HR global

Andere Länder, 
andere Bewerbungssitten

Kenntnisse über die lokalen Eigenheiten sind bei internationalen Rekrutierungen 
ein absolutes Must. Denn: Sind diese nicht vorhanden, kommt es häufig zu Fehleinstellungen 
und unbegründeten Absagen.

Die internationale Personalsuche beginnt mit einem Set-up des Employer Branding. Denn die Botschaft des Arbeitgebers muss beim potenziellen Mitarbeiter ankommen und verstanden werden. «Was schon national eine grosse Herausforderung ist, wird bei Unternehmen, die international aktiv sind, noch potenziert», sagt Tim Riedel, Geschäftsführer der Interpool Personal in Berlin. Das Unternehmen rekrutiert im Kundenauftrag Kandidaten in über 30 Ländern. Gerade Unternehmen, die Personal für die eigenen Niederlassungen im Ausland suchen, müssen sich ganz besonders mit den landesspezifischen Eigenheiten auskennen.

Die Rahmenbedingungen der Niederlassungen seien zum einen in puncto Geschichte, Grösse, Funktion, Bekanntheit und der daraus erwachsenden Unternehmenskultur oft grundlegend verschieden vom Stammhaus, so Riedel. Zum anderen agierten diese Niederlassungen in kulturell anders strukturierten Räumen, in denen sowohl das Unternehmen als Arbeitgeber als auch die potenziellen Bewerber und Mitarbeiter nach ganz anderen Werten und Bewertungsmustern funktionieren. «Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob und wie sich über verschiedene weltweite Standorte eine international stimmige Employer-Branding-Strategie konzipieren und umsetzen lässt, alles andere als trivial.»

Doch nicht nur beim Employer Branding sind kulturelle Kenntnisse Voraussetzung. Riedel rät je nach Rekrutierungsland, die eigenen Bewertungsraster und Fragetechniken zu überdenken. «Eigene Prägungen über gutes und schlechtes (Antwort-)Verhalten können beim Gegenüber ganz anders besetzt sein.» Das gelte in Bezug auf Planung, Spontaneität, Hierarchie, Teamspirit genauso wie für Körpersprache, Gestik, Mimik und Blickkontakt. Es führe kein Weg daran vorbei, den Rekrutierungsprozess länderspezifisch anzupassen, denn nicht zuletzt sei die unterschiedliche Bedeutung bestimmter formaler Ausbildungsprofile oder der Anspruch an die Gestaltung von Lebensläufen nicht unbeachtlich.

Jobwechsel alle zwei Jahre gehört in England zum guten Ton

In manchen Ländern wird grosser Wert auf Formalitäten gelegt, während man in anderen eher informell vorgehen sollte. Ohne diese Kenntnis über die lokalen Eigenheiten und Befindlichkeiten kommt es schnell zu Fehleinstellungen und unbegründeten Absagen. Interkulturelle Kompetenz ist deshalb heute eine zentrale Anforderung an die Personalabteilung eines international rekrutierenden Unternehmens, sagt Marc Lutz, Managing Director von Hays Schweiz. In Japan würden Jobwechsel sehr kritisch gesehen, denn der Mitarbeiter hat eine hohe Bindung zum Unternehmen. Demgegenüber gehöre es in England beinahe zum guten Ton, nach zwei Jahren den Job zu wechseln.

Der Anteil der von Hays vermittelten ausländischen Fach- und Führungskräfte liegt in der Schweiz zwischen 25 und 50 Prozent. Der weltweit tätige Personaldienstleister hat bereits im Jahr 2008 eine Umfrage* bei seinen Klienten durchgeführt und festgestellt, dass der Bedarf an Unterstützung in der internationalen Rekrutierung signifikant zunimmt. «Die internationale Personalbeschaffung läuft in vielen Unternehmen jedoch noch zu wenig gesteuert und eher ad hoc», meint Lutz. Bei der Mehrheit fehle es an einer klaren Strategie für die internationale Rekrutierung. Eine erfolgreiche und unternehmerisch wirksame internationale Rekrutierung setze jedoch Konzepte voraus, welche die entsprechenden Länder und Instrumente definieren. «Dazu gehört eine effiziente Kooperation zwischen den Fachabteilungen und dem Personalwesen, damit die bereichsspezifischen Rekrutierungskonzepte gemeinsam abgestimmt werden können.»

Andreas Ziegler vom europäischen Online-Vermittler-Marktplatz Talentory.com aus Zürich beobachtet Unterschiede im zeitlichen Ablauf des Rekrutierungsprozesses. Tempo, Tempo, scheint das Gebot der Stunde. Während die Schweizer sich für die Personalauswahl allerdings sehr viel Zeit liessen, gehe in Deutschland alles viel zackiger. «Wer also an einem deutschen Kandidaten interessiert ist, sollte schnell zu einer Entscheidung kommen, sonst ist der weg», erklärt Ziegler. «Zudem liefern deutsche Personalberater oft schneller gute Kandidaten für unsere Mandate von Schweizer Unternehmen.» Für eine Social-Media-Suche über den deutschsprachigen Raum hinaus empfiehlt Ziegler neben XING die Plattformen Twitter oder LinkedIn oder eben Talentory, welche über ein Netzwerk von 720 Personalberatern quer durch Europa die Social-Media-Suche multipliziert. Umgekehrt machen sich aber auch die Kandidaten vermehrt online ein Bild über den möglichen Arbeitgeber.

Videokonferenzen ersetzen nicht das persönliche Kennenlernen

«Für manche Kandidaten kommt ein Unternehmen, das nicht in Facebook präsent ist, überhaupt nicht mehr in Frage, da kann es noch so gute Konditionen anbieten», weiss Stefan Hürlimann, Personal- und Organisationsentwickler von Changetraining in Zürich. Gerade aber bei diesem Thema trifft Hürlimann im HR der Unternehmen noch auf sehr grosse Zurückhaltung, was seiner Meinung nach gerade im Hinblick auf die wachsende Globalisierung ein Fehler ist. «Der Recruiter wird in Zukunft 75 Prozent der Stellen über persönliche oder digitale Netzwerke besetzen. Ein grosser Teil hiervon sicher grenzüberschreitend», so seine Prognose. Dadurch werde der Rekrutierungsprozess umfassender und komplexer denn je und stelle hohe Anforderungen speziell an das HR. «Und das HR tut gut daran, sich mit Offenheit und Weiterbildung vor allem im Bereich interkultureller Kompetenzen darauf einzustellen.»

Knackpunkt seien in vielen Firmen die höheren 
Kosten der internationalen Rekrutierung. Video- und Telefonkonferenzen können ein persönliches Kennenlernen nicht ersetzen. «Kandidaten, gerade für Schlüsselpositionen, mehr als einmal vom Ausland anreisen zu lassen, ist nun mal teuer.» Eine weitere Hürde bei der Anwerbung von Personal aus dem Ausland sei, dass die Familie des Kandidaten oft nicht einbezogen werde. Er hat erlebt, dass ein Kandidat drei Wochen vor Arbeitsbeginn absagte, weil seine Frau einen Rückzieher gemacht hatte. «So etwas darf natürlich nicht passieren, kommt aber immer wieder vor.» Es sei ratsam, die Ehepartner frühzeitig in die Gespräche einzubeziehen und die Kulturen aufeinander vorzubereiten. «Passiert das nicht, kann das schnell zum Bumerang werden und die Fluktuation erhöhen», so Hürlimann.

Den Lebenslauf besser mit oder ohne Foto?

Auch bei der Swiss Re werden die Mitarbeiter aus dem Ausland nicht sich selbst überlassen. «Ob die spätere Zusammenarbeit erfolgreich verläuft, hängt massgeblich davon ab, dass der Rekrutierungsprozess und das Onboarding beim Kandidaten einen durchweg positiven Eindruck hinterlassen», erklärt Martin Geissmann, Global Head Recruiting. Die Swiss Re biete bei Bedarf das ganze Relocation-Paket an, inklusive Unterstützung bei der Schulwahl und Behördenformalitäten.

Die Komplexität der Administration, auch durch die verschiedenen Einreise- und Bewilligungsbestimmungen, habe durch die internationale Rekrutierung zugenommen, gehöre aber bei der Swiss Re längst zum Alltag. Der lokale Arbeitsmarkt hat laut Geissmann zwar eine sehr hoch ausgebildete Workforce, ist aber auf allen Stufen ein sehr beschränktes Gut geworden. Daher ist die Swiss Re schon seit Jahren in der Rekrutierung länderübergreifend vernetzt, um globale Talentpools zu nutzen. Hierzu gehören auch Kenntnisse der länderspezifischen Merkmale. Ein Beispiel: In manchen Ländern ist ein Foto im CV sehr gerne gesehen, in anderen ein absolutes No-Go. Auch Referenzauskünfte können unter Umständen heikel sein, weiss man nicht, wie es in dem jeweiligen Land gehandhabt wird.

Die Swiss Re fördert den Austausch von Mitarbeitern über Grenzen hinweg im Rahmen von Country Transfers. «Nicht nur aus der Not heraus, sondern als bewusster Schritt», betont Geissmann, der auch in der Recruiting Organisation selber auf multikulturelle Teams setzt. Das Rekrutierungsland sei bei der Personalauswahl sekundär. Es gehe darum, für die Position die Besten zu motivieren und den Diversity-Aspekt in der Rekrutierung zu pflegen. «Wenn Fachkompetenz, Profil, Motivation und Persönlichkeit stimmen, ist es egal, woher der Kandidat kommt.»

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Für die Studie «Internationale Rekrutierung – Realität oder Rhetorik» beauftragte die Hays AG das Institut für Beschäftigung und Employability (lBE) an der Fachhochschule Ludwigshafen. An der Umfrage nahmen gut 300 Entscheider aus Unternehmen verschiedener Branchen und Grössen im deutschsprachigen Raum teil, davon 32 Firmen aus der Schweiz. Fast die Hälfte der befragten Unternehmen beschäftigt mehr als 5000 Mitarbeitende. Gut 65 Prozent rechnet das IBE den Grossunternehmen (über 1000 Beschäftigte) zu, die übrigen 35 Prozent machen den Klein-und Mittelstand aus.

Stark globalisierte Schweiz

Laut dem Globalisierungsindex der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich gehört die Schweiz zu den 15 am stärksten globalisierten Ländern und liegt auf Platz 5, hinter Belgien, Österreich, den Niederlanden und Schweden. Bis zum Jahr 2000 ist der KOF-Globalisierungsindex für die Schweiz kontinuierlich angestiegen. In den folgenden Jahren stagnierte er. Im Jahr 2003 sank er leicht und seitdem bewegt er sich seitwärts. Im Ranking der Länder befindet sich die Schweiz immer unter den ersten sechs der am stärksten globalisierten Länder. Der KOF-Globalisierungsindex misst die wirtschaftliche, soziale und politische Dimension der Globalisierung.
http://www.kof.ethz.ch/de/indikatoren/globalisierungsindex/

«Chinas Arbeitsmarkt ist extrem schnelllebig und flexibel»

Julia Richter ist als HR Business Partner bei Lufthansa Airplus Servicekarten GmbH verantwortlich für China.

Frau Richter, Sie haben in den vergangenen drei Jahren 27 Mitarbeiter für Lufthansa Airplus in China rekrutiert. Welche Besonderheiten sind Ihnen aufgefallen?

Julia Richter: Der Arbeitsmarkt ist extrem schnelllebig und flexibel. Ohne vor Ort zu sein, kann man nicht auf die Erwartungen und Fragen der Kandidaten reagieren. Man würde das Risiko eingehen, dass sie dann wieder abspringen. Man findet dort sehr anspruchsvolle Kandidaten, die eine hohe Wechselbereitschaft haben. Immer wieder trifft man Kandidaten, die ohne einen neuen Job einfach gekündigt haben, weil sie sich verändern wollten. Anforderungen an Gehalt, aber auch Weiterentwicklungsmöglichkeiten, Internationalität, Auslandsaufenthalte im Rahmen des Jobs sind hoch. Die Leistungsbereitschaft ebenfalls.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Ich kenne die chinesische Kultur und Mentalität ganz gut, da ich zwei Jahre in China studiert und gearbeitet habe. Aufgrund des dort stark wachsenden Geschäfts von Lufthansa Airplus war ich bereits vorher jährlich mehrmals vor Ort, um Mitarbeiter zu rekrutieren. Auch durch gute Kontakte zu dortigen Personalberatern bekam ich ein realistisches Bild, wie man vor Ort am besten agiert. Im Spätsommer 2010 standen wir dann vor der Situation, dass 14 Vakanzen insbesondere im Bereich Sales schnellstmöglich zu besetzen waren. Ich verbrachte drei  Monate in China, um mit der dortigen General-Managerin zügig rekrutieren zu können.

Haben Sie die künftigen Mitarbeiter in Englisch oder in der Landessprache angesprochen?

Ich habe die Interviews auf Englisch geführt, da fliessende Englischkenntnisse ein Muss-Kriterium für eine Mitarbeit bei Airplus sind. Zusätzlich gibt es aber mit jedem Kandidaten ein ausführliches Interview in der Landessprache. Dies führt die General Managerin persönlich, um ein Gespür zu bekommen, ob die Bewerber ins lokale Team passen und den hohen Anforderungen, die sich aus dem lokalen Geschäft und der internationalen Umgebung ergeben, gerecht werden können.

Haben Sie das Employer Branding an chinesische Verhältnisse angepasst?

Wichtige Faktoren des Employer Branding von Lufthansa Airplus sind Internationalität, flache Hierarchien, gute Entwicklungsmöglichkeiten. Das muss nicht gross angepasst werden. Besonders transparent sind wir aber gerade in China immer mit dem Argument, dass die Hierarchien im Unternehmen flach sind. Man trifft oft auf Bewerber, die noch keine 30 Jahre sind, aber bereits Abteilungen von 10 bis 20 Mitarbeitern geleitet haben.

Wie sieht die Bilanz aus?

Insgesamt ist die intensive Rekrutierungsphase viel besser gelaufen, als ich es erwartet hätte. 14 Vakanzen in 3 Monaten in einem fremden Land zu besetzen, vor dem Hintergrund, dass jede Stellenbesetzung ja eine strategische Relevanz für das Unternehmen hat, das bedeutet eine Herausforderung. Wir konnten ausgezeichnete Mitarbeiter einstellen, die sich gut ins Unternehmen eingefügt haben. Die Fluktuation in China ist allgemein hoch, das ist ein Fakt und ein Umstand, auf den wir mit einem schnellen Rekrutierungsprozess reagieren.

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