Aus den Augen, aus dem Sinn?
Nur wenige Firmen bleiben systematisch mit ihren ehemaligen Mitarbeitenden in Kontakt. Dabei birgt gerade diese Zielgruppe grosses Potenzial, Vakanzen effizient zu besetzen und von der Erfahrung erprobter Fachkräfte zu profitieren. Wir haben uns mit drei Unternehmen über ihre Alumni-Aktivitäten unterhalten.
Drei Unternehmen über ihre Alumni-Aktivitäten. (Bild: iStockphoto)
Elke Kirsch, HR Business-Partner bei SAP, sieht verschiedene Vorteile darin, mit ehemaligen Mitarbeitenden einen guten Kontakt zu pflegen. «Es kommt schon mal vor, dass wir bei einer Kundenpräsentation einem früheren Mitarbeitenden gegenübersitzen.» Nebst potenziellen Kundenvermittlern sind ehemalige SAP-Mitarbeitende für Kirsch aber auch wertvolle Innovationstreiber: Etwa, wenn sie mit mehr Berufserfahrung ins Unternehmen zurückkehren und Feedback zu Neuentwicklungen geben.
Während für Elke Kirsch bei der Kontaktpflege mit Ehemaligen der Businessgedanke stark im Vordergrund steht, hofft Sarah Dovlo, Head of HR Marketing Europa und Schweiz bei ABB, mit dem Alumni-Netzwerk schneller offene Stellen besetzen zu können. Indem Ehemalige ausgeschriebene Positionen in ihren Netzwerken teilen, weiterempfehlen oder sich selbst für eine Rückkehr zu ABB entschliessen.
Ehemlige als Fürsprecher
Beim Institut für Angewandte Psychologie hat der Austausch mit Ehemaligen dagegen den willkommenen Effekt, dass «wir mit ihnen personelle Engpässe überbrücken können», sagt Institutsleiter Christoph Negri. So dozieren Ehemalige am Institut der Hochschule, vertreten Dozenten in den Ferien oder helfen in Spitzenzeiten bei der Kursadministration aus.
Ehemalige sind aber nicht nur Aushilfen, Vermittler, Rückkehrer und Innovationstreiber, sondern haben auch eine Sprachrohrfunktion und beeinflussen damit den Employer Brand. Das beginnt für Elke Kirsch schon im Kleinen. Zum Beispiel, wenn jemand beim neuen Arbeitgeber über seine Erfahrungen berichtet, die er bei SAP gesammelt hat. Dabei seien die grössten SAP-Fürsprecher oft «hoch qualifizierte Mitarbeitende, die wir nicht gerne gehen liessen».
«Wir bleiben mit unseren Ehemaligen hauptsächlich im persönlichen Austausch und eher informell in Kontakt», erklärt IAP-Leiter Christoph Negri die Netzwerkstrategie seines Instituts. Ein traditionelles Alumni-Programm bestehe nur auf Kundenseite zu ehemaligen Weiterbildungsteilnehmern, so Christoph Negri. Einen Kundenpool, den das IAP allerdings auch erfolgreich zur Stellenbesetzung nutzt. Trotz des informellen Charakters des IAP-Alumni-Netzwerks verliert die Institutsleitung ihre Ehemaligen nicht aus den Augen, denn: «Wir sind über die sozialen Medien alle miteinander vernetzt.» Bei etwa sechzig Dozenten und Beratern, dreissig Administrationsmitarbeitenden, ein bis zwei Lehrlingen und sechs bis acht Praktikanten kenne man sich und wisse, was man aneinander habe. So könne man auch abschätzen, wer sich für welche Rolle und Funktion eigne. Eine koordinierte Kontaktaufnahme innerhalb des Instituts gäbe es nicht. Die Fachbereichsleiter, etwa bei der Abteilung Management und Diagnostik, handeln weitgehend autonom, laden ehemalige Praktikanten, Lehrlinge und Mitarbeitende zu Weihnachtsessen und Ausflügen ein, sprechen mit Austretenden über eine mögliche weitere Zusammenarbeit und pflegen den Austausch zu ihren pensionierten Kollegen.
Alumni-Clubs für VIP?
Während das IAP seit Jahren auf eine unstrukturierte Kontaktpflege setzt, existiert bei ABB seit 2015 ein Alumni-Club, zu dem allerdings nur jene Mitarbeitende Zutritt haben, die zuvor von ihren ehemaligen Vorgesetzten und HR-Businesspartnern dafür nominiert wurden. Auch Praktikanten können sich für eine Clubmitgliedschaft qualifizieren: beim ABB Alumni Juniors Club. Jedoch nur, wenn sie zu den besten zehn Prozent ihres Jahrgangs gehören und sich mit einem Video-Interview um eine Mitgliedschaft bemüht haben. Ob Praktikant oder Mitarbeiter: Wer die Eintrittshürden überwunden hat, profitiert vom Austausch unter Ehemaligen und wird jedes Jahr zu einem ABB-Event eingeladen.
Auch SAP hat seit Anfang 2016 ein Alumni-Netzwerk. Dieses steht jedoch allen Mitarbeitenden offen: «Wir halten die Zutrittsschranken bewusst niedrig, um allen Ehemaligen die Möglichkeit zum Austausch zu geben», sagt Elke Kirsch. Die Einladung zum SAP-Alumni-Netzwerk erfolge unabhängig von der früheren Rolle im Unternehmen. Einschränkungen im SAP-Netzwerk gibt es allerdings in den Foren des virtuellen SAP-Netzwerks, wo Berechtigungen bestimmen, wer etwas veröffentlichen kann. Obwohl die AlumniPlattform erst seit kurzer Zeit bestehe, sei das Feedback der Mitarbeitenden bisher «durchaus positiv». Künftig geplant sind zielgruppenspezifische Events, wie etwa für ehemalige Business-Development-Mitarbeitende oder Webinare, in denen SAP neue Produkte oder Best Practice Business Cases vorstellt.
Netzwerk als Selbstzweck?
Damit ein Netzwerk auch wirklich lebt, dafür haben IAP, SAP und ABB unterschiedliche Erfolgsfaktoren ausgemacht: Während für Christoph Negri das Zwischenmenschliche und die gegenseitige Wertschätzung entscheidend sind, sieht Elke Kirsch den springenden Punkt darin, «dass man sich überlegt haben muss, was man mit einem Ehemaligen-Netzwerk überhaupt anfangen will». Von welchen Benefits sollen die Mitglieder profitieren? Wie macht man das Netzwerk intern bekannt? Und wie gelangt man an gültige E-Mail-Adressen von Mitarbeitenden, die das Unternehmen bereits verlassen haben?
Für Sarah Dovlo sind es nebst der Verbundenheit zum ehemaligen Arbeitgeber speziell die Mitarbeiter-Events, die Ehemalige dazu bewegen, sich auf der ABB-Alumni-Plattform zu registrieren. Generell sei die Bewirtschaftung eines Alumni-Netzwerkes aber «eine Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig Aktivitäten», gibt sie zu bedenken.