Best Case Energie Romande: Unter Strom
Das Westschweizer Energieversorgungsunternehmen Romande Energie investiert traditionellerweise viel in die Sicherheit und Gesundheit ihrer rund 700 Mitarbeitenden. Um die gesundheitsfördernden Bemühungen auch auf dem Gebiet der psychosozialen Risiken weiter zu verstärken, hat sich das Unternehmen mit dem S-Tool der Gesundheitsförderung Schweiz auf Herz und Nieren prüfen lassen.
Im Tandem: Jean-Georges Walter und Christian Bieri sind bei Romande Energie für das Gesundheitsmanagement verantwortlich. (Foto: Jeroen Singer)
Die Sonne und der wolkenlose Himmel spiegeln sich im Glasbau des Hauptsitzes von Romande Energie in Morges. Jean-Georges Walter, der im sechsköpfigen HR-Team für das operative Personalmanagement verantwortlich ist, führt uns blendend gelaunt ins Büro seines Vorgesetzten HR-Direktor Jean-Daniel Habegger mit Blick über die gepflegte Uferpromenade von Morges und den Genfersee bis hin zu den französischen Alpen. Mit am Tisch sitzt Christian Bieri, der beim grössten Westschweizer Energieunternehmen für die Gesundheit und Arbeitssicherheit verantwortlich zeichnet.
Absenzen als Stressindikator
«In unserem Business können Fehler am Arbeitsplatz schwere Folgen haben», erklärt Jean-Georges Walter, der sich vor seiner HR-Karriere bei Romande Energie als Ingenieur um den Schutz der Hochspannungsnetze kümmerte. «Das entsprechend hohe Sicherheitsbewusstsein ist Teil unserer Unternehmenskultur und bietet eine gute Basis, um auch auf dem Gebiet der psychosozialen Risiken gesundheitsfördernde Massnahmen zu etablieren», ergänzt Christian Bieri, der sich seit 2006 mit diversen Präventionskampagnen um die Sicherheits- und Gesundheitsthematik kümmert, die von Sport-Förderungsmassnahmen über Diätberatungen bis hin zu Rauchstoppaktionen reichen. «Ausserdem pflegen wir eine Unternehmens-kultur, die auch ausserhalb des Jobs mit sportlichen und kulturellen Aktivitäten hierarchie- und abteilungsübergreifend den Austausch und Zusammenhalt fördert», sagt Jean-Georges Walter. «Es geht uns jedoch nicht nur um Gesundheitsförderung im physischen und ergonomischen Sinn, sondern auch um Fragen des Wohlbefindens ganz allgemein», betont HR-Direktor Jean-Daniel Habegger. Und dies nicht zum Selbstzweck: «Wir erhoffen uns von den ausserberuflichen Aktivitäten sicher auch Effekte für die Konfliktlösungskultur und damit indirekt auch eine Senkung der Absenzquote.»
Ob die BGM-Massnahmen, auch abgesehen von der Absenzentwicklung, wirklich greifen und über alle Hierarchie- und Funktionsstufen hinweg gelebt werden, wird bei Romande Energie regelmässig mit Mitarbeiterumfragen überprüft: «Wir haben festgestellt, dass jene Abteilungen, die in Mitarbeiterbefragungen die höchsten Zufriedenheitswerte aufweisen, auch die tiefsten Absenzquoten haben», erklärt Jean-Georges Walter. «Da gibt es eine Korrelation.
Absenzen haben nicht immer nur individuelle gesundheitliche Ursachen, sondern sehr oft auch eine soziale Dimension, die mit den Arbeitsbedingungen und der Atmosphäre im Team und mit den Vorgesetzten zu tun hat.» Ein Blick auf die interne Statistik mit ständig sinkenden Absenzenzahlen während den letzten zehn Jahren, zeigt dabei eine durchaus ermutigende Tendenz.
Mit «S-Tool» Stresslevel messen
Für die BGM-Verantwortlichen von Romande Energie jedoch kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen: «Wir hatten in den letzten Jahren mehrere Erschöpfungsfälle – und zwar auf allen Hierarchiestufen. In Anbetracht der neuen Herausforderungen, die auf uns im Energiemarkt zukommen, haben wir beschlossen, den Stresslevel in unserem Unternehmen zu messen und uns dabei als Werkzeug für das S-Tool der Gesundheitsförderung Schweiz entschieden», erklärt Jean-Georges Walter. «Der Stress hat eine psychosoziale Dimension, die wir mit der S-Tool-Umfrage ebenfalls analysieren konnten. Das S-Tool erlaubt es uns nun auch, die verschiedenen Faktoren zu untersuchen: Etwa changebedingter Stress verbunden mit einem Gefühl der Arbeitsplatzunsicherheit oder Überbelastung.»
Der fundamentale Umbruch in der Energiewirtschaft geht auch an Romande Energie nicht spurlos vorbei. So ist das Unternehmen – welches sich im Mehrheitsbesitz des Kantons Waadt und der Waadtländer Gemeinden befindet und wie alle staatlichen Stromgesellschaften lange Jahre in einem geschützten Umfeld operieren konnte – heute durch die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes mit grösserer Konkurrenz und veränderten Kundenansprüchen konfrontiert. Die neuen Umstände zwingen zur ständigen Anpassung der Prozesse, um wettbewerbsfähig zu bleiben, was wiederum zunehmend neue Kompetenzen und Profile erfordert. Diese Faktoren können einen Einfluss auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden haben, deren Durchschnittsalter bei Romande Energie bei 48 Jahren liegt. «Das S-Tool erlaubt es uns nun, den Stresslevel und die Lebensqualität am Arbeitsplatz zu messen. Damit lassen sich auch die Auswirkungen von Veränderungsprozessen in unserem Unternehmen besser erkennen und zwar heruntergebrochen auf die einzelnen Geschäftseinheiten», erklärt Christian Bieri.
Nun ist Jean-Georges Walter am Zug: «Nachdem wir die Resultate der Mitarbeiterbefragung der Direktion präsentiert haben, treffe ich jetzt jeden einzelnen Direktor und gehe mit ihm die Detailresultate seiner Business-Einheit durch.» Dabei sollen insbesondere die kritischen Themenfelder beleuchtet werden, die im S-Tool orange markiert werden. Das S-Tool visualisiert die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs auf einer Skala von 1 bis 100 mit den Farben Grün, Orange und Rot. Wobei der orange Bereich bei 60 von 100 Punkten einsetzt, während es ab 90 Punkten es in den roten Bereich kippt.
«Die kritischen Handlungsfelder variieren innerhalb unseres Unternehmens von Einheit zu Einheit», erklärt Walter. «Wenn man übereinkommt, dass auf einem Gebiet besonderer Handlungsbedarf besteht, haben wir die Möglichkeit auf externe Berater der Gesundheitsförderung Schweiz zurückzugreifen. Diese führen dann mit der Belegschaft spezifische Workshops durch.» Dabei besteht der Ansatz darin, bottom-up mit den betroffenen Mitarbeitern Verbesserungslösungsansätze zu entwickeln, die dann dem Management präsentiert werden. Bis August wird Romande Energie rund ein Dutzend solcher Workshops durchführen. Dank dem S-Tool haben sich für Romande Energie drei Themenfelder herauskristallisiert, wo man nun aktiv werden will: «Erstens haben wir mehr über die psychosozialen Risiken und Stressfaktoren erfahren, die unsere Mitarbeitenden betreffen können. Zweitens erhielten wir Ansatzpunkte, wie sich eine bessere Work-/Life-Balance herbeiführen lässt und drittens, wie wir mit Arbeitsplatzverlustängsten umgehen können», zieht Christian Bieri eine positive Zwischenbilanz.
Kollege Jean-Georges Walter ergänzt: «Das S-Tool hat uns mehr Informationen geliefert als wir uns je vorstellen konnten. Dank dem Benchmark-Vergleich mit der Schweizerischen Gesamtsituation wissen wir nun auch, wo wir uns im nationalen Kontext verorten können. Insgesamt hat die Auswertung der S-Tool-Umfrage bestätigt, was wir eigentlich schon wussten. Das hat uns gezeigt, dass wir bereits über gute Antennen verfügen.»