HR Today Nr. 4/2017: Fokus Forschung

Arbeitsplatzunsicherheit: Erosion der Mitarbeitermoral?

Kann Arbeitsplatzunsicherheit zu Fehlverhalten oder zur Kündigungsabsicht von Mitarbeitenden führen? Ein Forscherteam der Baptist University in Hongkong führte zur Untersuchung dieser Frage zwei zeitversetzte Studien durch.

Anhaltende wirtschaftliche Schwierigkeiten in vielen Regionen der Welt und tiefgreifende Veränderungen der Arbeitsplätze in den vergangenen Jahrzehnten haben die Arbeitsplatzunsicherheit deutlich erhöht. Aus der Forschung weiss man, dass Mitarbeitende, die ihren Arbeitsplatz als weniger gesichert wahrnehmen, unmotivierter sind und weniger zum Firmenwohl beitragen. Kann diese Arbeitsplatzunsicherheit gar zu Fehlverhalten oder zur Kündigungsabsicht von Mitarbeitenden führen?

Guo-Hua Huang und weitere Forscher von der Baptist University in Hongkong führten zwischen 2012 und 2015 zur Untersuchung dieser Frage zwei zeitversetzte Studien mit insgesamt 687 Mitarbeitenden privater und staatlicher Firmen in China durch, die zuvor behördlichen Reformen unterworfen waren. Die damit verbundenen Veränderungen der Arbeitsplätze sowie das generell hohe Arbeitskräfteangebot in China begünstigten die wahrgenommene Arbeitsplatzunsicherheit. Die Forscher befragten die Mitarbeitenden pro Studie jeweils zu drei Zeitpunkten mit einem respektive zwei Monaten Abstand. Hierzu nutzten sie bereits erprobte Fragebögen zu den untersuchten Konstrukten (Arbeitsplatzunsicherheit, Fehlverhalten und anderes).

Huang und seine Kollegen stellten fest, dass eine als höher wahrgenommene Arbeitsplatzunsicherheit das Fehlverhalten am Arbeitsplatz begünstigen und die Kündigungsabsicht erhöhen kann. Dabei spielt ein moralischer Mechanismus eine wichtige Rolle: Die Mitarbeitenden entwickeln eigene Denklogiken, welche die kognitiven Unstimmigkeiten reduzieren, die sonst durch Fehlverhalten und Kündigungsabsichten entstehen würden. Dadurch stellen diese eher unmoralischen Verhalten für die Mitarbeiter eine gerechtfertigte Form der Vergeltung für die erfahrene Arbeitsplatzunsicherheit dar. Diese Effekte waren bei Mitarbeitenden noch stärker, die entweder über Jobalternativen verfügten oder mit ihrem Vorgesetzten einen schwachen Austausch pflegten.

Aus den Studienergebnissen lässt sich schliessen, dass Firmen, die daran interessiert sind, Fehlverhalten und Kündigungen zu reduzieren, Massnahmen ergreifen sollten, um die Wahrnehmung von Arbeitsplatzunsicherheit unter Mitarbeitenden zu verringern. Um den negativen Effekt weiter abzuschwächen, empfehlen die Forscher zudem die klare Kommunikation der Herausforderungen, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist, die Förderung der Entwicklung starker Austauschbeziehungen zwischen Mitarbeitenden und ihren unmittelbaren Vorgesetzten sowie die Beteiligung des Personals an Entscheidungsprozessen. Ferner sollten Arbeitgeber mit geeigneten Massnahmen versuchen, von ihren Mitarbeitenden als bessere Alternative gegenüber der Konkurrenz gesehen zu werden.

Quelle:

Huang, G.-H., Wellman, N., Ashford, S. J., Lee, C., & Wang, L. (2017). Deviance and exit: The organizational costs of job insecurity and moral disengagement. Journal of Applied Psychology, 102(1), 26–42.

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Andreas Schmid ist wissenschaftlicher Assistent und Doktorand am Lehrstuhl Human Resource Management, Universität Zürich.

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