Zwischen Kind & Karriere
Als HR-Leiterin bei Canon Schweiz ist Tatjana Zbinden für 800 Mitarbeitende zuständig. Zugleich ist sie Mutter von zwei Kleinkindern und pendelt täglich zwischen beiden Welten. Vorteilhaft, wenn es darum geht, Prioritäten richtig zu setzen.
Tatjana Zbinden, HR-Leiterin, Canon Schweiz: «Ich schätze es, wenn Mitarbeitende mit Lösungsvorschlägen kommen, statt bloss zu fragen, was das HR für sie tun kann.» (Foto: Johanna Bossart)
Karriere oder Kind. Beides geht nicht. Dieses Vorurteil sitzt tief und ist auch im 21. Jahrhundert noch nicht vom Tisch. Dabei liegt das Potenzial vieler hoch qualifizierter Frauen brach und dies, obwohl der Fachkräftemangel von allen Seiten beklagt wird.
Tatjana Zbinden, als HR-Leiterin und Geschäftsleitungsmitglied bei Canon Schweiz für rund 800 Mitarbeitende zuständig sowie Mutter von zwei Kleinkindern, hat den Spagat geschafft: Sie ist in beiden Welten zu Hause. Sie bringt viele Dinge unter einen Hut und behält den Überblick. Das sind vorteilhafte Eigenschaften, um in beiden Lebenswelten die Prioritäten richtig zu setzen:
«Es ist alles eine Frage der Organisation», meint Tatjana Zbinden. «Es muss ganz klar sein, wer an welchem Tag für die Kinder verantwortlich ist, wer die Kinder zur Spielgruppe bringt und wieder abholt, wer wann kocht und wer im Notfall einspringt.» Das «Support-Netzwerk» besteht aus einem Aupair, einer Nanny, einer Putzfrau sowie ihrem Ehemann, der 80 Prozent arbeitet. «In der heutigen Arbeitswelt sind gut qualifizierte Teilzeitstellen immer noch eine Seltenheit», bedauert die zweifache Mutter. «Man muss abwägen und Prioritäten setzen.» Um trotz ihres hohen Arbeitspensums mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, arbeitet Tatjana Zbinden einmal pro Woche von zu Hause aus. Oft auch, nachdem die Kinder bereits im Bett sind. Viel Zeit für sich selbst bleibt ihr dabei nicht: «Früher war ich eine begeisterte Volleyball-Spielerin. Der Sport kommt heute mit den Kindern und mit dem Beruf ohne Zweifel etwas kurz.» Auch nebenberufliche Engagements bleiben auf der Strecke – so hat die Ostschweizerin erst kürzlich ihr Präsidium des HSG Alumni HR-Interessenclubs aufgegeben.
Tatjana Zbinden Canon 2 from HR Today on Vimeo.
Hightech und menschliche Aspekte
Erholung findet sie trotzdem mühelos. «Ich kann recht gut abschalten. Wenn ich zu Hause bin, bin ich wirklich da und nicht in Gedanken im Geschäft und umgekehrt.» Das schafft sie, indem sie «auch mal etwas stehen lassen kann» und keine allzu perfektionistische Ader pflegt.
Was sie zum HR gebracht hat? «Schon bei der Studienwahl war mir klar, dass ich Betriebswirtschaft oder Psychologie studieren wollte», erklärt die Ostschweizerin. Einen Studiengang, der beide Fachbereiche abdeckte, existierte damals nicht. So wählte Tatjana Zbinden die zweitbeste Variante: Führung und Personalmanagement als Vertiefungsfach. «Mir gefiel dieses Fach, weil es den Menschen ins Zentrum stellte und weichere Aspekte berücksichtigte.» Gleichzeitig stellte diese Wahl die Weichen für ihren Einstieg ins HR. Diesen fand sie bei der UBS als HR Business Partner, wo sie für den IT-Bereich zuständig war.
Die Verbindung von Hightech und menschlichen Aspekten führte sie in ihren weiteren beruflichen Stationen zum IT-Dienstleister Comit und schliesslich zur Canon Schweiz. Dort beschäftigt Tatjana Zbinden derzeit insbesondere die Veränderung der Unternehmenskultur: «Unser traditionelles Geschäft entwickelt sich von einem eher produktorientierten zu einem lösungsorientierten Markt. Der Mindset der Führungskräfte und Mitarbeitenden muss sich gleichermassen entwickeln, um die Bedürfnisse des Kunden besser zu verstehen. Eine bereichsübergreifende und lösungsorientierte Zusammenarbeit ist dabei zentral und meine Aufgabe ist es, die Mitarbeitenden in diesem Change zu befähigen.» Diese Entwicklung treibt sie mit Entschlossenheit voran, denn: «Die Margen brechen weg und Parallelimporte stellen das bestehende Geschäftsmodell immer stärker infrage.»
Zur Person
Tatjana Zbinden (36) hat an der Universität St. Gallen BWL studiert und sich vertieft mit Führung und Personalmanagement auseinandergesetzt. Den Berufseinstieg ins HR findet sie bei der UBS als HR-Managerin, wo sie ihre Vorliebe zur IT entdeckt. Nach drei Jahren wechselt sie innerhalb des Unternehmens zum IT HR Project Management. Bei der Comit AG findet sie 2007 ein Umfeld, wo sie die HR- Gesamtleitung übernimmt und gleichzeitig ihr IT-Know-how einbringen kann. Mit der Übernahme und Integration der Comit in die Swisscom IT Services AG wird auch das HR der ehemaligen Comit AG im Konzern eingebunden. Tatjana Zbinden verlässt das Unternehmen und verbringt ein Jahr im Mutterschaftsurlaub, bevor sie Ende 2013 bei der Canon (Schweiz) AG die HR-Leitung übernimmt.
Keine «Pflästerlipolitik»
Tatjana Zbinden versteht sich als jemand, «der Hindernisse aus dem Weg räumt» und es Menschen ermöglicht, Eigeninitiative zu entwickeln. «Ich schätze es sehr, wenn Mitarbeitende mit konkreten Lösungsvorschlägen kommen und selbstverantwortlich handeln, anstatt bloss zu fragen, was das HR oder der Vorgesetzte für sie tun kann.» So hat eine Mitarbeiterin kürzlich für eine ganze Abteilung auf eigene Initiative eine Excel-Schulung organisiert und benötigte nur noch bei der Organisation der Laptops Unterstützung.
Endlose Diskussionen über Probleme oder Meetings ohne Lösungsansätze goutiert die 36-Jährige hingegen gar nicht. Oft äussere sich diese «Das-geht-nicht-Haltung» nur indirekt. Es gelte deshalb, das «Warum» der Angst vor Veränderung zu ergründen und aufzuzeigen, dass das HR dazu da sei, die Dinge zu ermöglichen und die Mitarbeitenden zu unterstützen, über sich hinauszuwachsen.
«HR ist eine langfristige Aufgabe», resümiert Tatjana Zbinden. «Ich möchte das Geschäft bei Canon nachhaltig voranbringen und keine «Pflästerlipolitik» betreiben. Für die Zukunft wünsche ich mir deshalb, die Früchte meiner Arbeit auch zu ernten.»