Zehn arbeitsrechtliche HR-Gebote
Im Zentrum arbeitsrechtlicher Betrachtung von Human-Resources-Aufgaben stehen die vertragliche Ausgestaltung von Arbeitszeit und Lohn. Auch Konfliktkündigungen sind ein wichtiges Feld des Praktiker-Alltags. HR Today-Rechtsautor Heinz Heller hat abgeleitet von diesen drei Bereichen 10 launige HR-Gebote formuliert.
HR Today-Rechtsautor Heinz Heller hat 10 HR-Gebote formuliert. (Bild: 123RF)
1. Sich Gehör verschaffen
Die Geschäftsleitung fokussiert auf den Absatzmarkt und schätzt die Verkaufs- und die Marketingabteilung. Denn deren Arbeit ist umsatzrelevant. Personalern dagegen wird betriebswirtschaftliches Verständnis unterschwellig abgesprochen, und sie bleiben oft auf Administrativfunktionen verwiesen. Hier können sich engagierte HR-Verantwortliche profilieren, wenn sie sich mit gut vorbereiteten Vorstössen hervortun. Eingesparte Lohnkosten beispielsweise sind konkret gesteigerter Unternehmensgewinn. Und ich spreche nicht von Entlassungen. Intelligente Arbeitszeitregelungen etwa können lohnrelevante Effizienzanreize vorsehen, die Arbeitnehmern und Arbeitgebern symmetrisch Vorteile bringen und unnötige Präsenzzeit verhindern. Dafür gibt es konkrete Ansätze.
2. Rechtzeitig Hilfe holen
Nein, nein und nochmals nein: Das ist keine Schleichwerbung für Anwälte. Wenn ich zum rechtzeitigen Beizug etwa eines Fachanwalts SAV Arbeitsrecht einlade, handle ich beinahe geschäftsschädigend. Denn im Gerichtssaal leben wir Anwälte zu einem recht wesentlichen Teil davon, dass wir entweder zu spät beigezogen wurden oder dass wir zu Arbeitsverträgen und Personalreglementen prozessieren, die völlig unnötige Schwachstellen enthalten.
HR Today Academy mit Heinz Heller
Am 19. Mai 2016 hält Heinz Heller ein Seminar zum Thema «Arbeitsrechtliche Analysen brennender HR-Praxis-Themen». Der ausgesprochen praxisorientierte Workshop Arbeitsrecht ist thematisch in zwei Blöcke unterteilt: Block I präsentiert ausgewählte Dauerbrenner mit hohem Regelungsbedarf. Block II widmet sich dem Schwerpunktthema Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung. Infos und Anmeldung: academy.hrtoday.ch
3. Gesunden Menschenverstand walten lassen
Etwas anderes als arbeitsrechtliches Fachwissen ist der gesunde Menschenverstand. Den hat jede Personalerin. Man muss ihn aber einschalten. Ein Beispiel: Die bezahlte Pause ist keine Arbeitszeit, auch wenn sie bezahlt wird. Denn es wird ja nicht gearbeitet. Folglich sollte die bezahlte Pause auch nicht auf Arbeitszeit gebucht werden. Das ist mehr Logik als Juristerei.
4. Eindeutiges Begriffswesen pflegen
Gute Verträge zeichnen sich durch eindeutiges Begriffswesen und eine durchdachte Struktur aus. Viele Personalreglemente würfeln dagegen arbeitsrechtlich wesentliche Kategorien wild durcheinander. Wie lautet beispielsweise das Schicksal eines Arbeitszeitreglements, das bezahlte Pausen als Arbeitszeit anrechnet und Überstunden nach OR nicht von Überzeit nach Arbeitsgesetz unterscheidet? – Antwort: Das Reglement wird dem Belastungstest nicht standhalten. Und ja, Sie ahnen es: Das kostet dann Geld.
5. Zurückhaltung beim Googeln
Ein Unternehmen will qualifizierte Stellenbewerber mit mässigen Fixlöhnen und ergänzenden Bonusansprüchen locken – aber darauf im Zweifelsfall dann doch nicht behaftet werden können. Anwaltshonorar ist im Budget nicht vorgesehen und jetzt werden mit Googles Hilfe die abenteuerlichsten Vertragsklauseln zusammengezimmert, die schlussendlich mehr Fragen aufwerfen statt klären. Nicht umsonst widmen sich auffallend viele Gerichtsentscheide der Unterscheidung zwischen freiwilligem Bonus und (echtem) Lohnanspruch.
6. Verhandeln statt kündigen
Auch gute Verträge bewahren nicht vor Arbeitsstreit. Jeder Konfliktkündigung sollte aber der Versuch vorausgehen, eine Aufhebungsvereinbarung zu verhandeln – der Königsweg bei jedem schweren Arbeitskonflikt.
7. Aufrichtig sein
Kommt es trotzdem zu einer Kündigung, sollte diese (wenn auch erst später) ehrlich, umfassend und selbsterklärend begründet werden. Wie sagt man es so, dass es der Arbeitnehmer innerlich annehmen kann? Dabei stört es nicht, wenn mit der Kündigungsbegründung eigene Fehler miteingeräumt werden. Die landläufige Meinung, Floskeln wie «Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen» seien immer die cleverste Lösung, kann ich nicht bestätigen.
8. Paper Trail sicherstellen
Überkommt den Arbeitnehmer trotz guter Kündigungsbegründung die Streitlust, folgt oft der gleiche Ablauf. Zwar kündigte man wegen schlechter Arbeitsleistung, aber das ratlose Blättern im Personaldossier zeigt: Es gibt – ausser hervorragenden Zwischenqualifikationen – nichts, das den Vorwurf schlechter Arbeitsleistung irgendwie rechtfertigen würde. Somit droht ein Arbeitsprozess mit Zeugenbeweis, und der ist von allen Beweismitteln der schwächste. – Fazit: Schlechte Arbeitsleistung ist rechtzeitig anzusprechen und das Besprochene muss protokolliert werden.
9. Professionelle Standards definieren
Man muss aber richtig protokollieren. Besprechungsprotokolle von Arbeitnehmergesprächen soll man gegenlesen und idealerweise gegenzeichnen lassen. Verweigert der Arbeitnehmer die Unterschrift, unterzeichnet auf Arbeitgeberseite nach dem Vieraugenprinzip eine weitere Person als Zeuge. Solche Abläufe nennt man Standardabläufe, oder auf Neudeutsch «Standard Operating Procedures» (SOP). In vielen Unternehmen sind keine arbeitsrechtlichen SOP definiert. Sagte ich schon, dass das später im Gerichtssaal viel Geld kosten wird?
10. Taktisch denken
Taktik (statt arbeitsrechtlicher Theorie) ist im HR-Alltag manchmal von zentraler Bedeutung. Der Anwalt unseres entlassenen Arbeitnehmers verlangt beispielsweise vier Monatslöhne Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung. Sie als HR-Verantwortliche wissen: Dem Grundsatz nach hat der Anwalt recht. Das Unternehmen wird irgendeine Summe zahlen müssen. Was geschieht, wenn Sie dem Anwalt nun schreiben, Sie würden den Vorwurf akzeptieren, und dem Arbeitnehmer sogleich zwei Extra-Monatslöhne als Entschädigung überweisen? – Antwort: Sie haben den Anwalt schachmatt gesetzt, weil der Anwalt dem Arbeitnehmer nicht mehr mit gleicher Überzeugung zum Prozess raten kann. Denn jetzt sind nur noch zwei (statt vier) Monatslöhne strittig. Die Prozessrisiken für die zweiten zwei Monatslöhne sind klar höher als für die ersten zwei.