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Wie Schweizer Unternehmen auf 
künftige Herausforderungen reagieren

Die Schweizer Volkswirtschaft hat in jüngster Vergangenheit mehrere Umwälzungen erfahren: Die Globalisierung hat Produktionsprozesse verändert und den Wettbewerb intensiviert. Mit der Einführung der Personenfreizügigkeit wurde der Schweizer Arbeitsmarkt für Staatsangehörige der EU- und EFTA-Staaten geöffnet. Schon heute zeigen zudem die Bevölkerungsstatistiken, dass die Erwerbsbevölkerung in Zukunft schrumpfen wird und den Unternehmen eine Verknappung der Rekrutierungsbasis droht.

Der Verband der Personaldienstleister swissstaffing hat den Schweizer Unternehmen mit einer repräsentativen Befragung von 1098 Firmen auf den Puls gefühlt, um herauszufinden, wie sie auf diese Umwälzungen reagieren und sich für die Zukunft rüsten. Die Befragung wurde vom Forschungsinstitut gfs-zürich realisiert.

Globalisierung – intensivierter Wettbewerb, aber vor allem Strukturwandel

Über die Hälfte (62 Prozent) der Schweizer Unternehmen setzt auf Arbeitsflexibilisierung: 23 Prozent der Unternehmen nutzen Temporärarbeit. Weitere 39 Prozent bevorzugen andere Formen flexibler Arbeit. Temporärarbeit ist bei den Schweizer Unternehmen somit ziemlich weit verbreitet. Unter den Grossfirmen nutzen gar 70 Prozent Temporärarbeit (Grafik 1). Von allen Branchen setzt das Baugewerbe Temporärarbeit am häufigsten ein: Knapp die Hälfte (49 Prozent) der Baufirmen beschäftigen temporär Arbeitende.

Wichtigstes Motiv für den Einsatz von Temporärarbeit ist der Ausgleich von Spitzen. Er ist für 69 Prozent der Einsatzbetriebe ein sehr wichtiger Grund für die Nutzung von Temporärarbeit. Weniger wichtig, aber doch verbreitet ist ein anderes Motiv: der Einsatz von Temporärarbeit, um die Belegschaft generell zu flexibilisieren, indem ein flexibler Belegschaftskreis aufgebaut und die feste Belegschaft auf einen Kern reduziert wird.

Wie festgestellt wurde, sind auch andere Formen flexibler Arbeit bei den Schweizer Unternehmen beliebt – so insbesondere Teilzeitarbeit und Überstunden (Grafik 2). Teilzeit-arbeit ist vor allem in Branchen verbreitet, die selten Temporärarbeit nutzen (Behörden, Schulen und Gesundheitswesen, Banken und Versicherungen sowie Detailhandel), und dürfte anderen Zwecken dienen als die Temporärarbeit. Überstunden oder flexible Arbeitszeitkalender werden hingegen vor allem in Branchen eingesetzt, die auch Temporär-arbeit nutzen (Baugewerbe und Herstellung).

Die Flexibilisierung der Arbeit ist eine 
kostensenkende Massnahme. Sie eignet sich darum als Antwort auf den globalisierungs-bedingt gewachsenen Wettbewerb. Wie gezeigt wurde, ist allerdings der Ausgleich von Spitzen das vorherrschende Motiv für den Einsatz von Temporärarbeit und weniger die generelle Flexibilisierung der Arbeit. Als Antwort auf die Globalisierung setzt zwar rund ein Viertel der Schweizer Unternehmen auf Arbeitsflexibilisierung. Viel verbreiteter ist aber eine ganz andere Strategie, nämlich die Weiterbildungsförderung! 61 Prozent der befragten Unternehmen geben an, mit Weiterbildungsförderung auf die Globalisierung zu reagieren (Grafik 3).

Denn Globalisierung äussert sich zwar als intensivierter Wettbewerb und damit als Kos-tendruck. Globalisierung bedeutet aber auch Technologisierung und Strukturwandel und damit Anstieg der Qualifikationsanforderungen. Schweizer Unternehmen scheinen somit vor allem diese Facette der Globalisierung wahrzunehmen und reagieren entsprechend häufig mit der Förderung der Qualifikation ihrer Mitarbeitenden.

Insgesamt ist die Globalisierung nach eigenen Angaben für gut die Hälfte (52 Prozent) der Schweizer Unternehmen spürbar – besonders ausgeprägt für Firmen des Verkehrs und der Nachrichtenübermittlung sowie für Informatikbetriebe und Firmen der Forschung & Entwicklung sowie ganz generell für Firmen in der Romandie.

Die demographische Alterung – 
unerwartete Massnahmen

Auch im Hinblick auf die sich abzeichnende, demographisch bedingte Arbeitskräfteverknappung möchten die Unternehmen in der Schweiz am häufigsten mit Weiterbildungsförderung reagieren. 34 Prozent möchten intensiv Weiterbildung fördern, weitere 27 Prozent ein wenig. Die am zweithäufigsten, von knapp der Hälfte der Unternehmen genannte Strategie zur Überwindung des Arbeitskräftemangels ist die Förderung von Gesundheit und Work-Life-Balance (26 Prozent der Unternehmen möchten stark in die Gesundheitsförderung investieren, weitere 19 Prozent ein wenig). Angeführt wird die Rangliste der Gesundheitsförderer von der Landwirtschaft (Grafik 4). Knapp die Hälfte der Unternehmen zieht angesichts der Verknappung der Arbeitskräfte überdies eine Erhöhung der Löhne in Betracht.

Sowohl als Antwort auf die Globalisierung als auch im Hinblick auf die demographische Alterung und die drohende Verknappung der Arbeitskräfte treffen die Schweizer Unternehmen also Massnahmen, die die Mitarbeitenden fördern und auf den Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit abzielen. Eine andere denkbare und von vielen Beobachtern erwartete Strategie, die Ausdehnung des Rekrutierungspools, wird von den Unternehmen hingegen deutlich seltener verfolgt.

Personenfreizügigkeit – dosierte 
Nutzung

Denn zur Rekrutierung im Ausland greifen die Schweizer Unternehmen auch nach Einführung der vollen Personenfreizügigkeit nicht generell. Trotz Aufschwung und Einführung der Personenfreizügigkeit hat der Bestand an zugewanderten ausländischen Arbeitskräften (Kurzaufenthalter, Aufenthalter und Grenzgänger) in 61 Prozent der Unternehmen über die letzten Jahre nämlich nicht zugenommen. Gewachsen ist der Ausländeranteil vor allem in Branchen, die in den letzten Jahren generell ein überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum verzeichnet haben, also auch von Schweizerinnen und Schweizern (unternehmensbezogene Dienstleistungen, Informatik und Forschung & 
Entwicklung sowie Banken und Versicherungen).

Allerdings planen die Unternehmen im Hinblick auf die sich abzeichnende, demographisch bedingte Arbeitsverknappung auch nur selten eine Ausdehnung der Rekrutierung auf bisher am Arbeitsmarkt untervertretene Inländer wie Frauen oder ältere Arbeitnehmende. Damit werden die Schweizer Unternehmen nur einen Teil des inländischen Arbeitskräftepotenzials ausschöpfen. Das innerbetriebliche Arbeitspotenzial scheinen sie hingegen mit der Weiterbildungsförderung vollends ausschöpfen zu wollen. Insbesondere sollen diese Fördermassnahmen, so die Aussagen einer grossen Mehrheit der Unternehmen, nämlich auch älteren und schlecht qualifizierten Mitarbeitenden offenstehen. Damit beugen die Unternehmen dem qualifikationsbedingten, vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt vor.

swisstempcare: 
Die betreuten temporär Arbeitenden sind sehr zufrieden

Das Pilotprojekt swisstempcare wurde ins Leben gerufen, um die Reintegration von verunfallten oder erkrankten temporär Arbeitenden in den Arbeitsprozess zu unterstützen. Im Rahmen von swisstempcare besucht ein 
Careteam verunfallte oder erkrankte temporär Arbeitende, berät sie und übernimmt für eine rasche Reintegration in die Arbeit die Koordination mit dem Personaldienstleister.

Nach knapp einem Jahr Laufzeit wurden alle besuchten temporär Arbeitenden im Auftrag von swisstempcare vom Forschungsinstitut gfs-zürich befragt. Das Ergebnis: Fast alle Befragten haben die Unterstützung durch swisstempcare als sehr positiv empfunden.

80 Prozent der Befragten sahen die Besuche des Careteams eher oder eindeutig als Hilfe an. Nur 20 Prozent empfanden die Besuche als Kontrolle. Am häufigsten konnte das 
Careteam Hilfestellungen im Umgang mit Versicherungen und Formularen leisten. Auch für Privates konnte das Careteam gemäss Aussagen der Befragten häufig behilflich sein. 
36  Prozent gaben zudem an, dass das Care-team für die Kontakte zum Arbeitgeber helfen konnte. Interessanterweise nannten auch jene Befragten, die die Besuche als Kontrolle empfanden, mehrere Hilfeleistungen.

Ein Drittel (33 Prozent) der Befragten sagt, dass die Betreuung durch das Careteam eher zu einer schnelleren Wiederaufnahme der Arbeit geführt hat. Weitere 20 Prozent finden, die Betreuung habe eindeutig geholfen, schneller an die Arbeit zurückzukehren. Mehr als die Hälfte der Befragten ist also der Auffassung, dass sie durch die swisstemp-care-Betreuung weniger lange Absenzen 
hatten.

Drei Viertel der befragten temporär Arbeitenden (76 Prozent) wünschen sich bei einem nächsten Unfall oder Krankheitsfall wieder eine solche Betreuung. Nur 9 Prozent lehnen eine solche eindeutig ab.

 

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Myra Fischer Rosinger

Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin von swissstaffing, dem Branchenverband der Personaldienstleister. Die Politologin und Volkswirtschaftlerin prägt die Entwicklung von swissstaffing seit 2006. Massgeblich beteiligt war sie an der Einführung des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih, der seit 2012 in Kraft ist. Im Branchenverband swissstaffing sind 300 schweizerische Personaldienstleister organisiert. Der Arbeitgeberverband ist Kompetenz- und Servicezentrum für die Temporärbranche und vertritt die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. www.swissstaffing.ch

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