto niedriger wird die Wahrscheinlichkeit, im Ausland von einem medizinischen oder sicherheitsrelevanten Vorfall betroffen zu sein. Die Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitenden beginnt bereits in der Information und der Schulung der Arbeitnehmer bezüglich ihrer Rechte und Pflichten. Das Obligationenrecht regelt diese Pflichten und die Verantwortung der Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitenden im Art. 328 OR und streicht vor allem folgende Prioritäten hervor: Pflicht zur Information Pflicht zur Prävention Pflicht zur Kontrolle der Einhaltung der vereinbarten Regeln Pflicht zur Intervention bei einem Krankheits- oder Schadenfall.
Vollständige Dokumentation / Download der Studie hier
Quelle / Verfasser der Studie: Rechtsanwalt Michel Chavanne, in Zusammenarbeit mit Rechtsantwalt Alec Crippa und Frau Kathleen Hack, Substitutin. Kanzlei r & associés, Lausanne, www.r-associes.ch – «Können Sie in der Schweiz verklagt werden? Rechte und Pflichten von Unternehmen und Organisationen gegenüber ihren Geschäftsreisenden und Expatriates» (Memorandum, 36 Seiten), Security Management Initiative (SMI), Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), 2012