Wissen im weltweiten Einsatz beim Kundendienst von Kuka Roboter
Die Produkte werden immer komplexer und variantenreicher, die Produktlebenszyklen kürzer. Eine schnelle Bereitstellung und Vermittlung von Wissen wird aufgrund steigender Flexibilität immer wichtiger. Diese Herausforderungen hat der global tätige Roboterhersteller Kuka aus Augsburg (D) mit der Entwicklung eines eigenen Expertensystems beantwortet.
Customer Service – welche Wahrnehmung haben Kunden in diesem Bereich eines Unternehmens und welche Kriterien werden als Kundenvorteil gesehen? Für Kuka Roboter heisst Customer Service: Kundendienst, Ersatzteile, Schulung, Simulation, Engineering und Gebrauchtroboter. Der Bereich erstreckt sich vom einfachen Austausch von Teilen bis hin zu hochkomplexen Programmierungen kooperierender Roboter. Die spezifische Herausforderung dieses Business liegt in der Vielfalt der Einsatzgebiete, von der klassischen Automobilindustrie bis hin zu Bereichen wie Entertainment, Medizinaltechnik oder Handwerk. Die grosse Bandbreite an Anwendungen verlangt nach Lösungen zur Weiterentwicklung der Mitarbeiterkompetenz.
Die Fachkompetenz der Mitarbeitenden ist gefragt
Wie wichtig Wissensmanagement-Lösungen sind, wurde durch eine Umfrage des Vereins Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA bestätigt. Auf Platz 1 standen die Verfügbarkeit und die Reaktionszeit des Kundendienstes, Rang 2 belegte bereits die Fachkompetenz der Mitarbeitenden. Wenn man diese Aspekte mit den aktuellen Technologie- und Marktentwicklungen vergleicht, ergeben sich folgende Rahmenbedingungen für das Unternehmen:
- Die Produktlebenszyklen verkürzen sich, ausgelöst durch technischen Fortschritt und globalen Wettbewerb.
- Die Produkte werden immer komplexer.
- Die Varianten der Produkte steigen, bedingt durch individuelle Kundenlösungen.
- Die schnelle Bereitstellung und Vermittlung von Wissen wird aufgrund steigender Flexibilität immer wichtiger.
Für Kuka waren dies Rahmenbedingungen, auf die es proaktiv zu antworten galt, um Effizienz und Qualität im Customer Service zu halten und zu steigern. Diese Anforderungen wurden mit einem ganzheitlichen Ansatz im Wissensmanagement realisiert. Der Bogen spannt sich von der inhaltlichen Entstehung der Information über das abteilungsübergreifende Sammeln von bestehenden Daten und Dokumenten und endet beim Erfassen des Erfahrungswissens der Servicetechniker. Der Fokus auf einer geschäftsprozessintegrierten Lösung, die sich optimal in die beteiligten Fachabteilungen eingliedert, führte sekundär zu Synergieeffekten zwischen Produktdokumentation, Service und Schulungsabteilung.
Komplexe Lösung als Antwort
Die realisierte Lösung «KUKA.Xpert» besteht nicht nur aus einer reinen Wissensdatenbank, sondern umfasst darüber hinaus Expertenteams, die als Wissensbroker und -modellierer agieren. Prozesse dienen als Wissensquellen, Softwarekomponenten optimieren die Suche und unterstützen die redaktionelle Arbeit. Als Suchtechnologie kommt eine Ontologie über Produktportfolio und Produktstruktur zum Einsatz. Das Einführungsprojekt bestand aus fünf Phasen:
- Wissen und Daten nach Produkten und Semantik analysieren und klassifizieren.
- Synergien und Optimierungen in den Erstellungsprozessen erzeugen.
- Feld-/Erfahrungswissen aus dem Service erfassen.
- Nationaler Rollout in Deutschland.
- Globaler Rollout in über 25 Landesniederlassungen.
Der Ausgangspunkt des Einführungsprojekts war eine detaillierte Analyse der Quellen, Daten und Dokumente in den verschiedenen Fachbereichen. Zum anderen wurde ein Projektteam aus erfahrenen Servicetechnikern und IT-Fachkoordinatoren gegründet. Die Zielgruppe war bekannt, es erfolgte jedoch eine Schärfung der Anforderung seitens des Anwenders. Eine Prüfung auf Redundanzen war ebenso notwendig wie die Definition von primären Zielfragen:
- Welches Wissen ist für die Zielgruppe notwendig?
- Welches Wissen wird bereits erstellt?
- Wer erstellt dieses Wissen?
- Wie wird dieses Wissen erstellt?
- Welche Qualität hat verteiltes Wissen?
- Wo entstehen Wissensredundanzen?
Vor allem die Qualitätsfrage wird oft vernachlässigt und führt zu kontroversen Diskussionen. Diesen Effekt kann man gut bei der Internet-Wissensplattform Wikipedia verfolgen. Die Qualität des Content ist in einem Unternehmen jedoch entscheidend. Man stelle sich vor, wegen einer Fehlinformation werden Serviceeinsätze doppelt durchgeführt. Dies würde nicht nur unnötige Kosten verursachen, auch die Kundenzufriedenheit wäre nicht gegeben. Daher sind Ansätze wie Wikiwebs nur bedingt für Unternehmen geeignet.
Integration auf Basis eines Content-Management-Systems
In vielen Unternehmen existiert eine Vielzahl von unstrukturierten Daten und Datenformaten. Dies führt oft zu zeitaufwendigen Recherchearbeiten oder zum Effekt, das spezielles Insiderwissen in den Fachabteilungen verborgen bleibt. Aus diesem Grund wurde bei Kuka im ersten Schritt der Erstellungsprozess optimiert. Bei den Spezialisten der technischen Dokumentation wurden dokumentenbasierte Softwareprogramme durch ein datenbankgestütztes CMS (Content Management System) ersetzt. Somit entstehen kleine, feingranulare Wissensbausteine in XML – nach Semantiken und Produkten strukturiert. Die Inhalte werden durch «Simplified German» optimiert, womit die Verständlichkeit der Texte erhöht und die Übersetzungskosten gesenkt werden. Die Inhalte der technischen Dokumentation dienen heute als Basis für nachgelagerte Erstellungsprozesse wie Schulungs- und Servicedokumentation. In der Praxis werden bereits vorhandene Bausteine mit neuen Bausteinen aus der Schulung zu Kursunterlagen kombiniert. Alle Abteilungen setzen dasselbe CMS ein. Dabei entfällt in der Schulung das bis dato übliche PowerPoint-Format zugunsten einer vollautomatischen HTML-Slideshow mit der Darstellungsform von PowerPoint. Derselbe Prozess wird auch bei der Servicedokumentation eingesetzt, nur mit dem Unterschied beim Publikationsoutput, der hier als PDF erfolgt. Somit werden das Grundlagenwissen und das so genannte «veredelte Wissen» prozessgesteuert für die Wissensdatenbank strukturiert aufbereitet.
Motivation zur Wissensweitergabe durch Bonus und Zielvereinbarung
Um auf den Erfahrungsschatz der langjährigen Servicetechniker zurückgreifen zu können, wurden «historische» Daten und Dokumente aufbereitet und als Basis eingepflegt. Für das aktuelle Erfahrungswissen der Techniker wurde ein dezentraler Ansatz gewählt. Jeder Servicemitarbeiter bekam eine lokale Wissensdatenbank als mobile Offline-Lösung auf seinem Notebook installiert. Somit kann der Mitarbeitende jederzeit zu seinem aktuellen Serviceeinsatz nach relevanten Informationen suchen. In der Wissensdatenbank sind servicerelevante Daten aus Dokumentation, Schulung, Entwicklung sowie Arbeitsanweisungen und eine Service-Fallbasis verschlüsselt enthalten. Um das Erfahrungswissen, welches bei einem Serviceeinsatz entsteht, zu erfassen und zu kodieren, hat jeder Servicetechniker die Möglichkeit, seine Lösungen sofort nach dem Einsatz als Feedback an das Headquarter zurückzumelden. Dieses Feedback wird an die Wissensbroker übergeben und mit den jeweiligen verantwortlichen Fachabteilungen abgeklärt. Dies können Abteilungen der Entwicklung, Produktspezialisten im Customer Service oder Bereiche der Produktion sein. Durch das Xpert-Team werden die eingegangen Feedbacks aus dem Feld auch qualitativ geprüft und bewertet. Diese Bewertung wird an die Feedbackgeber zurückgemeldet und dient als Qualitätshinweis. Ziel ist es, den Aufwand der Nachbearbeitung zu minimieren und die Ersterstellung zu optimieren. Nach der Freigabe erfolgt die automatische Verteilung weltweit auf die Laptops über VPN-Verbindungen.
Eine solch umfassende Lösung sowie die Umstrukturierung in den Prozessen und in der IT-Landschaft funktioniert natürlich nur, wenn alle, die damit arbeiten, von der Arbeitserleichterung überzeugt sind. Hierbei war die Erfahrung ganz unterschiedlich. Viele Mitarbeitende waren sehr aufgeschlossen und lieferten umfassendes Wissen. Einige Mitarbeitende nutzten das System rein als Wissensquelle ohne aktives Feedback zu geben. Um alle Mitarbeiter für diesen Ansatz zu motivieren, wurden verschiedene Massnahmen ergriffen. Ein Ranking für die Zahl der Eingaben sowie ein Bonussystem verbunden mit Werbegeschenken standen am Anfang. Mittlerweile hat jeder Servicetechniker die Xpert-Feedbacks in seiner individuellen Zielvereinbarung definiert. So wird konzernweit die hohe Priorität des Systems und der Wissensweitervermittlung aufgezeigt.
Das gesamte Erfahrungswissen der vergangenen Jahrzehnte erfasst
Der erste Rollout wurde in Deutschland mit 150 Servicetechnikern durchgeführt. Das User-Feedback und die Ergebnisse dieser Einführung flossen als Systemoptimierung ein. Im November 2007 wurden der globale Rollout durchgeführt und ca. 350 Mitarbeitende weltweit an das System angekoppelt. Die Akzeptanz in den ausländischen Niederlassungen war sehr hoch, da sich die Aktualisierungszeit der aktuellen Produktinformation stark reduzierte.
Die Aufgabenstellung für das Wissensmanagement lautete, den gesamten Wissensbestand für den Customer Service global bereitzustellen, das Wissen prozessorientiert zu ergänzen und aufzubereiten, erprobte Lösungen zu reproduzieren und die Erfahrungen der Servicetechniker weltweit schnell zu multiplizieren. Durch das aktive Wissensmanagement wurde der Customer Service von Kuka Roboter für die globale Ausrichtung gestärkt. Jedoch kann das Wissensmanagement nur ein Baustein der persönlichen Entwicklung eines Mitarbeitenden sein. Das Motto bei Kuka lautet: «Wir haben das gesamte Erfahrungswissen der vergangenen Jahrzehnte erfasst und zur Verfügung gestellt; am Ende ist es dennoch immer der einzelne Mitarbeitende, der den Erfolg herbeiführt.»
Wie wird aktuelles Wissen weltweit verfügbar?
IT-Basis
Zum Einsatz kommt eine semantische und ontologiebasierte Wissensdatenbank mit zwei Ausprägungen: Ein Online-System ist über das Intranet im Unternehmen verfügbar, der Offline-Client ist für den mobilen Serviceeinsatz da.
Die primären Sprachen sind Deutsch und Englisch; des Weitern gibt es 20 Sekundärsprachen zur Dokumentensuche. Der Einstieg erfolgt über eine Portalansicht und ermöglicht, mit einem oder mehreren Suchbegriffen alle Quellen gleichzeitig zu prüfen.
Die Sicherheit entsteht durch Hardwarebranding sowie durch Datenverschlüsselung und zeitliche, personalisierte Limitierung. Als Medium zur Verteilung dient eine DVD («KUKA Parts&DOC&Xpert»). Dabei werden die Daten erst nach einer Aktivierung auf den Laptop übertragen.
Ontologie
Unter Ontologie versteht man ein formal definiertes System von Konzepten und Relationen. Zwischen diesen Relationen sind Regeln definiert, um komplexe Wissensdomänen zu beschreiben. Die Ontologie dient als Mittel zur Strukturierung und für den Datenaustausch von Informationen. Sie stellt ein Netzwerk von Informationen mit logischen Beziehungen dar und ist somit einem System mit einer hierarchischen Gliederung weit überlegen. Zusätzlich enthält das System Regeln zur Schlussfolgerung und zur Gewährleistung ihrer Gültigkeit.
Bei Kuka werden in der Ontologie das komplette Produktportfolio sowie die darunter liegende Produktstruktur inklusive aller Produktkomponenten und -versionen modelliert.
Das Unternehmen
Die Kuka Roboter GmbH, Augsburg (D), gilt als weltweit führender Anbieter von Industrierobotern und Automatisierungslösungen. Die Kernkompetenzen liegen in Entwicklung und Produktion sowie im Vertrieb von Industrierobotern, Steuerungen, Software und Lineareinheiten. Das Unternehmen ist Marktführer in Deutschland und Europa.Kuka beschäftigt weltweit etwa 2000 Mitarbeitende. Im vergangenen Jahr wurde ein Umsatz von ca. 430 Millionen Euro erwirtschaftet. Das Unternehmen ist mit mehr als 25 Tochterunternehmen in Europa, den USA und Asien präsent.