Wer hat Anspruch auf Adoptionsurlaub und für wie lange?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll in der Schweiz vorangetrieben werden. Dem tragen neue gesetzliche Bestimmungen Rechnung.
Adoptiveltern können den Urlaub aufteilen, er kann aber auch von einem einzelnen Elternteil bezogen werden. (Bild: iStock)
Seit dem 1. Januar 2023 haben erwerbstätige Personen, die ein Kind unter vier Jahren zur Adoption aufnehmen, Anspruch auf einen zweiwöchigen, bezahlten Adoptionsurlaub. Mit Inkrafttreten des Adoptionsurlaubs wird auf Bundesebene eine familien- und gesellschaftspolitische Lücke geschlossen und die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit verbessert (vgl. BBl 2019 7095, 7103).
Anspruch auf eine Adoptionsentschädigung haben Personen, die ein weniger als vier Jahre altes Kind zur Adoption aufnehmen (Art. 16t Abs. 1 lit. a EOG). Der Anspruch entsteht mit der Aufnahme des Kinds in der Hausgemeinschaft und nicht mit seiner rechtlichen Adoption. Das ist auf Art. 264 Abs. 1 ZGB zurückzuführen: Wer ein minderjähriges Kind adoptieren will, muss während mindestens einem Jahr für seine Pflege und Erziehung gesorgt haben. Ab dem Zeitpunkt der Aufnahme beginnt die einjährige Frist des Urlaubbezugs (Art. 16u Abs. 1 und 2 EOG).
Adoptionsentschädigung
Wie bei der Mutter- und Vaterschaftsentschädigung muss eine anspruchsberechtigte Person vor der Aufnahme des Kinds während neun Monaten im Sinne des AHVG obligatorisch versichert gewesen sein und mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben (Art. 16t Abs. 1 lit. b EOG). Beim Zeitpunkt der Kindsaufnahme müssen Adoptierende zudem zuvor arbeitnehmend (Art. 10 ATSG), selbstständig erwerbstätig (Art. 12 ATSG) gewesen sein, oder im Betrieb des Ehemannes oder der Ehefrau mitgearbeitet und einen Barlohn bezogen haben (Art. 16t Abs. 1 lit. c EOG).
Der Anspruch endet nach Ablauf der Rahmenfrist, nach Ausschöpfung der Taggelder, wenn die anspruchsberechtigte Person oder das Kind stirbt (Art. 16u Abs. 3 EOG).
Die Adoptionsentschädigung wird in Form eines Taggelds ausgerichtet: Dieses beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das vor Beginn des Anspruchs auf Adoptionsentschädigung erzielt wurde (Art. 16w Abs. 1 EOG), höchstens aber 220 Franken pro Tag (Art. 16w Abs. 3 i.V.m. Art. 16f EOG). Wird der Urlaub wochenweise bezogen, werden sieben Taggelder pro Woche ausgerichtet; wird dieser tageweise bezogen, werden pro fünf entschädigte Tage zusätzlich zwei weitere gewährt (Art. 16v Abs. 3 und 4 EOG).
Anspruch auf Urlaub bei mehreren Adoptionen
Der arbeitsvertragliche Urlaubsanspruch (Art. 329j OR) ist auf das Erwerbsersatzgesetz (EOG) abgestimmt: Sind die Voraussetzungen des Art. 16t EOG erfüllt, hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin Anspruch auf einen zweiwöchigen Adoptionsurlaub (Art. 329j Abs. 1 OR). Dieser muss jedoch innerhalb des ersten Jahres nach Aufnahme des Kindes bezogen werden (sog. Rahmenfrist; Abs. 2). Adoptiveltern können den Urlaub aufteilen, er kann aber auch von einem einzelnen Elternteil bezogen werden.
Auch bei einer gemeinschaftlichen Adoption können nur zwei Wochen Urlaub (Art. 16t Abs. 2 lit. b EOG) bezogen werden. Das gilt auch für die gleichzeitige Aufnahme mehrere Kinder: Auch dann kann nur ein einmaliger Anspruch auf Adoptionsurlaub und Adoptionsentschädigung (Art. 16t Abs. 4 EOG) geltend gemacht werden. Gibt es jedoch einen zeitlichen Abstand zwischen den Adoptionen, entsteht ein neuer Anspruch. Der gleichzeitige Bezug des Urlaubs durch beide Elternteile ist dabei ausgeschlossen (Art. 329j Abs. 3 OR). Bei einer Urlaubsaufteilung müssen zudem beide Elternteile die Voraussetzungen von Art. 16t EOG erfüllen. Der Urlaub kann dann wochen- oder tageweise bezogen werden (Art. 329j Abs. 4 OR).
Der Adoptionsurlaub wird zusätzlich zu den Ferien gewährt, deshalb darf der Arbeitgeber die Ferien bei Bezug eines Adoptionsurlaubs nicht kürzen (Art. 329b Abs. 3 lit. e OR). Von dieser Regelung darf durch einen Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nur abgewichen werden, wenn diese für den Arbeitnehmenden mindestens gleichwertig sind (Art. 329b Abs. 4 OR und Art. 362 Abs. 1 OR). Auf einen zeitlichen Kündigungsschutz bei Bezug des Adoptionsurlaubs hat der Gesetzgeber verzichtet (vgl. Art. 336c OR). Unter Umständen kann eine Kündigung aber wegen des Adoptionsurlaubs missbräuchlich sein.
Der im OR verankerte Adoptionsurlaub gilt nur für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse, nicht aber für öffentlich-rechtliche, ebenso wenig für das Gemeinde-, Kantons- und Bundespersonal mit einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsvertrag. Ein entsprechender Urlaub muss deshalb im Personalgesetz vorgesehen werden, etwa durch einen Verweis auf die OR-Regelung.