«Wer nicht Nein sagen kann, läuft wahrscheinlich in ein Burnout»
«Nein, das mach ich nicht.» Geht Ihnen ein solcher Satz leicht von den Lippen? Oder sind Sie der ewige Ja-Sager? Elisabeth Mlasko ist Coach für Boundary Management und erklärt, warum uns Nein sagen so schwerfällt – und wie es uns künftig besser gelingt.
«Zum Neinsagen gehören ein solides Selbstwertgefühl», sagt Coach Elisabeth Mlasko. (Bild: 123RF)
Frau Mlasko, was genau ist Boundary Management?
Elisabeth Mlasko: Boundary Management ist nichts anderes als der gute Umgang mit den eigenen Grenzen. Es geht darum, an der richtigen Stelle Nein zu sagen – nicht nur im Berufsleben, sondern auch in der Familie, bei Freunden und nicht zuletzt zu sich selber.
Seit wann und warum ist Boundary Management ein Thema?
Das Thema kam vor allem mit den zunehmenden Mitteln der Telekommunikation auf. Die permanente Möglichkeit der Erreichbarkeit verführt Arbeitgeber (aber auch Arbeitnehmer!) dazu, fast rund um die Uhr miteinander zu kommunizieren. Dazu kommt noch die internationale Verknüpfung. Wer einen Job hat, der mehrere Zeitzonen einbezieht, kann leicht in das Fahrwasser der 24-Stunden-Arbeitszeit geraten.
Ist das Thema ein Trend, der wieder vorübergeht?
Ich glaube nicht, dass der Trend vorübergeht. Ich habe aber beobachtet, dass bei der Generation Y und noch verstärkt bei der Generation Z eine andere Denkweise aufkommt. Sie erwarten von ihren Arbeitgebern Bedingungen, die Raum und Zeit für die anderen Lebensbereiche ermöglichen. Sie stellen die Karriere nicht in ihr Lebenszentrum und stärken damit ihre Verhandlungsposition für beispielsweise Teilzeit-Verträge.
Warum fällt es uns so schwer, nein zu sagen?
Oft scheitert es am eigenen Inneren. Zum Neinsagen gehören ein solides Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein, Mut und Standfestigkeit. Kurz: Eine gereifte Persönlichkeit. In einer leistungsgetriebenen Gesellschaft gilt überwiegend: Liebe für Leistung. Da sagt es sich schlecht nein, wenn der Chef etwas von einem verlangt.
Kann man Neinsagen lernen?
Wie gesagt: Persönliche Reife ist eine wesentliche Voraussetzung. Mit professioneller Unterstützung, zum Beispiel einem Coaching, kommt man schneller ans Ziel. Reifungsprozesse sind individuell und zudem von weiteren Faktoren abhängig: Ein gutes soziales Netz ist zum Beispiel sehr hilfreich. Habe ich jedoch weitere Lebensbaustellen, muss ich vielleicht zuerst diese lösen.
Dieses Jahr steht meine Beförderung an – hoffentlich! Mein Chef fragt mich, ob ich zusätzlich noch ein Projekt übernehmen kann. Zeitlich gesehen? Nein, eigentlich nicht. Aber ja, ich möchte zeigen, was ich kann und ich möchte befördert werden. Wie kann ich Nein sagen, ohne einen negativen Eindruck zu hinterlassen?
Freundlich, aber bestimmt. Grundsätzlich empfehle ich sachliche Argumentationslinien:
- Listen Sie Ihre Aufgabenbereiche auf und erstellen Sie eine Übersicht darüber, was wie viel Zeit benötigt.
- Nutzen Sie Qualitätsargumente: «Gute Arbeitsergebnisse setzen gewisse Kapazitäten voraus.»
- Bringen Sie Lösungsvorschläge: «Ich übernehme diesen Aufgabenbereich, weil ich wirklich die Richtige dafür bin – dafür muss jemand anderer eine Aufgabe von mir übernehmen.»
- Prioritäten setzen, eventuell kann man gewisse Aufgaben auch in der Timeline nach hinten schieben.
Nein sagen kann man nur dann, wenn man bereit ist, mögliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Deswegen ist es Voraussetzung, die eigenen Lebensprioritäten zu kennen.
Warum ist es wichtig für unsere Ausgeglichenheit, auch mal Nein zu sagen?
Wer nicht Nein sagen kann, läuft wahrscheinlich in ein Burnout.
Warum?
Wir leben in einer Zeit mit extrem hohen Anforderungen in diversen Lebensbereichen. Dabei vergisst man leicht, dass die Energie-Reserven mit zunehmendem Alter abnehmen. Es ist darum sinnvoll, den Energiehaushalt nicht ständig bis an die Grenze zu treiben. Man muss nicht nur anderen, sondern auch sich selber Nein sagen können. So bleiben wir langfristig gesund und leistungsfähig.
Welche positiven Effekte hat es für den Arbeitgeber, wenn seine Leute Nein sagen können?
Die Fähigkeit, Nein zu sagen, zeugt von gutem Selbstmanagement und einem soliden Selbstbewusstsein. Gut abgegrenzte Menschen sind fitter, besser gelaunt, positiver eingestellt gegenüber ihren Aufgaben, dem Unternehmen, den Vorgesetzten und den Kollegen. Und langfristig auch loyaler. Wenn Arbeitnehmende nie Nein sagen (dürfen), sind die Folgen Unzufriedenheit, Unlust, mangelnde Arbeitsleistung und schlechter Einfluss für das Betriebsklima. Bis hin zu Erschöpfung, Krise und Krankheit.
Best-Practice-Beispiele von Unternehmen die sich für das Boundary Management ihrer Mitarbeitenden einsetzen?
Vorbilder sind Unternehmen, die hinter dem Satz «Unsere Mitarbeitenden sind unser wertvollstes Kapital» stehen – und nicht nur davon reden. Mitarbeitende, die das Gefühl haben, ihre Arbeit macht Sinn, ihre Anliegen und Vorschläge werden gehört und sie werden gefordert, jedoch nicht überfordert, sind loyaler und leistungsfähiger. Mitarbeitende, die ständig überarbeitet sind und das Gefühl haben, ein Nein stösst auf Unverständnis, verzeichnen sinkende Leistungsfähigkeit und werden krank.
Wie konkret sorgen Sie dafür, dass Sie selbst regelmässig Nein sagen?
Ich persönlich habe schon lange nicht mehr Nein gesagt, weil es nicht nötig ist. Je klarer man im Umgang mit sich selber ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass von einem Dinge verlangt werden, die man nicht machen möchte.
Und wie sorgen Sie für Ihre Work-Life-Balance?
Und da ist es, mein persönliches Unwort des 21. Jahrhunderts: Work-Life-Balance. Wenn man Arbeit und Leben als zwei separate Bereiche anschaut, dann ist schon etwas falsch. Die Balance stimmt erst dann, wenn man Arbeit als erfreulichen Teil des Lebens betrachten kann. Wer nur lebt, wenn er nicht arbeitet, sollte etwas ändern.
Ihre Geheimtipps an uns betreffend Selbstanagement und Neinsagen?
Tun Sie alles, um sich selber kennenzulernen, zu ergründen, zu schätzen, zu umsorgen und zu lieben. Hören Sie nie auf mit der persönlichen Sinnsuche im eigenen Inneren. Sobald wir zu sehr vom «Aussen» abhängig sind – etwa vom Lob des Chefs –, tun wir uns schwer mit dem Selbstmanagement und dem Neinsagen. Je weniger ich an dem hänge, was ich habe, desto freier bin ich, meinen Handlungsspielraum auszuloten und auszukosten. Eine gute (nicht narzisstische) Form der «Selbstliebe» bezieht alle anderen Menschen und Lebensbereiche mit ein.
Zur Person
Elisabeth Mlasko (56) hat in Wien Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studiert. Sie arbeitete zunächst als Marketing- Kommunikationsfachfrau, auch in Führungspositionen. Als Coach befasst sie sich mit Führungscoaching, Teamentwicklung und Prozessarbeit.