Generationenmix

Altersgrenzen überschreitende Arbeit ist gewinnbringend für beide Seiten

Was schätzen jüngere HR-Verantwortliche an älteren CEOs? Wie sind sie selber als junge Vorgesetzte in ihrem Team 
aufgenommen worden und was waren ihre Anfangsfehler? HR Today hat vier Personalverantwortliche befragt, wie sie 
Generationenunterschiede in der Firma wahrnehmen.

Mit 33 Jahren wurde Corinne Hansen Human Resources Manager Central & Eastern Europe beim britischen Baustoff- und Haustechnikhändler Wolseley. Als sie im Jahr 2006 vom CEO für diese Stelle nominiert wurde, war ihr Alter kein Thema. «Meinen Kollegen war es wichtiger, dass ich Schweizerin bin und ihnen beim geplanten Umzug unseres Büros von England in die Schweiz behilflich sein konnte. Es scheint mir eher typisch schweizerisch zu sein, dass man jemanden nach dem Alter einstuft und Jüngere argwöhnisch beobachtet», sagt Hansen aus Erfahrung. Sie hat ihre erste HR-Führungsrolle in der Schweiz mit 28 Jahren übernommen und ist überzeugt: «Das Älterwerden ist in meinem Job ein Pluspunkt.» Heute ist sie für ein Team von 18 Leuten verantwortlich (und 4000 Mitarbeitende), von denen der Jüngste 21 und der Älteste 61 Jahre alt ist.

Zudem rapportieren die HR-Verantwortlichen von 13 Ländern an sie. «Ich hatte zwar nie das Gefühl, dass mich ältere Mitarbeitende nicht akzeptieren. Allerdings merke ich, dass ich von einigen kritischer beobachtet werde und sie sensibler auf jüngere Chefs reagieren», sagt Hansen. Sie erzählt das Beispiel des 61-Jährigen, seit 25 Jahren in der Firma tätig, der eine Zurechtweisung durch den 32-jährigen Finanzchef ihr gegenüber mit den Worten kommentierte: «Von dem Schnösel lasse ich mir doch nichts sagen.» Die Personalleiterin ist überzeugt: «Solche Spannungen lassen sich lösen, indem ich die älteren Kollegen respektiere und ihnen meine Wertschätzung zeige – umso mehr, wenn es Leute sind, die auf das Senioritätsprinzip Wert legen.» Ebenso müsse die Toleranz auf allen Altersstufen gelebt und das Bewusstsein gefördert werden, dass jüngere Mitarbeitenden den älteren nicht den Boden unter den Füssen wegziehen. «Mitarbeitende aller Altersstufen sollten gleichwertig sein und auch so behandelt werden.» Dass dieser Vorsatz nicht immer leicht umzusetzen ist, merkt Hansen am eigenen Leib. «Von mir als jüngerer Person wird ganz selbstverständlich erwartet, dass ich täglich alle E-Mails beantworte, selbst wenn es an die 200 sind. Wenn jedoch ein über 60-Jähriger Mitarbeitender sagt, er habe die Mails nicht bearbeitet, weil er mit dieser Kommunikationsmethode Mühe habe, wird das toleriert.»

Corinne Hansen ist seit über einem Jahr in diesem Job. Obwohl sie anfangs lange gezögert habe, ihn anzunehmen – «ich hatte Angst, noch zu jung und zu unerfahren für diese Rolle  zu sein» –, bereut sie ihre Entscheidung nicht. Allerdings würde sie nicht wieder denselben Anfangsfehler machen: «Ich habe aus jugendlicher Gutmütigkeit viele Aufgaben übernommen, die nicht in meinen Bereich gehören. So habe ich mich beispielsweise um die Büromöbel am neuen Standort oder um die Fahrerlaubnis für meine englischen Kollegen gekümmert.» Wer seine Hilfsbereitschaft so ausdehnt, muss sich nicht wundern, wenn er noch diverse andere Assistenzarbeiten erledigen darf, weiss Hansen heute. «Ich werde wohl mit zunehmendem Alter noch besser lernen, mich abzugrenzen», ist sie überzeugt.

Im neuen Job gilt es, Wissensdefizite rasch zu beseitigen

Als Stephan Wittmann 2002 Leiter des Bereich Human Resources beim Industriekonzern 
Georg Fischer AG wurde, war er mit 37 Jahren einer der Jüngsten im Team. «Da ich bereits seit 1999 in verschiedenen Funktionen im Unternehmen arbeitete, kannten mich die Leute und akzeptierten mich in meiner neuen Rolle», sagt Wittmann. «Allerdings gab es Personalleiter, die in gewissen Bereichen mehr Erfahrung hatten als ich. Für mich war klar, dass ich meine Wissensdefizite möglichst rasch beseitigen musste. Dabei habe ich immer den Rat erfahrener Mitarbeitender gerne akzeptiert.»

Mit einem Schmunzeln erinnert sich Wittmann an seine jugendliche Euphorie im neuen Job. «Ich wollte zu viel auf einmal und zu schnell umsetzen.» Das sei zwar insofern gut, dass er Reformen angestossen habe. Aber er musste zuerst lernen, dass man in einer Organisation nur eine ganz geringe Zahl von Themen gleichzeitig vorwärtsbringen kann. «Ich war etwas blauäugig und habe unterschätzt, wie langwierig Prozesse dauern können. Bei Neugestaltungen jeglicher Art geht es darum, die Leute zu überzeugen und sie zu motivieren, ihr Verhalten zu ändern. Und das braucht seine Zeit.»

Herausforderung für das HRM: Vorurteile auflösen

Bei der Arbeit im Konzern mit den rund 12 500 Mitarbeitenden bemerkt Wittmann keine nennenswerten Spannungen zwischen den Generationen. Allerdings ist ihm aufgefallen, dass in der Freizeit oder beim Essen die Durchmischung der Generationen weniger gross ist, jünger gesellt sich doch lieber zu jünger und älter zu älter. Der Personalleiter betrachtet es als eine Herausforderung für das HRM, stereo-typische Vorurteile wie «Ältere sind weniger flexibel, Jüngere haben zu wenig Erfahrung» aufzulösen und zu zeigen, dass die komplementären Kompetenzen der Altersgruppen durchaus erfolgreich in der Zusammenarbeit genutzt werden können. «Vorurteile sind immer ein Hemmschuh, gerade wenn man ältere Mitarbeitende anders oder neu platzieren möchte», sagt Wittmann. «Wir sensibilisieren daher in unserem Projekt Aging Work Force schon junge Vorgesetzte für diese Thematik. Denn: Vorurteile stimmen im Einzelfall nie.»

Sich als Sparringpartner betrachten und nicht als Konkurrenten

Simone Schori, Leiterin Personaldienst bei ERZ Entsorgung + Recycling Zürich, setzt auf gegenseitigen Respekt und Kommunikation in ihrem 13-köpfigen HR-Team, in dem das jüngste Mitglied 25 und der älteste Mitarbeitende 61 ist. Die Altersspanne von fast 40 Jahren trage nicht zu Generationenkonflikten bei, sie spüre den Altersunterschied im Team nicht, sagt die 39-jährige Personalleiterin. «Die gegenseitige Hilfsbereitschaft ist sehr gross, wir haben einen guten Austausch und lachen auch viel zusammen. Mir ist ausserdem wichtig, dass wir uns gegenseitig als Sparringpartner betrachten und nicht als Konkurrenten.» Dasselbe Denken will sie im Wissenstransfer vermitteln: Ein vor der Pensionierung stehender Mitarbeitender soll sich nicht unnütz vorkommen gegenüber den jüngeren Mitarbeitenden, sondern nochmals durchstarten können. «Wir haben beispielsweise einen älteren Mitarbeiter vom Tagesgeschäft entbunden und ihm die Leitung eines Bauprojektes übertragen. So steht er seinen Nachfolgern mit seinem Know-how und auch mit seinem Kontaktnetz noch zur Verfügung, kann sich aber gleichzeitig nochmals selber einbringen», erklärt Schori. Mit solchen Aufgabenveränderungen oder -erweiterungen wird erreicht, dass sich die Älteren von den Jüngeren nicht entmachtet und auf das Abstellgleis gedrängt fühlen.

Simone Schori wurde vor eineinhalb Jahren zur Personalleiterin und zum Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung des Unternehmens mit seinen 850 Mitarbeitenden ernannt. Den Respekt der durchweg älteren GL-Mitglieder habe sie sich bereits in früheren Projekten erarbeitet, sagt Schori, da sie bereits seit über zwölf Jahren im Unternehmen in verschiedenen Funktionen tätig war. «Ich wurde im Management Team sofort als vollwertiges und gleichberechtigtes Mitglied aufgenommen und akzeptiert.» Der Altersunterschied in der GL sei nur in einem Punkt spürbar: «Ältere Mitarbeitende sind etwas ruhiger – und sie verzeihen uns Jüngeren, wenn wir in der jugendlichen Euphorie zu schnell vorpreschen.»

Die ruhige, besonnene Art des älteren Vorgesetzten schätzt auch Mario Zanandrea. Der 33-Jährige leitet seit September 2007 das Personalwesen bei der Grosspeter AG, einem in der Automobilbranche tätigen KMU mit rund 250 Mitarbeitenden.

«Die Arbeit mit meinem neuen Chef gestaltet sich äusserst angenehm, seine Gelassenheit und Offenheit sind sehr bereichernd», sagt Zanandrea. Nie habe er von seinem 46-jährigen Chef zu hören bekommen, er habe keine Zeit für ihn, er sei im Stress. «Er hat sowohl für mich wie auch für die anderen Mitarbeitenden immer ein offenes Ohr.» Zudem schätzt der Personalleiter, dass der CEO neue Ideen und Vorschläge kritisch begutachtet, aber nie von vornherein ablehnt, dass er sehr dynamisch und innovativ ist. «Er ist geistig jünger als mein früherer Vorgesetzter in einer anderen Firma, der zwar vom Geburtsdatum her jünger war, aber nicht im Denken.»

Zanandrea glaubt, dass ein «jugendlicher Geist» sowohl von der Persönlichkeit wie auch vom Erfahrungshintergrund abhängt. «Mein früherer Chef war der Enkel des Firmengründers, das Familienunternehmen war sehr prozessorientiert und auch hierarchisch ge-gliedert. Neuerungen anzustossen war dort sehr schwierig», erläutert Zanandrea. Ein anderer ehemaliger weiblicher CEO schien Zanandrea geprägt von der Männerwelt in der Metallindustrie: «Sie führte äusserst direktiv, war nicht sehr persönlich und eher kurz angebunden», sagt Zanandrea über die damals über 50-jährige Chefin. Sein aktueller Chef bei Grosspeter komme aus dem Bereich Marketing und Verkauf und die Zusammenarbeit mit ihm sei aufgrund seiner Aufgeschlossenheit und seiner kommunikativen Art weitaus angenehmer als mit den früheren Vorgesetzten.

Erfahrene CEOs werden als 
Vorbilder geschätzt

Auch die anderen drei Personalverantwortlichen beschreiben die Zusammenarbeit mit den älteren Vorgesetzten als durchweg positiv. Für Corinne Hansen ist der 59-jährige CEO ein Mentor, von dem sie viel lernen kann. Er sei extrem offen, flexibel, unvoreingenommen und jung im Geist. «Wenn er nicht weisse Haare hätte, würde man ihm sein Alter nicht anmerken. Im Wesen ist er alterslos», sagt Corinne Hansen.

Simone Schori schätzt an ihrem 61-jährigen CEO, dass er ein «unheimlicher Schnelldenker» sei, der Zusammenhänge sofort erfasse und durch seine globale Perspektive Themen aufwerfe, an die sie nicht immer selber denke. «Von seiner Denkweise habe ich schon viel profitiert, ebenso wie von seinem Kontaktnetz, das er mir zugänglich macht», sagt Schori. Die fruchtbare Zusammenarbeit wird durch eine positive altersbedingte Veränderung abgerundet: «Mein Chef ist mit dem Alter ruhiger und geduldiger geworden», sagt die Personalleiterin, die den CEO schon seit über zehn Jahren kennt.

Auch für Stephan Wittmann ist klar: «Am meisten profitiert man von einem erfahrenen Vorgesetzten.» Wobei für ihn weniger das Alter als die Erfahrungen entscheidend sind. Wittmann schätzt erfahrene Vorgesetzte als Sparringpartner, die auch unkonventionelle Ideen auf ihre Machbarkeit hin überprüfen und mit ihm zusammen diskutieren. «Wichtig ist, dass man sich auch bei unterschiedlichen Meinungen auf einem guten Niveau einigen kann. Beim Jüngeren setzt das voraus, dass er nicht um jeden Preis seine Maximallösung durchsetzen will, und beim Älteren, dass er den Jüngeren machen lässt, selbst wenn ihm dessen Ansatz zu weit geht. Eine solche Lösungssuche braucht von beiden Seiten Toleranz und Vertrauen», beschreibt Wittmann eine optimale Zusammenarbeit zwischen den Generationen. «Allerdings», erzählt der heute 42-Jährige, «spüre ich nun selber, wie schwierig dieses Machenlassen ist. Seit jüngere Kollegen mit ihren Ideen an mich herantreten, die mir etwas zu weit gehen, merke ich, dass mir wohl noch die gewisse Altersgelassenheit fehlt.» Doch, sagt Wittmann lachend, er sei im Lernprozess.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
Weitere Artikel von Marianne Rupp