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Wie sich Temporärarbeitende weiterbilden

Seit dem 1. Januar 2012 haben Temporärarbeitende in der Schweiz einen eigenen Fonds, um sich weiterzubilden. Dieser Fonds, 
temptraining, wird über den Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih finanziert und operativ von swissstaffing geführt.

temptraining ist ein einzigartiger Fonds, der sich exklusiv an Temporärarbeitende und ihre Personalverleiher richtet. Wer temporär arbeitet, ist bereits nach 22 Einsatztagen anspruchsberechtigt und kann aus dem Fonds eine Weiterbildungsleistung von maximal 5000 Franken für Kursgebühren und 2300 Franken für Lohnausfall beziehen. Die Anspruchsberechtigung ist bewusst tief gehalten, damit möglichst alle weiterbildungsinteressierten Temporärarbeitenden vom Fonds profitieren können.

Und das tun sie! Seit dem 1. Juli 2012, dem operativen Start von temptraining, wächst die Nachfrage nach Weiterbildungsleistungen Monat für Monat. Bis Ende März 2013 hat temptraining 1900 Weiterbildungsgesuche entgegengenommen (siehe Grafik unten). Die grosse Mehrheit der Gesuche (70 Prozent) konnte bewilligt werden. Ein Teil der übrigen Gesuche ist noch pendent. Insgesamt hat temptraining während der ersten neun Monate 2,5 Millionen Franken für Kursgebühren und Lohnausfallentschädigung gutgesprochen.

Der durchschnittliche, gutgesprochene Kursbetrag beläuft sich auf 1400 Franken. Rund die Hälfte der Gesuchstellenden beantragt nebst Kurskostenvergütung auch eine Entschädigung für den Lohnausfall. Die durchschnittlich ausbezahlte Erwerbsausfallentschädigung beträgt etwas über 200 Franken.

Gezielte Arbeitsmarktförderung

temptraining verfolgt mit seinem Angebot das Ziel, die Arbeitsmarktfähigkeit der Temporärarbeitenden in der Schweiz zu erhalten und zu fördern. Deshalb lässt temptraining – als einziger GAV-Weiterbildungsfonds in der Schweiz – auch branchen- und berufsübergreifende Weiterbildungen zu. Temporärarbeitende dürfen sich im angestammten oder aktuellen Tätigkeitsgebiet weiterbilden, müssen sich aber nicht darauf beschränken. Wenn sich eine Lagermitarbeiterin zur LKW-Fahrerin umschulen möchte oder ein Bauarbeiter einen Englischkurs besuchen will, steht dem nichts im Wege. temptraining unterstützt rund 800 Weiterbildungseinrichtungen in der Schweiz und damit eine breite Palette an Kursen aus praktisch allen Branchen.

Gemäss Bildungsbericht Schweiz besteht das aktuell und künftig zu lösende Problem darin, «die immer noch zu hohe Zahl der schlecht ausgebildeten Erwachsenen (…) zu reduzieren, da sich deren Arbeitsmarktsituation auch in einer Phase der Hochkonjunktur nicht wesentlich verbessern dürfte»1. Projekte mit Weiterbildungsgutscheinen2 zeigen indes, wie schwierig sich jene ansprechen lassen, die eine Weiterbildung am nötigsten haben und sie ohne Unterstützung nicht finanzieren können. Häufig nehmen nämlich die bereits gut gebildeten Personen solche Subventionen in Anspruch. Das sei ihnen selbstverständlich gegönnt. Das Ziel der Arbeitsmarktfähigkeitsförderung ist damit aber nicht erreicht. Denn die Geringqualifizierten bilden sich nicht weiter. Und die weiterbildungsaffinen Gutqualifizierten würden die Weiterbildung auch ohne Subvention, nämlich aus dem eigenen Sack, bezahlen.

Eine aussergewöhnliche Zielgruppe

temptraining spricht eine Gruppe an, für welche Weiterbildung besonders wichtig ist. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung verfügen unter den Temporärarbeitenden deutlich mehr Personen lediglich über einen obligatorischen Schulabschluss (22 Prozent gegenüber 14 Prozent) oder einen Lehrabschluss (59 Prozent gegenüber 45 Prozent). Von den Temporärarbeitenden sind 37 Prozent als Hilfskräfte im Einsatz, wohingegen in der Gesamtbevölkerung lediglich 10  Prozent in dieser Position arbeiten.

Dass geringer qualifizierte Personen das Angebot von temptraining nutzen, zeigt die Verteilung der Gesuche. Es dominieren Kurse im Bereich der Grund- und Aufbauqualifikationen. Ein Viertel der bewilligten Weiterbildungen sind Baukurse (Kranführer, Asbestsanierung und Ähnliches), ein zweiter Viertel sind Sprachkurse, häufig in einer der Landessprachen. Damit leistet temptraining auch einen wichtigen Beitrag zur Integration. Je 10 Prozent der Kurse bilden im Fahrzeug-/Logistikwesen, in der Arbeitssicherheit, aber auch im Wirtschaftsbereich weiter (siehe Grafik).

Unter den Temporärarbeitenden sind junge Leute und Menschen mit Migrationshintergrund übervertreten. Deshalb ist es wenig erstaunlich, dass auch die Gesuchstellenden überwiegend jung sind. Ein Drittel ist zwischen 20- und 29-jährig. Ein weiterer Drittel ist zwischen 30 und 39 Jahre alt (siehe Grafik oben). Gegenüber allen Temporärarbeitenden ist die Gruppe der 20- bis 29-Jährigen allerdings unter- und die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen dafür übervertreten. Das leuchtet ein, da man sich in der Regel nicht direkt im Anschluss an die Grundausbildung, sondern erst ein paar Jahre später weiterbildet.

Bezüglich der Nationalität bilden die Gesuchstellenden die Gesamtheit der Temporärarbeitenden ziemlich genau ab. Nur knapp 40 Prozent der Gesuchstellenden sind Schweizer. Die anderen gut 60 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Der Grossteil der ausländischen Gesuchstellenden stammt aus Frankreich, Portugal und Deutschland (siehe Grafik). Damit sind die westeuropäischen Länder unter den Gesuchstellenden übervertreten.

Die Rolle des Personaldienstleisters

Für die gezielte Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit hilft auch die Unterstützung durch den Personaldienstleister. Die Hälfte der Weiterbildungsgesuche wird über den jeweiligen Personaldienstleister gestellt. Er übernimmt dabei eine Art Patenfunktion und berät seine Temporärmitarbeitenden in der Wahl einer geeigneten Weiterbildung. Durch seine engen Kontakte zur Arbeitgeberschaft in der Schweiz kann er ziemlich gut beurteilen, mit welchen Weiterbildungsmassnahmen ein Kandidat seine Arbeitsmarktfähigkeit gewinnbringend stärken kann.

Stellt der Personaldienstleister das Gesuch für seine Temporärmitarbeiterin, übernimmt er in über der Hälfte der Fälle (57 Prozent) die Vorfinanzierung der Kurskosten. Der Personaldienstleister bezahlt also die Kursrechnung und wird von temptraining entschädigt, wenn die Mitarbeiterin den Kurs abgeschlossen hat. In den anderen Fällen bezahlen die Temporärarbeitenden ihren Kurs selber und erhalten nach Kursabschluss gegen Vorweis der Teilnahmebestätigung und des Zahlungsnachweises die Kurskosten und allfälligen Erwerbsausfall von temptraining zurückerstattet.

Die Vorfinanzierungsleistung durch den Personaldienstleister wird von den Temporärarbeitenden sehr geschätzt. Vielen unter ihnen wäre es nicht möglich, die Kurskosten selber vorzuschiessen, bevor temptraining sie zurückerstattet. temptraining kann zum heutigen Zeitpunkt wegen des Ausfallrisikos leider keine Vorfinanzierung übernehmen und freut sich deshalb umso mehr, dass die Personaldienstleister hier oft und gerne einspringen.

Temporärarbeit – eine breite Brücke

Temporärarbeitende in der Schweiz profitieren von einem grosszügigen und breiten Weiterbildungsangebot, das insbesondere den geringqualifizierten unter ihnen den Weg in eine stabile Erwerbstätigkeit ebnen soll. swissstaffing und seine Sozialpartner erhoffen sich davon einen Beitrag an die Senkung der Erwerbslosigkeit zu leisten und den Fachkräftemangel zu entschärfen. Wenn es temptraining gelingt, Menschen dauerhaft am Arbeitsmarkt zu integrieren und sie gleichzeitig mit jenen Kompetenzen auszustatten, die von den Arbeitgebern so dringend gesucht werden, dann ist das eine Win-win-Situation par excellence.

Die Temporärarbeit erfüllt aber auch unabhängig von temptraining eine wichtige Brückenfunktion. Das wurde im Ausland in verschiedensten Untersuchungen festgestellt und auch in der Schweiz mit zwei Studien bestätigt: In der Temporärarbeitsbranche finden viele ehemals arbeitslose oder inaktive Personen einen Erwerb. Nach dem Temporäreinsatz fallen deutlich weniger in die Erwerbslosigkeit zurück. 80 Prozent der Temporärarbeitenden, die eine langfristige Erwerbstätigkeit suchen, sind rund ein Jahr nach dem Einsatz weiterhin im Arbeitsmarkt integriert: 49 Prozent sind in einer Festanstellung, 7 Prozent sind befristet angestellt, und 24 Prozent arbeiten weiterhin temporär (siehe Grafik rechts). Dies ist das Ergebnis der letzten repräsentativen Umfrage von swissstaffing aus dem Jahr 2011. Wir sind gespannt, wie sich diese Umfragewerte mit der Existenz von temptraining weiterentwickeln.

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Myra Fischer Rosinger

Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin von swissstaffing, dem Branchenverband der Personaldienstleister. Die Politologin und Volkswirtschaftlerin prägt die Entwicklung von swissstaffing seit 2006. Massgeblich beteiligt war sie an der Einführung des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih, der seit 2012 in Kraft ist. Im Branchenverband swissstaffing sind 300 schweizerische Personaldienstleister organisiert. Der Arbeitgeberverband ist Kompetenz- und Servicezentrum für die Temporärbranche und vertritt die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. www.swissstaffing.ch

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