Was zählt, ist die gezielte Bearbeitung der Plattformen
Olivier A. Maillard: «Obwohl sie über weniger Budget verfügten, haben viele Unternehmen in der Krise weiterhin auf die klassischen Rekrutierungsprozesse gesetzt. Innovativ waren die Firmen nur selten – so führte in der Krise kaum ein Unternehmen die Nutzung der sozialen Netzwerke für die Rekrutierung ein. Natürlich gab es löbliche Ausnahmen. Diese haben ihre Kosten mehr als amortisiert, zum Beispiel indem sie die Time-to-hire via soziale Netzwerke reduzieren konnten. Wer in der Krise auf neue Prozesse und Rekrutierungsarten setzte, wird als Gewinner hervorgehen.
Aufgrund des nun bereits mehr als fünf Jahre dauernden War for Talent müssen die Rekrutierungsverantwortlichen die Stellen noch besser verkaufen. Daher ist es matchentscheidend, im Recruiting immer mehr Marketingmethoden einzusetzen. Dies einerseits, um Karrieremöglichkeiten allgemein bekannt zu machen. Andererseits aber auch, um mittels Kommunikation eine Kandidaten-Community aufzubauen und diese über das Firmenleben informiert zu halten. Dies kann über Direktansprachen via Headhunter, aber auch via Social Media geschehen.
Die Social Networks sammeln die passiven Suchenden und stellen eine interessante Ergänzung zu Jobbörsen dar. Früher träumten die Personalberater von Kandidaten-Datenbanken, heute finden sie diese bequem via Social Media. Diese bieten zudem den Vorteil, dass die Kandidaten ihre Daten selber aktuell halten – insbesondere dann, wenn sie offen sind für eine neue Jobmöglichkeit. Allerdings kennen die wenigsten Recruiter die Mechanismen der sozialen Netzwerke. Es genügt nicht, einfach eine Anzeige auf xing.com zu schalten; das bringt nicht viel mehr als auf einem herkömmlichen Stellenportal. Was zählt, ist die Verlinkung und die gezielte Bearbeitung dieser Plattformen.»
Online-Stellenmärkte werden künftig noch professioneller
Mark Sandmeier: «Der Online-Stellenmarkt hat sich während der Wirtschaftskrise verschlechtert; das ist völlig normal. Solche Zeiten nutzen wir jeweils, um für unsere Kunden neue Produkte zu entwickeln. Denn die Unternehmen haben weiterhin das Bedürfnis, die besten Kandidaten mit den richtigen Ausbildungen, Erfahrungen und Kenntnissen zu finden. Damit sie dieses Ziel erreichen, hat jobs.ch in den letzten zwei Jahren fünf zusätzliche spezialisierte Stellenmärkte in den Bereichen Finanzen, Informatik, Verkauf, Engineering und Medizin aufgebaut.
Uns geht es darum, den Stellensuchenden und Recruitern das Arbeitsmarktwissen der Schweiz in einfachster Weise zu erschliessen, damit sich immer genügend bestqualifizierte Kandidaten auf die Stellen unserer Kunden bewerben. Zudem können Unternehmen auf Jobportalen mit Firmenvideos und gezielten Werbeflächen auf ihre Qualitäten als Arbeitgeber aufmerksam machen. Dieses Employer Branding gewinnt an Bedeutung, weil die Arbeitgeber bei den besten Kandidaten auf die Qualitäten des Unternehmens aufmerksam machen wollen.
In Zukunft werden die grössten Online-Stellenmärkte immer professioneller geführt. Es wird deshalb viel in eine hohe Kundenzufriedenheit und in die effiziente Bewerbung der Vakanzen durch Online-Marketing investiert. Dieses spezifische Branchenwissen und die daraus entstehende Dienstleistungsqualität sind der wohl wichtigste Trend.
Für die Stellensuchenden ist das persönliche Netzwerk weiterhin ein wichtiger Kanal für die Stellensuche. Xing, LinkedIn oder Facebook vergrössern das persönliche Netzwerk und vereinfachen die Kommunikation. Damit werden diese neuen sozialen Medien auch zu indirekten Rekrutierungskanälen.»
Mit Lehrlingen den Fachkräftemangel ausgleichen
Hansruedi Labhart: «Die Art und Weise der Rekrutierung hat sich bei uns in den vergangenen Monaten nicht verändert, die Menge und die Qualität der Bewerbungen hingegen schon. So haben sich die eingehenden Bewerbungen in etwa verdreifacht – und die Qualität hat, zumindest teilweise, im gleichen Umfang abgenommen.
Die Bearbeitung der eingehenden Dossiers ist wesentlich aufwendiger geworden, vor allem dann, wenn jede Bewerberin, jeder Bewerber innert nützlicher Frist eine Antwort erhalten soll – was deren gutes Recht ist.
Für uns gibt es aber keinen Grund, das Rekrutierungsverfahren sich den schnell ändernden Marktbedingungen anzupassen. Dies würde ja eine Änderung der Strategie und Philosophie bedeuten. Nach wie vor schreiben wir alle unsere Stellen immer zuerst auf unserer Homepage und auf einer Internetplattform in der Schweiz, in Deutschland und Österreich sowie selektiv an Hoch- und/oder Fachhochschulen aus. Dies bringt uns vielfach innerhalb von zwei, maximal drei Wochen den gewünschten Erfolg – auch für Spezialistenjobs. Tritt dieser nicht ein, werden Inserate in ausgewählten Printmedien platziert.
Da wir immer wieder Spezialisten in Bereichen suchen, die in der Schweiz nicht ausgebildet werden, sind Netzwerke wichtig. Wir pflegen diese beispielsweise mit in- und ausländischen Bildungsstätten wie auch zum Teil über unsere Importeure sowie den Fachhandel. Dies mag im ersten Moment befremdend klingen. Ausser in der Schweiz gibt es in Europa in der Regel jedoch keine Monobrand-Händler. Somit haben viele Händler auch Kenntnis über die Strukturen und Personalbewegungen bei den Wettbewerbern.
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, werden wir auch in Zukunft überdurchschnittlich viele Lehrlinge, wenn möglich mit BMS-Abschluss, ausbilden und diese, sofern beidseits gewünscht, durch das anschliessende Studium begleiten. Als weitere Massnahme werden Semester- und Diplomarbeiten im In- und Ausland ausgeschrieben und Praktika ermöglicht. Zudem werden ehemalige Mitarbeitende aktiv kontaktiert.»
Mit Social Media sind nicht alle Kandidaten zu erreichen
Michael Agoras: «Die Rekrutierung von Mitarbeitern hat sich nicht verändert. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage wurden in vielen Unternehmen allerdings keine weiteren Mitarbeiter eingestellt, und wenn doch, zog sich der Prozess in die Länge. Das heisst, es wurde weniger und vorsichtiger rekrutiert.
Die Bedürfnisse der Unternehmen sind unterschiedlich. Wenn 120 Produktionsmitarbeiter gesucht werden, ist die Effizienz der Rekrutierung massgebend. Ein Restaurantbetreiber, der für seinen morgigen Grossevent kurzfristig noch 20 Servicefachkräfte braucht, will die Gewissheit, dass auf einen Pool von erfahrenen, zuverlässigen und disponiblen Mitarbeitern zurückgegriffen wird. Ein Pharmakonzern, der seit einem halben Jahr vergeblich den passenden Life-Sciences-Ingenieur sucht, will in einer bestimmten Zeit den passenden Kandidaten, egal was für Kosten dafür in Kauf genommen werden müssen. Grundsätzlich aber ist die allerhöchste Priorität, den passenden Mitarbeiter zu finden.
Wir kennen sowohl die Wünsche und Bedürfnisse der Unternehmen wie auch der Bewerber. Das ist einer der wichtigsten Mehrwerte, den wir als Personaldienstleister bieten können. Basis dafür bilden das Expertentum sowie persönliche Gespräche, die wir täglich mit den Kunden und Kandidaten führen. Durch unsere internationalen Strukturen, können wir auf
Netzwerke oder Pools von Mitarbeitern zurückgreifen, die flexible und massgeschneiderte Lösungen für alle Rekrutierungsansprüche ermöglichen.
Die sozialen Netzwerke üben bereits einen grossen Einfluss auf die Rekrutierung aus. Wo sie genutzt werden, bringen sie sowohl dem Arbeitgeber wie auch dem Arbeitnehmer Vorteile: Kontakte sind schneller geknüpft, Informationen sind transparenter und einfacher zugänglich, sich international zu bewerben und international zu rekrutieren, wird durch Social Networks einfacher. Allerdings werden diese Instrumente nur von bestimmten Berufsgruppen oder Marktteilnehmern genutzt. Es kommt sehr stark darauf an, wo und ob man Karriere machen will und was für Ziele man hat.»
Die einfachen Recruitingprozesse sind im Vorteil
Matthias Mäder: «Ja, die Rekrutierung hat sich verändert. Die meisten Unternehmen sind viel preissensibler geworden und äussern folgende Bedürfnisse: Sie wollen die geeignete Bewerberin, den geeigneten Bewerber schnell, kostengünstig und mit einem möglichst einfachen Prozess finden.
Auch der Medienmix hat sich verändert. So wurde in den letzten drei bis fünf Monaten fast jede Stelle auf mindestens ein bis zwei Online-Stellenplattformen sowie auf der eigenen Homepage geschaltet. Vermehrt werden die Stellen auch online wieder breiter ausgeschrieben und Spezialisten-Plattformen verwendet. Auch eine Zunahme bei den Printanzeigen ist zu beobachten.
Neue Medien wie Social Media, Videos etc. werden immer mehr zum Thema. Bedenkt man, dass Facebook in der Schweiz 2,2 Millionen User und Xing 3,9 Millionen User in der DACH-Region hat, kann man diese Medien auch für das Recruiting nicht einfach ignorieren. Die Anwendungen sind vielfältig. Zum einen kann ein Unternehmen die Social-Media-Plattformen ähnlich wie eine Jobbörse nutzen und Stellen aufschalten. Der grosse Unterschied zu klassischen Online-Plattformen ist, dass das Inserat am Profil des jeweiligen Recruiters angehängt ist und nicht einem Firmenkonto. Der Recruiter muss sein Profil dementsprechend pflegen und sein Netzwerk aktiv ausbauen, da er ein Brand Ambassador der Firma ist. Für das Suchen nach geeigneten Bewerbern oder das Screenen eines potenziellen Bewerbers können Social Media ebenfalls genutzt werden.
Der heutige Recruiter muss vermehrt neue Disziplinen beherrschen. Er braucht sehr gute kommunikative Fähigkeiten, um sich im Web auf Twitter, Xing oder Facebook mit Bewerbern auszutauschen. Aus unserer Studie ‹Trend Report Online Recruiting Schweiz 2010› ist hervorgegangen, dass die potenziellen Bewerber vermehrt einen realistischen Einblick in das Unternehmen wünschen. Es geht also nicht darum, schöne Bilder von Models zu publizieren, sondern die eigenen Mitarbeiter in Kampagnen einzubinden. Gerade im Kontext mit Employer Branding bieten sich hier für das Personalmarketing neue Chancen, sich als authentischer Arbeitgeber zu positionieren.»