Fabian Schnell
Jedes Kind kennt das Märchen vom Schlaraffenland. Eine fiktive Zauberwelt, in der niemand irgendeinen Mangel erleidet. Was sich die Einwohner des Schlaraffenlandes herbeiwünschen, bekommen sie ohne weiteres Zutun, wie von Zauberhand. Die Versprechen der Initianten für ein «bedingungsloses Grundeinkommen» tönen ähnlich. Nicht nur soll sich jeder Mensch einer gesicherten Existenz erfreuen und entsprechend seinen Bedürfnissen selbst verwirklichen können. Auch das System von staatlichen Versicherungen und Umverteilungen soll vereinfacht, ja sogar günstiger werden.
Das Paradies auf Erden also? Leider nicht. Im Gegensatz zum Schlaraffenland entsteht in der Realität nichts von Zauberhand. Mehr noch, das Zusammenleben in unserer Gesellschaft basiert auf der impliziten Voraussetzung, dass jeder Mensch nach Möglichkeit für sein Leben selbst aufkommt und damit einen Beitrag an den Wohlstand des Landes leistet. Eine staatliche Unterstützung folgt dem Gedanken der Solidarität und kommt folglich erst nachgelagert zur Anwendung.
Mit dem geforderten bedingungslosen Grundeinkommen wird die gesamte Bevölkerung auf einen Schlag zum Bittsteller des Staates. Eigenverantwortung und Solidarität würden ausgehebelt, die Unabhängigkeit des Einzelnen faktisch untergraben. Über die volkswirtschaftlichen Kosten dieses Experiments kann nur spekuliert werden. Fest steht, dass die potentiellen Einsparungen wesentlich kleiner wären, als sich die Initianten erhoffen. In vielen Fällen übersteigen die heutigen individuellen Sozialleistungen das Grundeinkommen deutlich und müssten deshalb weiterhin ausgerichtet werden.
Unter dem Strich bliebe, grob geschätzt, ein Finanzierungsbedarf von rund 140 Milliarden Schweizer Franken. Oder mit anderen Worten: rund ein Viertel der jährlichen Schweizer Wirtschaftsleistung. Dieser Betrag müsste zusätzlich umverteilt werden. Wie die Finanzierung geregelt wird, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Würde man die Mehrwertsteuer als Finanzierungsquelle heranziehen, so müsste deren Satz auf bis zu 60 Prozent angehoben werden. Ob dies überhaupt genügen würde, ist unklar. Das Lohn- und Preisgefüge würde wohl so stark durchgeschüttelt, dass zusätzliche Einnahmequellen nötig wären. Bei einer Finanzierung über die Mehrwertsteuer auch deshalb, weil damit einhergehende Preiserhöhungen auch eine Erhöhung des Grundeinkommens selbst nötig machten.
Natürlich würde auch – und dies ist von den Initianten bewusst gewollt – der Arbeitsmarkt auf den Kopf gestellt. Wer wofür und zu welchem Lohn und wie viele Stunden pro Woche überhaupt noch arbeitet, stünde in den Sternen. Sicher ist nur, dass die Schweiz nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. Der daraus resultierende Wohlstandsverlust wäre enorm. Schon im Märchen vom Schlaraffenland kommt der Hauptprotagonist im Verlauf der Geschichte irgendwann zur Erkenntnis, dass er einer Illusion des schönen Lebens aufgesessen ist. Er sucht in der Folge das Weite. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ginge es uns wohl ähnlich.