Best Case Axa Winterthur: Gut verwurzelt
Alles verändert sich. Geschäftsstrategien, aber auch das Privatleben der Mitarbeitenden. Um den gesundheitlichen Bedürfnissen der Mitarbeitenden dabei gerecht zu werden, ist ein flexibles Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) notwendig. Wir haben die BGM-Verantwortlichen der Axa Winterthur Regula Keller und Esther Graf befragt, welche strategischen Schwerpunkte sie setzen.
Weit verzweigt und geerdet: Bei der Axa Winterthur sorgen Regula Keller und Esther Graf als Co-BGM-Leiterinnen für Diversität im Gesundheitsmanagement. (Foto: Jeroen Singer)
Frauen und Männer unterschiedlichsten Alters, Privatkunden und Firmen: Die Axa-Kundschaft ist divers. Ebenso unterschiedliche Menschen trifft man beim Versicherer intern an. Diese Mitarbeiterdurchmischung bilde die Schweizer Bevölkerung fast genau ab, erklären die beiden BGM-Verantwortlichen der Axa Regula Keller und Esther Graf. Mitarbeitende der Axa Winterthur stammen aus 33 Nationen, rund 26 Prozent von ihnen arbeiten Teilzeit und sind in über hundert unterschiedlichen Berufsfeldern tätig.
Blaue Kultur
Eine Vielfalt, die ihre betriebswirtschaftliche Berechtigung hat, denn um den ständig ändernden Kundenbedürfnissen gerecht zu werden und innovative Kundenlösungen zu erarbeiten, braucht es verschiedene Blickwinkel und mehr Agilität. Dabei gilt es, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Auge zu behalten: «Blaue Kultur» heisst das Erfolgsrezept der Axa. Die offene, direkte und respektvolle Unternehmens-kultur bilde einen Pfeiler des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, sagen Regula Keller und Esther Graf. «Sie beeinflusst, ob die Mitarbeitenden ihre Arbeit als verständlich, sinnhaft und handhabbar erleben», ergänzt Regula Keller. Stichworte, die hierzu im Verlauf des Interviews immer wieder fallen: Wertschätzung, Vertrauen und «Straight Talk», eine Fehlerkultur, die Lernen zulässt, flexible Arbeitszeitmodelle und familienfreundliche Strukturen.
Ein solch bunt durchmischtes Unternehmen lässt sich nicht alleine über eine Dienststelle managen. Während das Betriebliche Gesundheitsmanagement der Axa mit acht Mitarbeitenden im HR angesiedelt ist, sorgt eine Steuerungsgruppe dafür, dass sich die verschiedenen Bereiche wie die Axa Academy, die interne Schule für Mitarbeitende und Führungskräfte, das Diversity Management, die Personaldelegation sowie die Corporate Responsibility und das Case Management zwei- bis fünfmal jährlich austauschen. «Diese Vernetzung hilft uns, frühzeitig zu erkennen, wo die Probleme liegen», betont Esther Graf. Einmal jährlich rapportieren die beiden BGM-Spezialistinnen mit dem «Health & Safety- Report» an die Geschäftsleitung über aktuelle Fallzahlen, geleistete Beratungsstunden oder über die BGM-Angebote, die am meisten Anklang finden. Mitarbeitende und Vorgesetzte werden zudem wiederkehrend zur Leistung und Gesundheit befragt. Wichtig sei, «dass das BGM integriert ist und nicht als ‹Sonderzügli› durchs Unternehmen fährt», ergänzt Keller. «Erst dann hat man Chancen, Gehör zu finden.» Deshalb fliesse das BGM bei der Axa auf verschiedenen Ebenen ins Unternehmen ein: ins Leitbild, ins Personalreglement und in die Führungsschulungen. Mit dem Ziel, Bestandteil des Mitarbeiter- und des Führungsverhaltens zu werden.
Eine Frage des Alters
Wie sehr unterscheiden sich die Bedürfnisse der Mitarbeitenden bei der flexiblen Arbeitsgestaltung?«Nicht alle Frauen sind gleich, nicht alle 55 Plus sind gleich», meint Esther Graf: «Es kommt eher auf das Umfeld oder die Lebensumstände an, weniger auf das Alter.» So gäbe es Axa-Mitarbeitende, die mit 55 im Ausland arbeiten wollten, während sich andere frühpensionieren liessen, oder solche, die bereits mit zwanzig oder erst mit vierzig Kinder haben. «Ich selbst habe beispielsweise erst mit 39 Jahren zu studieren begonnen», wirft Regula Keller ein. Während für viele ältere Mitarbeitende «die Karriere nicht mehr im Vordergrund steht», so Esther Graf, «wollen die Älteren genauso wie die Jungen Spass an der Arbeit haben, wertgeschätzt werden und Arbeits- sowie Privatleben so gut wie möglich unter einen Hut bringen.» Flexibel zu arbeiten, sei für alle gleich wichtig, ebenso eine gesunde Unternehmens- und Fehlerkultur. Neben einem breiten Spektrum an individuellen BGM-Beratungsangeboten zur Wiedereingliederung bei Krankheit und Unfall, bei Konflikten oder bei ungenügender Leistung eines Mitarbeitenden bietet die Axa Seminare für alle Mitarbeitenden an. Diese reichen vom «Sport-über-Mittag» über einen medizinische Checkup bis hin zu einem «Lunch & Learn-Achtsamkeitskurs» oder einer Ergonomieschulung. Daneben offeriert das Unternehmen Aus- und Weiterbildungen, die sich an den Karrierepfaden oder den Lebensphasen der Mitarbeitenden orientieren. Für Mitarbeitende, die kurz vor der Pensionierung stehen, gibt es spezielle Vorbereitungsseminare und Eltern treffen sich über Mittag zu Eltern-Lunches, wo sich die Mitarbeitenden über alle Hierarchiestufen hinweg zu Themen wie der Kinderbetreuung während der Schulferien beratschlagen.
Evergreens statt Trends
Während Massage- und Fitnessaboangebote von Jüngeren und Älteren gleichermassen genutzt werden, nehmen an den Seminaren eher ältere Mitarbeitende teil. Eine Erklärung dafür hat Esther Graf schon bereit: «Anfangs ist die Karriere sehr wichtig. Es kann nicht schnell genug gehen.» Gesundheit sei für jüngere Mitarbeitende oft zweitrangig, etwas, das man einfach habe.
«Gesundheit ist nicht erst seit gestern ein Thema», beantwortet Regula Keller unsere Frage nach BGM-Trends. «Was es braucht, um gesund zu bleiben, verändert sich nicht gross.» Statt neuer Trends beobachten sie vielmehr Evergreens in der Bewegung, Ernährung, Entspannung und Stressprävention. Letztere habe an Bedeutung gewonnen. Die Ursachen dafür lokalisieren beide in den vielfältigen Möglichkeiten neuer Technologien. «Früher sorgten fest vorgegebene Strukturen dafür, dass sich Mitarbeitende abgrenzten», sagt Esther Graf. Entweder sei man ins Büro gegangen oder eben nicht und am Wochenende blieb die Türe zu. «Heute meinen viele Mitarbeitende, dass alles möglich sein muss. Sie ‹mosten› ihren Terminkalender voll.» Jede Minute ihres Tages sei verplant. Fürs Mittagessen bliebe dann keine Zeit mehr, weil sie früher nach Hause gehen müssten um X und Y zu erledigen. Dieses Verhalten führe dazu, dass sich viele Mitarbeitende wie in einem Hamsterrad fühlten: «Sie rennen von Termin zu Termin.» Die Menschen müssten lernen, sich wieder mit ihren Werten auseinanderzusetzen und auch mal zu sagen: «Ich laufe bald im roten Bereich.» Dazu böten sich regelmässig stattfindende Gespräche mit den Vorgesetzten an. Es sei keine Schande einzugestehen, wenn man seine Grenzen erreicht habe. «Das kann jedem passieren», so Esther Graf. Da werde der offene Dialog umso wichtiger.