Arbeitgeber hätte Ersatzstelle anbieten müssen – Kündigung missbräuchlich
Urteil des Bundesgerichts vom 19. Februar 2014 (4A_2/ 2014).
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Das Urteil
Der Kläger arbeitete seit Oktober 1996 in der Filiale der Beklagten in Vich in der Bäckerei-Abteilung. Knapp ein Jahr später wechselte er in die Fischabteilung. Im August 2000 wurde er dann zum Chef der Fischabteilung im Laden in Signy befördert. Aufgrund gesundheitlicher Probleme gab er 2011 seine Cheffunktion wieder ab, blieb aber weiter als Mitarbeiter dort beschäftigt. Die Beklagte schlug vor, dass er in Signy in einer anderen Abteilung weiterbeschäftigt werde oder dass er in die Fischabteilung einer anderen Niederlassung wechsle. Der Kläger zog es vor, in die Fischabteilung eines anderen Geschäfts versetzt zu werden und die Beklagte bot ihm daraufhin ab Oktober 2011 eine Stelle an seinem früheren Arbeitsort in der Fischabteilung in Vich an.
Die Stelle dort hat er allerdings infolge langer Krankheit gar nie angetreten. Die Krankentaggeldversicherung veranlasste schliesslich eine Expertise durch einen Psychiater. Dieser kam zum Schluss, dass der Kläger an einer Depression mit psychotischen Symptomen und Angstzuständen leide und an seinem früheren und jetzigen Arbeitsplatz in Signy beziehungsweise Vich zu 100 Prozent arbeitsunfähig sei. In einer anderen Filiale könne er aber durchaus arbeiten. Damit wurde eine typische arbeitsplatzbedingte Arbeitsunfähigkeit testiert.
Im März 2011 wurde der Beklagten vom behandelnden Psychiater wie auch vom Kläger selbst mitgeteilt, dass er seine Arbeit in einer anderen Niederlassung wieder aufnehmen könne. Doch die Beklagte bot dem Kläger keine neue Stelle an, sondern kündigte das Arbeitsverhältnis auf Ende Juli 2012. Daraufhin reichte der Kläger gegen seine ehemalige Arbeitgeberin Klage wegen missbräuchlicher Kündigung ein.
Das Arbeitsgericht wies seine Klage ab. Es vertrat die Ansicht, dass es erlaubt sei, dass der Arbeitgeber nach Ablauf der Sperrfrist das Arbeitsverhältnis kündige und dass die Arbeitgeberin in dieser Situation keine Pflicht treffe, ihm eine Ersatzstelle anzubieten. Dagegen legte der Kläger erfolgreich Berufung ein. Das Kantonsgericht Waadt entschied, dass die Arbeitgeberin in diesem Fall Massnahmen zum Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers hätte treffen müssen, und dass die Kündigung deshalb missbräuchlich erfolgt sei. Gegen diesen Entscheid ergriff die Beklagte Beschwerde an das Bundesgericht. Aber auch das Bundesgericht schützte diesen Entscheid und hielt fest, dass die Arbeitgeberin das psychische Leiden des Arbeitnehmers nicht genügend berücksichtigt habe und zuerst hätte prüfen müssen, ob die Versetzung in eine andere Filiale in Frage gekommen wäre, bevor sie den Vertrag hätte kündigen dürfen. Entsprechend wurde die Beschwerde der Arbeitgeberin abgewiesen.
Konsequenz für die Praxis
Der Umgang mit arbeitsplatzbedingter Arbeitsunfähigkeit ist in der Regel heikel. Es können sich verschiedene Fragen mit Bezug auf Sperrfristen, Lohnfortzahlung, Krankentaggeld, Schuld etc. stellen. Nach diesem Entscheid ist nun auch bei der Kündigung besondere Vorsicht geboten. Gerade in einem grösseren Betrieb oder Konzern sollte deshalb unbedingt die Möglichkeit geprüft werden, dem Betroffenen eine Ersatzstelle anzubieten.