Im Gespräch

«Wir lernen sehr gerne von der Konkurrenz»

Mark Sandmeier ist im Jahr 2000 als Mitarbeiter Nummer drei zum damaligen Start-up jobs.ch gestossen. 15 Jahre ­später übergibt er als CEO die operative Leitung der grössten Schweizer Jobplattform Jobcloud per 1. Januar 2015 an ­seinen Nachfolger Renato Profico. Ein Doppelinterview über Erfolgsfaktoren, Preiserhöhungen und kritische Unkenrufe.

Wie blicken Sie auf die 15 Jahre im Stellenplattformen-Business zurück und was waren aus Ihrer Sicht die Meilensteine?

Mark Sandmeier: Es waren 15 fantastische Jahre. Es war aufregend, als dritter Mitarbeiter zu diesem Start-up zu stossen und wirklich von Grund auf alles zu machen. Ich wurde als Marketing- und Verkaufsleiter angestellt. Die ersten Jahre war ich vor allem damit beschäftigt, Personalleuten aufzuzeigen, dass es neben dem Zeitungsinserat und der Personalvermittlung eben auch noch dieses ominöse Internet gibt, wo man auch nach Personal suchen kann. Nur schon, überhaupt das Internet an sich zu erklären, war wohl einer der wichtigsten Meilensteine.

Wann war es soweit?

Zwischen 2003 und 2004. Sofort tauchte aber bereits der nächste Knackpunkt auf, wonach im Internet alles gratis zu sein hatte. Wir hatten damals eine Firma mit rund 15 Mit­arbeitenden, haben Produkte entwickelt und professionell gearbeitet. Aber dass man akzeptiert hätte, dass die Leistung der Stellenausschreibung im Internet etwas kostet, davon war man damals noch weit entfernt.

Als Generalist mit der schweizweit grössten Reichweite und dominierendem Marktanteil sind Sie auf dem hiesigen Markt de facto quasi konkurrenzlos. Was war das Erfolgsrezept?

(Sandmeier überlegt lange.) In einem Wort kann man das nicht zusammenfassen. Ein wichtiges Wort lautet aber «Konzentration» oder «Fokus». Wir haben auf die Schweiz fokussiert. Und wir haben uns auf das Thema Jobs konzentriert und nicht auch noch auf Autos und Immo. Zudem haben wir auf Online fokussiert und nicht auch noch Print-Stelleninserate angeboten. Ein weiterer wichtiger Punkt war natürlich die sehr generische und einfache Domain jobs.ch. Innovationen wie das Spidering, die Positionierung als Jobsuchmaschine, die Ontologie, verschiedene Verticals und das Semantische Web haben wir in den letzten acht Jahren umgesetzt und professionalisiert. Wir waren damit in Europa unter den ersten. In jüngerer Zeit wurde sicher auch der ganze Mobile-Bereich zu einem wichtigen Thema, also Anwendungen für Smartphones, Tablets und Apps.

Was würden Sie persönlich als Ihre grössten Erfolge bezeichnen?

Mein grösster Erfolg war, dass ich es über die letzten 15 Jahre hinweg geschafft habe, die wichtigsten Schlüsselpersonen im Unternehmen zu halten. Dies ist ebenfalls ein Schlüsselfaktor für den Erfolg.

Welche Rolle spielt für diesen Erfolg die Unternehmenskultur?

Unser Erfolg hat sehr viel mit unserer Unternehmenskultur zu tun. Unsere Kultur ist für das Leben und Arbeiten in unseren Büros seit Beginn sehr wichtig. Ich glaube auch, dass wir unsere Kultur in den letzten 15 Jahren auch gegen aussen gelebt haben. Wenn man die Kunden fragen würde – vielleicht nicht gerade die paar wenigen, die wegen des Preises reklamieren – sondern die 7000 Kunden, die wir jährlich betreuen, dann würden wir als absolut fairer und innovativer Marktpartner bezeichnet werden. Fast wie Kollegen.

Sie haben in Ihrer Zeit bei Jobs verschiedene Besitzerwechsel miterlebt. Hat dies das Halten der besten Leute erschwert?

Es waren insgesamt drei Besitzer. Zunächst war da die Start-up-Phase im Besitz der Gründer, wo wir am Schluss 40 Leute waren. Danach folgte 2008 die Zeit unter der Private-Equity-Gesellschaft Tiger Global, wo wir bis auf 100 Leute anwuchsen, und nun die Inhaber Tamedia und Ringier, wo wir durch die Fusion mit der Jobup AG kurzfristig 150 Mitarbeitende waren, während unser Personalbestand heute 135 Personen beträgt. Und das wichtigste: die Keyleute sind noch da!

Stichwort Tarife: Die Preisanpassungen und die Quasi-Monopol-Stellung von Jobcloud wurden im Oktober in einem Artikel der Handelszeitung von namhaften Kunden wie Adecco oder Manpower öffentlich kritisiert. Wie haben Sie diese Diskussion verfolgt?

Es ist Unsinn, von einem Monopol zu sprechen. In unserem Markt geht es darum, Kandidaten zu liefern, welche man einstellen kann. Es gibt nur schon in der Online-Personalrekrutierung genügend alternative Kanäle, um locker an uns vorbeizukommen. Die Frage lautet: Nehme ich als Recruiter den Aufwand auf mich, mir das nötige Know-how aufzubauen, um mögliche Kanäle seriös zu prüfen? Mit einem Mix aus alternativen Kanälen kann ich auf eine ähnliche Reichweite kommen.

Wie hoch war der Druck seitens Tamedia und Ringier, die Preise zu erhöhen?

Profico: Es gab absolut keinen Druck. Nur war leider das Timing nicht ideal. Wir hatten uns schon vor dem Aufkauf durch Tamedia und Ringier mit Preiserhöhungen beschäftigt. Während dieses Prozesses wollten wir aber keine Preisanpassungen vornehmen. Die letzte Preisanpassung gab es vor sechs Jahren im 2008. Es gibt vier Hauptargumente für die Preis­erhöhungen. Erstens haben wir unsere Reichweite beziehungsweise den Traffic zwischen 2008 und 2013 um 170 Prozent steigern können. Zweitens haben wir im Mobile-­Bereich, der heute – notabene on top – 40 Prozent des Traffics ausmacht, extrem hohe Investi­tionen getätigt. Drittens haben wir durch Werbemassnahmen unseren Bekanntheitsgrad unter den Stellensuchenden extrem steigern können, was auch Umfragen belegen. Viertens konnten wir unter den neuen Besitzern unser Partnernetzwerk massiv ausbauen, indem alle Partner-Websites von Tamedia und Ringier dazukamen.

In der Handelszeitung war von Preisaufschlägen in der Höhe von bis zu 70 Prozent die Rede. Können Sie das bestätigen?

Sandmeier: Über alle 7000 Kunden hinweg betrachtet, beträgt die Preiserhöhung 12 Prozent. Wir haben Kunden, die heute weniger bezahlen, weil sie vorher eine Pauschale hatten, die sie nicht ausschöpften. Andere Kunden zahlen mehr, in vereinzelten Ausnahmefällen bis zu 70 Prozent.

Profico: Ein wichtiger Faktor ist die Westschweiz. jobup.ch hatte seit Beginn an ein pauschales Preismodell, bei dem Kunden für 7000 bis 10 000 Franken pro Jahr ein unlimitiertes Angebot an Inserate-Publikationen erwerben konnten. Egal wie gross die Firma war. Das haben wir dieses Jahr nun in der Westschweiz aufgehoben. Dafür haben wir ein sonst überall übliches Modell eingeführt, welches mit Konten und Kontingenten funktioniert und entsprechend den Bedürfnissen der Kunden ein passendes Produkt anbietet.

In dem besagten Artikel wurde auch erwähnt, dass sich gewisse Player mit dem Aufbau einer Konkurrenz-Plattform beschäftigen. Haben Sie diese Ankündigung als Drohung empfunden?

Profico: Wir wissen sehr genau, was es bedeutet, eine Plattform aufzubauen. Gleichzeitig be­ob­achten wir den Markt sehr intensiv, um Innovationen und disruptive Geschäftsmodelle frühzeitig zu erkennen und allenfalls zu integrieren.

Sandmeier: Grundsätzlich beleben Mitbewerber den Markt. Wenn neue spannende Ideen auftauchen, lernen wir sehr gerne von der Konkurrenz. Insofern ist die Ankündigung bei uns nicht als Drohung angekommen. Wir fänden es spannend, wenn die Grossen, die nun reklamiert ­haben, probieren würden, eine Plattform aufzubauen. Dann würden sie auch erkennen, welche gewaltigen Investitionen jedes Jahr nötig sind.

Ist es eigentlich angenehmer, aus der Machtposition des dominierenden Marktführers zu agieren oder ist es angenehmer, den Markt zu erobern?

Profico: Ich finde es immer schade, wenn Vorwürfe kommen von wegen Monopolisten-Stellung. Vor allem, wenn man den Markt so versteht, wie ihn Mark Sandmeier beschrieben hat. Der Erfolg ist uns ja nicht vom Himmel gefallen. Wir haben ungefähr 600 Kundenkontakte pro Tag. Das zeigt, wie nah wir bei den Kunden sind.

Ist jobs.ch betreffend Umsatzwachstum auf dem Zenit angelangt?

Sandmeier: Nein. Wir werden auch weiterhin neue Produkte entwickeln und damit die Bedürfnisse unserer Kunden abdecken. Deshalb haben wir vor rund einem Jahr mit der CV Cloud ein neues Produkt lanciert, welches bei den Recruitern sehr gut ankommt.

Was war eigentlich der Grund, aus der operativen Leitung auszusteigen und was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Nach 15 Jahren habe ich festgestellt, dass ich jetzt für mich persönlich und meine Familie Zeit brauche. Der Entscheid hat also nichts mit Preisaufschlägen, Konkurrenten oder der Marktposi­tion zu tun. Er ist in den letzten zwei bis drei Jahren herangereift und hat sich anfangs 2014 weiter verdichtet. Ich finde die getroffene Lösung mit Renato Profico als neuer CEO und den Wechsel von Michel Kaufmann und mir in den Verwaltungsrat eine sehr elegante Lösung. Für die Mitarbeiter und Kunden ist es die absolut beste Lösung.

Renato Profico, was überwiegt? Die Freude auf die neue Aufgabe oder der Respekt davor?

(überlegt) Eine gesunde Balance aus beidem. Natürlich habe ich grossen Respekt. Es ist eine Herausforderung, ein solch erfolgreiches Unternehmen in die Zukunft zu führen und Wachstum zu generieren. Auf der anderen Seite empfinde ich aber auch eine grosse Freude, ein super Team führen zu dürfen und die Herausforderungen gemeinsam anzupacken.

Wie ist eigentlich Ihr internes HR organisiert?

Sandmeier: Unsere HR-Abteilung besteht aus vier Personen à 300 Stellenprozent. Wir finden das eigene HR sehr wichtig. Einerseits natürlich wegen der Rekrutierung. Aber das ist nur ein Teil davon. Wenn man eine Kultur halten und pflegen will, wie wir sie aufgebaut haben, dann braucht man ein HR, das den CEO und die Abteilungsleiter unterstützt und mit Ideen bespickt. Seit etwa fünf Jahren haben wir ein Organisa­tionsentwicklungs-Team. Es beschäftigt sich mit allen Themen rund um Kultur, Arbeitszufriedenheit oder Work-Life-Balance. Viele Retention-Themen, die darauf abzielen, gute Mitarbeitende möglichst lange zu halten. Die Nähe und ein spielerischer sozialer Austausch mit den Leuten waren uns immer sehr wichtig.

Möchten Sie diese Massnahmen als CEO weiterführen?

Profico: Unbedingt. Es ist eine meiner grossen Herausforderungen, diese Kultur beizubehalten und weiter zu entwickeln. Wie Mark bin auch ich überzeugt, dass es die Leute waren, die unseren Erfolg begründeten. Das konnte ich vor meinem Eintritt vor sechs Jahren auch als Mitbewerber beobachten. Unser Erfolg ist eine Kombination aus der Unternehmenskultur und einem leis­tungsstarken Produkt, welche den entsprechen­den Rücklauf an Kandidaten generiert.

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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