Widerstand nutzen statt bekämpfen
Widerstand in Organisationen tritt unverhofft und überraschend auf. Doch jene, die Widerstand leisten, engagieren sich auch für die Organisation. Sie wollen nur einfach etwas Anderes. Widerstand ist weder gut noch schlecht – entscheidend ist, wie man ihn nutzt. Die folgende Checkliste gibt vier Hinweise dazu.
Bei der genaueren Betrachtung von Widerstand können wertvolle Erkenntnisse zum Vorschein kommen. (Bild: 123RF)
Widerstand in Organisationen gilt häufig als unvermeidbar und vorprogrammiert. Gerne gibt man sich mit Faustregeln zufrieden wie «Ein Drittel ist eh immer dagegen». Oder man erwartet, dass die Mitarbeitenden Führungsentscheiden einfach zu folgen haben. Wer aber meint, dass Widerstand Ausdruck eines organisationalen Übels ist, das es zu vermeiden oder auszumerzen gilt, ist auf dem Holzweg. Durch Widerstand wird etwas deutlich und erkennbar. Wichtig ist, dass wir mit Widerstand umsichtig umgehen, sei es bei der Einführung eines neuen Lohnsystems durch das HR oder bei strukturellen Anpassungen durch den Vorgesetzten. Ein grosser Fehler ist, Widerstand nicht ernst zu nehmen und sich nicht damit auseinander zu setzen. Bei genauerer Betrachtung können nämlich wichtige Erkenntnisse zum Vorschein kommen: Wie können wir Veränderungen in Zukunft angehen, ohne dass (massiver) Widerstand entsteht? Wie können wir vermeiden, dass Mitarbeitende sich demotiviert oder übergangen fühlen? Wie können wir Umsetzungsprobleme antizipieren und umschiffen?
Hinweis 1: Zuhören
Widerstandssituationen sind ganz normale Ausnahmen. Sie treten in Organisationen immer wieder auf – unverhofft und überraschend. Zumeist werden im Widerstandsverhalten die eigentlichen Motive oder Beweggründe nicht deutlich – solche Situationen sind somit sehr anspruchsvoll zu ergründende Führungs- und Alltagssituationen. Gerade deshalb ist es ratsam, nicht zu vorschnellen Schlüssen zu neigen oder abzuwiegeln: «Ich kann Ihr Befinden gut verstehen, aber Sie müssen verstehen, dass …». Widerstand verlangt eine engagiertere Auseinandersetzung mit den involvierten Personen. Man muss sich ganz auf die Situation einlassen und zuhören. Und genau das ist in Widerstandsituationen sehr anspruchsvoll, da HR-Verantwortliche oder Führungskräfte hier häufig als Rollenträger direkt in der Kritik stehen.
Hinweis 2: Erkunden auf Augenhöhe
Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Widerstand kann nur dann gelingen, wenn Führungskräfte oder HR-Verantwortliche anerkennen, dass sie nicht alles Relevante und Vorgefallene wissen können. Zudem sollen sie akzeptieren, dass die Widerständigen eine andere Perspektive einnehmen und auch Recht haben können – sie sind formal und hierarchisch zwar nicht gleichgestellt, aber in der Klärungssituation gleichwertig. Das sorgsame Austragen von Meinungsverschiedenheiten ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, positive Energie in der Organisation herzustellen.
Hinweis 3: Mitwirken lassen
Häufig geht vergessen, dass jene, die Widerstand leisten, ein Risiko eingehen. Sie exponieren sich gegen einen Vorgesetzen oder eine Person mit grossem Einfluss in der Organisation. Bei der Analyse von Widerstandssituationen zeigt sich, dass Widerstand – in seinen verschiedenen Formen – fast immer dann ausbricht, wenn über die Köpfe der Beteiligten hinweg entschieden wurde. Jene, die Widerstand leisten, engagieren sich auch für die Organisation. Sie wollen nur einfach etwas anderes. Die Aufgabe des Managements ist dann, dafür zu sorgen, dass sich die Mitarbeitenden in geeigneter Form einbringen können. Sie sollen nicht zu Opfern werden, sondern als «Täter» mitwirken.
Hinweis 4: Beharrlichkeit
Auf jene einzugehen, die Widerstand leisten, heisst noch lange nicht, diesen immer Recht zu geben. Sicherlich ist es leichter, auf einer Entscheidung zu beharren, die konsensual oder durch eine ernstzunehmende Beteiligung zustande kam. Führungskräfte und HR-Abteilungen dürfen sich aber nicht wie das Fähnchen im Winde drehen, wenn Widerstand auftaucht – sonst werden sie nicht ernst genommen. Beharrlich sein bedeutet, dass man an seinen Entscheidungen und Überzeugungen festhält, wenn sich nach ausreichender Erkundung herausstellt, dass diese weiterhin sinnvoll, angemessen und zumutbar sind.
Buchtipp
Erik Nagel: Glücksfall Widerstand. Vom produktiven Umgang mit ganz normalen Ausnahmen. Versus 2016. 192 Seiten. ISBN 978-3-03909-173-7
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