Betriebliches Gesundheitsmanagement – Praxis

«Wir bekennen uns zu einer 
gesunden Work-Life-Balance»

Es ist ein Geben und ein Nehmen: Systematische Gesundheitsförderung und ein Benefit hier und da – und dafür wollen die Unternehmen Motivation und gute Leistung. HR Today Special hat sich umgehört, was das im Einzelfall genau heisst.

Dr. Andrea Engeler, Stv. Amtschefin, Bereichsleiterin Personal & Dienste, Amt für Wirtschaft und Arbeit, Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich

Regelmässige BGM-Kampagnen

«Beim Amt für Wirtschaft und Arbeit ist das betriebliche Gesundheitsmanagement in der Personalpolitik und im Leitbild verankert, zudem ist das BGM in die Führungskräfte-Entwicklung eingebunden, was wir als einen zentralen Erfolgsfaktor ansehen. Wir haben ein systematisches Anwesenheitsmanagement, so dass wir bei auffälligen Absenzen frühzeitig reagieren können, und ein Case Management, das vor allem bei längeren Abwesenheiten eingesetzt wird.

Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung erheben wir regelmässig gesundheitsrelevante Arbeitsaspekte (inklusive Führung) und das Gesundheitsverhalten der Mitarbeitenden. Zudem führen wir immer wieder systematische BGM-Kampagnen durch, 2010/11 etwa zum Thema Ergonomie am Arbeitsplatz, mit vielfältigen Massnahmen. Im Jahr darauf gab es eine Kampagne zum Thema Bewegung, unter anderem mit einer Schrittzähleraktion in Zusammenarbeit mit der Firma fit im job. In einem Monat startet unsere neue Aktion ‹Bewegung und Ernährung›. 

Die Kommunikation spielt eine zentrale Rolle: Wir haben einen eigenen BGM-Newsletter und bringen zusätzlich regelmässig Artikel zum Thema Gesundheit in der Mitarbeiterzeitschrift.

Unser Engagement im Bereich BGM fördert das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Arbeit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Unser erstes Ziel ist, dass unsere Mitarbeitenden möglichst motiviert, gesund und leistungsfähig sind. Erfolge sind schon sichtbar: Seit drei Jahren gibt es das BGM, und in dieser Zeit ist die Absenzquote gesunken und die Ergebnisse der Gesundheitsbefragung 2012 waren sehr positiv. Das BGM hat Einfluss auf die Führungs- und Unternehmenskultur sowie die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Indirekt hoffen wir auch auf einen Effekt in Bezug auf das Arbeitgeberimage.»

Reinhard Künzler, Leiter Personal, 
St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG

Sicherheit hat Priorität

«Von der elektrischen Energie geht in unserem Umfeld die grösste Gefahr für die Mitarbeitenden aus – gerade weil sie nicht sichtbar ist. Deshalb hat die Sicherheit bei der St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (SAK) Priorität. Die Verhinderung von Unfällen wegen unseres besonderen Produkts Strom ist elementar. Wir haben eine sehr hohe Sicherheitskultur, die wir schon lange pflegen. Wir investieren dementsprechend viel in die Ausbildung unseres Fachpersonals.

Auch Gesundheitsschutz ist bei uns hoch im Kurs. Wir bekennen uns in unserer Personalpolitik zu einer gesunden Work-Life-Balance. Unsere Gebäude sind rauchfrei und wir stellen kostenlos Mineralwasser, Tee und Kaffee zur Verfügung.

In der regelmässigen Mitarbeiterumfrage geht es unter anderem auch um das Wohlbefinden und die Belastung am Arbeitsplatz. Aus den Ergebnissen der Befragung leiten wir Massnahmen ab, welche die Gesundheit ebenfalls fördern sollen. In den letzten zwei Jahren boten wir deshalb Kurse an zum Thema Umgang mit Stress und Arbeitsorganisation. Damit wollten wir unseren Mitarbeitenden helfen, mit den immer grösseren Belastungen und dem zunehmenden Stress umzugehen. Denn häufig kann man das Umfeld nicht beeinflussen, wohl aber die Leute befähigen, mit den veränderten Bedingungen umzugehen. Für die Vorgesetzen waren diese Kurse obligatorisch, für die übrigen Angestellten freiwillig.

Aktuell überlegen wir uns die Einführung einer betrieblichen Sozialberatung – eine externe Stelle, die Hilfe für alle möglichen Probleme anbietet. Investitionen in die Gesundheit lohnen sich für die Firma und die Mitarbeitenden. Denn wer gesund ist, kann auch mehr leisten und hat zudem mehr Freude an der Arbeit.»

Samuel Ryter, Human Capital Performance Leader, Mitglied der HR-Leitung, 
PricewaterhouseCoopers AG (PwC)

Team beurteilt Vorgesetzten

«PwC bietet seinen Mitarbeitern die üblichen Benefits, etwa in Form flexibler Arbeitszeiten: Teilzeit-Arbeit, Home Office, unbezahlter Urlaub. Aber auch Subventionen für Fitness-Clubs sowie Fitnessräume und Garderoben an unseren Standorten. Und wir bieten mindestens fünf Wochen Ferien. Nach fünf Jahren haben Manager zudem die Möglichkeit, ein sechswöchiges Sabbatical zur Weiterbildung und persönlichen Entwicklung zu beantragen.

Alle haben die Möglichkeit, sich mit privaten und beruflichen Fragen anonym an eine externe Sozialberatung (ICAS) zu wenden. Die meisten Fragen betreffen das Anstellungsverhältnis, am zweithäufigsten geht es um die Arbeitsbelastung.

Wir haben regelmässige Meetings mit dem Case Manager unserer Krankentaggeldversicherung. Wir schauen uns die Langzeit-Absenzen an und ziehen bei Bedarf Experten bei, um den betroffenen Mitarbeiter zu unterstützen und möglichst rasch wieder zurück an den Arbeitsplatz zu bringen.

Wichtig ist uns das Feedbacksystem: Alle Vorgesetzten werden von ihrem Team bewertet und beurteilt. Eine der Fragen lautet: Wie unterstützt mich mein Vorgesetzter in Bezug auf meine Work-Life-Balance? Es liegt in der Natur der Tätigkeiten der PwC, dass Zeiten hoher Arbeitsauslastung und ruhigere Zeiten einander abwechseln. Es ist uns wichtig, dass unsere Mitarbeitenden in hektischen Zeiten flexibel sind und bereit sind, Überstunden zu leisten. Diese können sie dann aber in ruhigeren Zeiten wieder kompensieren. Die Mitarbeiter haben zwar eine hohe Selbstverantwortung, dennoch ist es uns wichtig, dass wir sie begleiten und mit ihnen ihre Work-Life-Balance diskutieren. Gerade in den hektischen Zeiten besteht sonst die Gefahr der Überlastung.

Sehr erfreulich ist, dass unsere Krankheitsabwesenheitsrate bei tiefen zwei Prozent liegt.»

Daniel Grünenfelder, CEO Tamina Therme AG, Director Human Resources Corporate GRBR AG, Grand Resort Bad Ragaz AG

Perspektiven bieten

«Fortschritt, Leidenschaft, Nachhaltigkeit und Respekt: Diese Werte werden in der Grand Resort Bad Ragaz AG täglich gelebt. Das widerspiegelt sich in unserem Funktions- und Leistungssystem, aber auch in unserer Führungskultur, auf die wir sehr achten. Alle Vorgesetzten werden systematisch in emotionaler Intelligenz geschult, denn im Dienstleistungsbereich ist das Emotionale sehr wichtig. Die Vorgesetzten müssen ein Gespür dafür haben, nicht nur im Umgang mit dem Gast, sondern auch, wenn etwas mit einem Mitarbeiter nicht stimmt, und emotional richtig reagieren können. Zum Beispiel wenn jemand krank ist oder mit einem Vorfall in der Familie konfrontiert ist.

Wir führen jedes Jahr eine Mitarbeiterumfrage durch und haben Gespräche mit den Mitarbeitenden, in denen es auch um die Gesundheit und ihr Wohlbefinden geht. Es ist wichtig, dass kein Mitarbeiter längere Zeit arbeitet, ohne vom Vorgesetzten wahrgenommen zu werden. Uns ist es wichtig, den Mitarbeitenden eine Perspektive zu geben, ihre individuelle Laufbahn für ihr Berufsleben zu kreieren.

Zudem bieten wir diverse Kurse an, etwa Rückengymnastik, Ergonomie am Arbeitsplatz und Selbstverteidigung, und wir führen auch Apfelaktionen durch. In unserem medizinischen Zentrum können die Angestellten das Angebot stark ermässigt nutzen, ebenso Kurse, die wir für unsere Gäste anbieten. Dazu gehört von «Ernährung, Training und Stoffwechseloptimierung» über Komplementärmedizin bis hin zu Augenheilkunde das gesamte Leistungsangebot.

Wir sind das führende Wellbeing und Medical Health Resort Europas, das geht aber nur mit engagierten und motivierten Mitarbeitern. Nur wenn es ihnen gut geht und sie die notwendigen Rahmenbedingungen für ihre Arbeit vorfinden, können sie auch die Gäste glücklicher machen.»

Hans-Martin Wahlen, Delegierter des 
VR und CEO der Kambly SA Spécialités de Biscuits Suisses

Eine Win-win-win-Situation

«Gelebte Wertschätzung, Achtung und Respekt unter allen Mitarbeitenden sowie die erlebbare Vorbildfunktion der Vorgesetzten sind die Basis für wirkungsvolles BGM. Das Familienunternehmen Kambly SA lebt diese Kultur seit der Firmengründung 1910. Wir investieren viel in Führungsausbildung und führen regelmässig Mitarbeitendenbefragungen durch, aus denen wir Verbesserungsmassnahmen ableiten.

Unsere konkreten BGM-Schwerpunkte und Massnahmen sind: Ergonomie am Arbeitsplatz in Produktion und Büro; ausgewogene Ernährung – wir haben ein selbst geführtes Personalrestaurant, es gibt Trinkwasserstationen und gratis Früchte; ein jährlicher Gesundheitstag zu aktuellen Themen; Freizeitaktivitäten wie Bike to Work, Walking-Gruppen, Fussball- und Eishockeymannschaft etc.; ein umfassendes Absenzen- und Case-Management zusammen mit Ärzten und Sozialversicherungen (Schon-Arbeitsplätze etc.); BU- und NBU-Präventionskampagnen.

Als Unternehmen stellen wir einen gesundheitsfördernden Raum zur Verfügung, der die Mitarbeitenden dazu animiert, sich in Eigenverantwortung entsprechend zu verhalten.

Gesunde Mitarbeitende sind zufriedener, erbringen eine höhere Arbeitsleistung und sind weniger krankheitsbedingt abwesend. Darum haben alle unsere Mitarbeitenden seit sechs Jahren eine zusätzliche Ferienwoche. Kambly profitiert von der höheren Produktivität, die Mitarbeitenden von der zusätzlichen Ferienwoche und die Allgemeinheit von tieferen krankheits- oder unfallbedingten Belastungen – eine Win-win-win-Situation.» 

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