Bewerber auf der Couch
Aussergewöhnliche Situationen erfordern aussergewöhnliche Massnahmen – auch im Personalmarketing. Martin Maas, Leiter Employer Branding und Nachwuchs der Helvetia, darüber, welche Massnahmen er und Helvetia ergriffen haben.
«Mitarbeitende merken sich, wie mit ihnen in einer Krise umgegangen wurde», gibt Martin Maas, Leiter Employer Branding und Nachwuchs bei Helvetia zu bedenken. (Foto: zVg)
Personalmarketing bezieht sich auf die interne und externe Kommunikation. Was hat in einer Krise Priorität?
Martin Maas: In einer Krisenzeit ist die interne Kommunikation im Personalmarketing deutlich wichtiger. Mitarbeitende merken sich, wie in einer Krise mit ihnen umgegangen wurde. Deshalb haben wir uns sehr viel Zeit für sie genommen, um Klarheit zu schaffen. So haben wir im Intranet eine Corona-News-Seite aufgeschaltet, auf der es täglich Informationen zur aktuellen Situation und zu den Auswirkungen auf die Mitarbeitenden zu lesen gab. Gleichzeitig haben wir eine Hotline und Mailbox zu Corona-Themen eingerichtet. Ausserdem entwickelten wir unsere Kommunikationsmassnahmen hinsichtlich alltäglicher Tipps und Tricks zur Arbeit im Homeoffice weiter.
Sie haben hierzu auch einen Podcast lanciert …
Das stimmt. Um etwas mediale Abwechslung in die Kommunikation mit unseren Mitarbeitenden zu bringen, haben wir ein Podcast-Konzept erstellt und verschiedene interne und externe Gesprächspartner zu krisenrelevanten Themen befragt. Nebst Ernährung und Bewegung im Homeoffice haben wir beispielsweise den Umgang mit belastenden Situationen in der Familie thematisiert, vorgestellt, welche Tools und Methoden es für die virtuelle Zusammenarbeit gibt oder wie man als Führungskraft am besten mit virtuellen Teams arbeitet.
Die Pandemie hat verschiedene Aktivitäten verunmöglicht. Wie sind Sie damit umgegangen?
Wir haben virtuelle Alternativen entwickelt, um mit unseren Zielgruppen weiterhin im Kontakt zu bleiben. Aus einem geplanten Messeauftritt an der Gamescom entwickelten wir beispielsweise spontan ein virtuelles FIFA-Playstation-Turnier mit über 200 Spielern aus der gesamten Schweiz. Auch unsere Welcome Days für neue Mitarbeitende haben nur noch virtuell stattgefunden, ebenso die Abschlussfeier unserer Lernenden samt Online-Barkeeper-Kurs und virtueller Zaubershow. Das hat alles sehr gut funktioniert.
Sie haben auch während des Lockdowns rekrutiert. Wie ging das?
Da wir uns auch vor der Corona-Krise nicht nur auf Offline-Events gestützt haben, konnten wir innerhalb kürzester Zeit ein virtuelles Konzept für Schnuppertage organisieren. Die Resonanz dafür war sogar noch besser als für die reellen Schnuppertage in den vergangenen Jahren. Erstmals haben wir auch einen virtuellen Elternabend angeboten, um Eltern über die Ausbildungsmöglichkeiten bei der Helvetia zu informieren.
… und Bewerbende online informiert, dass keine persönlichen Gespräche stattfinden. Wie kam das an?
Wir wollten weder unsere Recruiter noch unsere Bewerbenden in eine Gesprächssituation bringen, in der jeder Angst hat, sich anzustecken. Deshalb haben wir unsere Bewerbenden von Anfang an darüber informiert, dass sich der Recruiting-Prozess leicht geändert hat. Bewerbungsgespräche haben wir ausschliesslich virtuell durchgeführt wie auch den bereits erwähnten Welcome Day, den alle Neueingestellten von zu Hause aus erlebt haben.
Aus Krisen werden Chancen. Sie haben beispielsweise den Screenshot eines CEO-Mails, das an alle Helvetia-Mitarbeitenden ging, auf LinkedIn gepostet …
Der Screenshot zeigt eine von mehreren Mails, die unser CEO an die Belegschaft richtete. Er hat darin die Arbeitszeiterfassung in den ersten vier Wochen ausser Kraft gesetzt, damit sich alle privat organisieren konnten. Das war für mich ein sehr positives Beispiel, wie man sich um seine Mitarbeitenden sorgt und das Menschliche in den Vordergrund stellt. Dass in der Folgezeit auch viele andere Mitarbeitenden Corona-News von Helvetia in ihrem Netzwerk geteilt haben, zeigt, dass sie stolz auf ihr Unternehmen und dankbar gegenüber der Konzernleitung und dem Krisenstab waren.
Was waren die Reaktionen?
Auf LinkedIn? Ich würde sagen, sehr gut. Mit über 300 Likes und einer Reichweite von 25'000 Personen. Intern und extern habe ich nur positives Feedback zu dieser CEO-Mail erhalten.
In Ihrem Vortrag an der virtuellen Recruiting Convention am 24. September 2020 sprechen Sie darüber, wie man Menschen auf der Couch erreicht. Was meinen Sie damit?
Sie sprechen den Begriff «Ökosystem Couch» an, den ich verwendet habe. Das entstand in der Lockdown-Zeit, als wir uns überlegen mussten, wie wir unsere Zielgruppen erreichen. Da man weder Freunde noch Familie besuchen oder seine Abende in Restaurants verbringen konnte, war bald klar, dass wir unsere Zielgruppen nur auf der Couch über verschiedene Kanäle und Geräte erreichen konnten. Auf der Playstation als Arbeitgeberin präsent zu sein und auch alle anderen Events virtuell durchzuführen, hat zumindest unsere Arbeitgeberkommunikation um ein weiteres Gerät erweitert.
Zur Person
Martin Maas blickt auf zehn Jahre Erfahrung im Employer Branding und Recruiting zurück. Sieben Jahre betreute er das Employer Branding bei der Daimler AG. Seit 2017 arbeitet er bei Helvetia Versicherungen Schweiz in Basel. Dort leitet er die Themen Employer Branding, Nachwuchs-Recruiting und -programme. Als Hochschuldozent, Speaker und Autor gibt er sein Wissen seit vielen Jahren im DACH-Raum weiter.
recruitingconvention TV
Am 24. September 2020 findet eine virtuelle Sonderausgabe der recruitingconvention als TV-Show statt. Wie immer dreht sich alles ums Recruiting und Personalmarketing. Referenten berichten über zukunftsorientierte HR-Tech-Trends oder auch Künstliche Intelligenz in der Personalauswahl und erläutern Best Practices. Gefilmt wird mit Smartphones. Es wird live gestreamt, damit Interessierte unabhängig vom Ort am Event teilnehmen können.
Informationen und Anmeldung: recruitingconvention.ch