«In Zukunft braucht es eine hohe, spürbare Präsenz der HR-Leitung»
Drei Schweizer CEOs geben Auskunft darüber, wie sie die Arbeitswelt von morgen sehen. Sie umreissen die Aufgaben und den Stellenwert des HR im Hinblick auf Megatrends wie Globalisierung, Demografie und Technologie.
Ralph Müller, CEO Schurter AG, Luzern.
Schurter AG
Unternehmenskultur weltweit weiter entwickeln
Ralph Müller: «Besonders die globalen Gegebenheiten werden das Personalmanagement weiter stark beeinflussen. Das HR muss sich verstärkt mit den verschiedenen Kulturen auseinandersetzen und Formen und Wege finden, in einer globalen Vernetzung spürbar mitzuhelfen, unsere Unternehmenskultur als Ganzes und weltweit weiterzuentwickeln. Schweizer Unternehmer werden vermehrt ihre Kernkompetenzen nicht an einem Standort konzentriert managen können, sondern müssen diese, den Kundenbedürfnissen angepasst, weltweit zur Verfügung stellen. Dies geht weit über eine Produktionsverlagerung hinaus. Hier geht es um die globale Vernetzung der unternehmerischen Tätigkeiten und der personellen Ressourcen.
Für uns gibt es ganz klar eine Verschiebung der Wertigkeit. So werden wirklich nur noch zukunftsgerichtete, hochanspruchsvolle Aufgaben von Luzern aus gesteuert. Das bedeutet, dass die Konzentration auf die Kernkompetenzen voranschreiten wird, und dies erfordert insbesondere höher qualifizierte Mitarbeitende. Ich gehe jedoch davon aus, dass dabei die Vernetzung einen hohen Stellenwert einnimmt und man sich trotz sämtlicher elektronischer Hilfsmittel wieder vermehrt auf persönliche Kontakte konzentrieren muss. Auf unserer Agenda 2020 stehen die ‹vier V› ganz oben: Vorbild, Vertrauen, Veränderung, Verantwortung.
In Zukunft braucht es eine hohe Präsenz der HR-Leitung, welche für das ganze Unternehmen spürbar ist. Weiter sind Kommunikationsformen gefordert, welche eine physische Teilnahme erfordern und Informationen aus erster Hand bieten. Ansonsten verliert die Unternehmenskultur durch den Einsatz elektronischer Informationsplattformen und von Social-Media-Angeboten ihre Eigenständigkeit und versandet im globalen Mainstream.
Meiner Meinung nach wird sich aufgrund der Demografie der Kampf um die Talente noch weiter verschärfen. Dies erfordert attraktive Anstellungsbedingungen, insbesondere deren Rahmenbedingungen, und neue Wege in der Rekrutierung. Dabei spielt sicher die positive Wahrnehmung der Unternehmung in der breiten Bevölkerung eine wichtige Rolle. Nebst betrieblichen Anreizen für ältere Mitarbeiter, flexiblen Arbeitsformen, interkultureller Kompetenz und dem Einsatz sozialer Netzwerke ist ein Unternehmensmarketing erforderlich, damit die Unternehmung als Ganzes als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird. Hier müssen vor allem die Social-Media-Plattformen im Fokus sein.»
Seedamm Plaza
Stärkere persönliche Bindung zu jedem Mitarbeiter
Peter Ernst: «Der demografische Wandel wird sicherlich ein Hauptthema für Unternehmen sein. Junge und gut qualifizierte Arbeitskräfte werden Mangelware oder kaum noch finanzierbar sein. Die Lebensarbeitszeit wird sich deutlich verlängern. Wir müssen auch ältere Menschen für Hotel-Dienstleis-tungsfunktionen begeistern, um weiter bestehen zu können. Hierzu gehört vor allem eine Befähigung im Teilzeitpensum.
Viele Lebensbereiche spielen sich in der Online-Welt ab: Schule und Ausbildung, Bewerbungsverfahren, persönliche Netzwerke … Eine Herausforderung ist sicher, die Mitarbeiter mit Entwicklungsprogrammen auf aktuellem technischem Wissensstand zu halten und auch in Richtung des Kunden neue Technologien aktiv und sinnvoll zu nutzen. Eine einladende, gute Unternehmenskultur wird im Rekrutierungswettbewerb noch mehr an Bedeutung gewinnen.
Grundsätzlich wird das Rad nicht neu erfunden werden. Doch Schwankungen im Arbeitsmarkt werden sich noch rascher entwickeln, und die Hochs und Tiefs werden sich noch mehr zuspitzen. Weiche Faktoren werden wahrscheinlich für einen Stellenwechsel der grössere Motivator sein als finanzielle Anreize. Das HRM wird sich mehr als bisher um jeden einzelnen Mitarbeiter bemühen, sich um dessen Wohlergehen kümmern und individuelle Entwicklungsprogramme anbieten müssen, um ihn im Unternehmen zu halten. Es wird eine stärkere, persönliche Bindung zu jedem Mitarbeiter notwendig werden. Auf der einen Seite brauchen die Treiber mehr Abwechslung in der eigenen Unternehmung. Andererseits müssen die ‹Sesselkleber› in Bewegung gehalten werden, um den Veränderungen im Umfeld gerecht zu werden.
Die technischen Fortschritte werden im Hotelgewerbe weit weniger grosse Auswirkungen haben als in Industriebetrieben. Technische Hilfsmittel sind dort einzusetzen, wo der Gast sie nicht als solche wahrnimmt, da er vermutlich zunehmend den persönlichen Kontakt schätzen wird.
Ich halte auch nichts davon, das persönliche Bewerbungsgespräch vollständig zu automatisieren. Unsere Mitarbeiter sind leidenschaftliche Gastgeber und ich glaube, ich kann sagen, dass sie sich zu 100 Prozent mit dem Betrieb identifizieren. Wir gehören zu den Topunternehmen im Eventbereich, und es gilt, dies in Zukunft zu verteidigen. Um dies zu erreichen, müssen sich in erster Linie die Mitarbeiter bei uns wohlfühlen. Und das natürliche Gespür für den passenden Menschen sollte sich nicht in der Technik verlieren. Die Flut von elektronischen Bewerbungen wird eine weitere Herausforderung in der erfolgreichen und zutreffenden Rekrutierung darstellen.»
Maurice Lacroix SA
Engere Verzahnung von Geschäfts- und Personalentwicklung
Martin Bachmann: «Die Arbeitswelt von morgen ist noch schneller, noch globaler. Damit steigen die Anforderungen an die Mitarbeiter in Bezug auf Flexibilität und Internationalität. Das Antizipieren von Veränderungen sowie die schnelle und flexible Einstellung auf neue Rahmenbedingungen werden für die Geschäftsentwicklung entscheidend sein. Auf diese Herausforderungen muss sich jedes Unternehmen vorbereiten, mit entsprechenden Prozessen, aber auch mit der Aus- und Weiterbildung des Personals.
Die Informationsflut wird sich weiter erhöhen. Der effizienten Selektion der richtigen Informationen mit allen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln kommt entscheidende Bedeutung zu.
Auf der Agenda 2020 geniesst gezielte Weiterentwicklung der Marke Maurice Lacroix oberste Priorität. Die Glaubwürdigkeit einer Marke basiert auf dem authentischen Verhalten aller Mitarbeiter, die diese Marke tragen und unsere Werte täglich sichtbar leben. Die richtigen Mitarbeiter zu rekrutieren und zu fördern, so dass diese langfristig dem Unternehmen treu bleiben, ist auch künftig die grosse Herausforderung im HRM.
Der Wettbewerb um spezifische Talente, die in einem Wachstumsmarkt wie der Uhrenindustrie besonders gefragt sind, wird sich weiter intensivieren. Das HRM muss integraler Teil der Unternehmensstrategie sein. Professionelle Personalentscheidungen auf allen Stufen prägen die Kultur eines Unternehmens und sind mitverantwortlich für den Unternehmenserfolg. Wir berücksichtigen bei strategischen Diskussionen immer auch die Auswirkungen auf der Personalseite. Welche Fähigkeiten oder Erfahrungen von Mitarbeitern bedingt eine strategische Entscheidung? Haben wir entsprechende Mitarbeiter bereits, oder müssen wir solche neu rekrutieren? Die Verzahnung zwischen Geschäfts- und Personalentwicklung muss enger werden, um die richtigen Personalentscheidungen treffen zu können.
Für die ästhetische und technische Entwicklung einer Uhr, für Produktion, Kundendienst, Marketing oder Vertrieb benötigen wir höchst unterschiedliche Charaktere und Kompetenzen. Wir fördern den gegenseitigen Meinungs- und Gedankenaustausch aktiv über Teams und Länder hinweg. Gerade die kulturellen und sprachlichen Unterschiede zwischen unseren Mitarbeitern in der beschaulichen Umgebung unserer Produktionsstätten in den Franches-Montagnes im Schweizer Jura und den dynamischen, weltweiten Absatzmärkten können sehr inspirierend sein.»
Bücher zum Thema
- Matthias Horx: Das Megatrend-Prinzip. Wie die Welt von morgen entsteht. DVA, erscheint am 14. November 2011. 300 Seiten, gebunden, CHF 32.90
- Mikael Krogerus und Roman Tschäppeler: Die Welt erklärt in drei Strichen. Das kleine Buch der grossen Veränderungen. Kein und Aber Verlag, 2011. 176 Seiten, gebunden, CHF 26.80
- Maren Lehky: Leadership 2.0. Campus Verlag, 2011. 224 Seiten, gebunden, CHF 35.50