Arbeit und Recht

Woran ist bei einer Frühpensionierung zu denken?

Das Thema Frühpensionierung wirft in der Praxis immer 
wieder Fragen auf. Im Folgenden wird auf die wichtigsten Punkte eingegangen, die beachtet werden müssen.

Das Arbeitsvertragsrecht ist im Obligationenrecht (OR) in den Artikeln 319 bis 362 geregelt. Die Artikel 331 bis 331e OR enthalten einige Regelungen zum Vorsorgeschutz, zum Beispiel zum Vorbezug bei Wohneigentum, aber nichts zum Thema Frühpensionierung.

Es gelten deshalb arbeitsrechtlich die allgemeinen Regeln: Grundsätzlich ist eine Kündigung auf das Pensionierungsalter hin notwendig, ob die Pensionierung nun frühzeitig oder ordentlich erfolgt. Anders sieht es aus, wenn im Arbeitsvertrag oder in den dazugehörenden Reglementen die Pensionierung auf einen bestimmten Zeitpunkt hin ohne Kündigung vorgesehen wird. Dies muss ausdrücklich erfolgen und wird in der Praxis manchmal so geregelt.

Niemand kann zu einer Frühpensionierung gezwungen werden. Da die Stellensuche ab einem gewissen Alter aber nicht ganz einfach ist, lohnt sich in diesen Fällen die Überlegung, ob eine Frühpensionierung sinnvoll wäre. Wenn die Übergangszeit finanziell auch noch abgefedert wird (ein gewisser Verlust lässt sich nicht vermeiden, dafür muss man aber auch nicht mehr arbeiten), kann die Frühpensionierung im Einzelfall eine sehr gute Lösung darstellen.

Arbeitsrechtlich interessant ist die Frage, ob eine pensionierte Person anderweitig noch arbeiten darf. Dies ist zu bejahen. Oft wird in den Reglementen jedoch bestimmt, dass die Weiterbeschäftigung bei der gleichen Arbeitgeberin ausgeschlossen ist.

Gesetzliches Pensionierungsalter

Das gesetzliche Pensionierungsalter, das heisst das ordentliche Rentenalter, bei welchem ein Anspruch auf eine Altersrente besteht, liegt gemäss der AHV bei Männern bei 65 und bei Frauen bei 64 Jahren. Frauen und Männer können den Bezug der Altersrente um ein oder zwei ganze Jahre vorziehen oder um bis höchstens fünf Jahre aufschieben. Das machen vor allem selbständig Erwerbende immer häufiger. Dieser Artikel fokussiert auf die frühzeitige Pensionierung.

Wichtig ist, zu wissen, dass bei einem Vorbezug die Rente für die ganze Restdauer des Rentenbezugs gekürzt wird. Heute geht man so vor: Die Rente wird berechnet und dann für jedes Jahr des Vorbezugs um 6,8 Prozent gekürzt. Erreicht jemand dann das ordentliche Rentenalter, so soll der frühzeitig Pensionierte genau gleich gestellt sein wie jemand, der sich ordentlich pensionieren liess. Deshalb wird die Rente gekürzt und mit dem Kürzungsbetrag werden die vorbezogenen Renten zurückbezahlt.

Die Anmeldung für die vorzeitige Pensionierung muss rechtzeitig erfolgen, vor Erreichen des entsprechenden Altersjahrs, das heisst vor dem entsprechenden Geburtstag. Während des Vorbezugs ist man weiter AHV-beitragspflichtig. Es besteht unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit, Ergänzungsleistungen zu beziehen. Die AHV hat dazu Merkblätter formuliert (siehe Kasten).

Berufliche Vorsorge

Im Bereich der beruflichen Vorsorge spricht man von Altersleistungen. Gemäss dem BVG haben Männer ab 65 und Frauen ab 64 Altersjahren Anspruch auf Altersleistungen. Die Auszahlung erfolgt als Rente, da sie den Lebensunterhalt im Alter sichern soll, und kann nur unter ganz klar definierten Voraussetzungen als Kapitalauszahlung erfolgen.

Viele Pensionskassenreglemente sehen die Möglichkeit der vorzeitigen Pensionierung ebenfalls vor. Diese kann unabhängig von der AHV bereits ab dem 60. Lebensjahr erfolgen. Die Pensionierten beziehen dann eine vorzeitige Altersrente und allenfalls einen «Rentenvorschuss», also einen Ersatz der AHV-Rente, die ja erst später eintritt, den man dann je nach Reglement ab der ordentlichen Pensionierung ab 65 zurückbezahlt respektive der von der vorzeitigen Altersrente abgezogen werden kann. 

Frühpensionierung bei Betriebsschliessung

Im Rahmen von Betriebsschliessungen kann in einem Sozialplan ebenfalls die vorzeitige Pensionierung geregelt werden, welche in diesem Fall im Unterschied zur reglementarischen Regelung Vorzüge enthalten kann, ansonsten aber mindestens die Bedingungen der reglementarischen Regelung garantiert. Auch hier hat der Arbeitnehmer die Wahl, ob er diesen Weg gehen will oder nicht.

Die Autorin hat im Rahmen von Betriebsschliessungen zum Beispiel die Regelung gesehen, dass Arbeitnehmenden (Männern ab dem 60. und Frauen ab dem 59. Lebensjahr, also je fünf Jahre vor der ordentlichen Pensionierung) bis zur ordentlichen Pensionierung ein Nettoeinkommen von 70 bis 80 Prozent des bisherigen Bruttoeinkommens zur Verfügung stand. Finanziert wurde dies durch den Sozialplan, welcher die nötigen Gelder an die Betriebspensionskasse überwies, die wiederum die Rente auszahlte. Die Leistungen anderer Leistungsträger wurden dabei angerechnet.

Weitere mögliche Regelungen im Sozialplan:

  • 
Für Härtefälle kann durch die Pensionskasse, mit Einschuss aus dem Sozialplan, ein spezieller Fonds geäufnet werden.
  • 
Der Bezug einer Kapitalabfindung ist meist nur im Rahmen des ordentlichen Reglements möglich.
  • 
Die vorzeitige Pensionierung kann zur Folge haben, dass die betroffenen Arbeitnehmenden keine Abfindung aus dem Sozialplan erhalten, da die Arbeitslosigkeit entfällt und die frühzeitige Pensionierung selbst durch den Sozialplan finanziert werden muss.

Zusätzlich kann der Sozialplan für entlassene Arbeitnehmende ab dem 50. Lebensjahr, die  nicht in den Genuss der vorzeitigen Pensionierung kommen, die Abfindung aus dem Sozialplan erhöhen. Diese Abfindung kann als Einmaleinlage in die Pensionskasse einbezahlt werden, wodurch die Steuerpflicht im Moment entfällt.

Eine Frühpensionierung kann durchaus sinnvoll sein, muss aber im Einzelfall betrachtet werden. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sollten gemeinsam die Möglichkeiten anschauen, speziell hinsichtlich der Regelung in der individuellen Pensionskasse. Diese steht beratend zur Seite.

Infos und Merkblätter

Auf der Homepage von AHV-IV ist umfassendes Informationsmaterial mit vielen Merkblättern zu finden. Eines der Merkblätter bezieht sich auf das flexible -Rentenalter und zeigt auch anhand von Rechenbeispielen, was beachtet werden muss. www.ahv-iv.info

 

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Marion Morad-Marquardt ist Rechtsanwältin, MBA HSG mit Spezialgebiet Arbeitsrecht und eigener Anwaltskanzlei in Zürich. Sie berät vorwiegend Unternehmen in Fragen des Arbeitsrechts und des allgemeinen Wirtschaftsrechts. www.morad-law.ch

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