Messbarkeit Coaching

Case Interner Coach: ­Führungs­entwicklung mit Insiderwissen

Die Rollenfindung in ihrer neuen Führungsfunktion – das war eines der Hauptziele, die Anna S. zusammen mit ihrem Coach, einem Mitarbeiter des Personalmanagements, erreichen wollte. Das Zweierteam ging dabei in Etappen vor und benutzte Standortbestimmungen, um die Fortschritte im Coaching festzuhalten.

Anna S. (Name geändert) ist Mitarbeiterin einer Division der SBB. Während sie im Mutterschaftsurlaub war, gab es in ihrer Division eine Organisationsveränderung. «Man bot  mir eine Führungsrolle an und gleichzeitig sollte ich die neue Abteilung mitsamt dem neuen Team aufbauen», erklärt die 33-Jährige. Um die vielfältigen Herausforderungen bewältigen zu können, beantragte sie, dass ein Coach ihr bei ihrer ersten Führungsfunktion begleitend zur Seite stehen sollte.

Erfahrung mit internen und 
externen Coaches

Der Zentralbereich Personal der SBB verfügt über einen internen Pool von Mitarbeitenden, die als Coaches, Berater und auch Trainer in der internen Aus- und Weiterbildung tätig sind. Aus diesem Pool stammt der Coach André T. (Name geändert). Anna S. sieht kein Problem darin, dass ihr Coach ein interner Mitarbeiter ist, im Gegenteil: «Ich empfinde es als Vorteil, dass der Coach die Firma kennt und weiss, wie die Abläufe funktionieren. Sein Wissen ermöglichte es mir, schneller zu den eigentlichen Themen der jeweiligen Sitzungen zu kommen, ohne noch viel Firmeninternes erklären zu müssen.» Abgesehen von diesem klaren Wissensvorteil des internen Coachs hält Anna S. die Zusammenarbeit mit ihm für vergleichbar und gleichwertig gegenüber einem externen Coach.

Den Vergleich kann sie aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit  einem externen Coach vor ihrem Mutterschaftsurlaub ziehen. «Bei beiden wurden vorab in  einem Vertrag genau Themen, Ziele und Dauer des Coachings vereinbart. Und es  gehört zur Professionalität eines Coachs, dass man vertraulich mit ihm reden  kann, egal ob er nun zur Firma gehört oder nicht.»

Sich gegenüber dem Team und den
 Auftraggebern besser positionieren

Das Hauptanliegen der Coachee war es, ihre neue  Führungsrolle mit dem Coach zu reflektieren. «Meine beiden neuen Mitarbeiterinnen sind Fachspezialistinnen, sehr selbständig, gleich alt wie ich, und sie hatten vorher beide Führungsfunktionen inne. Deswegen  habe ich zuerst versucht, partizipativ zu führen.» Der Entwicklungsprozess im Coaching machte ihr klar, dass nicht in jeder Situation ein partizipativer  Führungsstil einen Mehrwert bringt. Als simples Beispiel nennt sie die Organisation der Sitzungen. «Wenn ich zuerst mit allen diskutiere, wie wir die Sitzungen abhalten wollen, dann macht dies die Arbeit nur komplizierter und mühsamer.» Inzwischen hat sich Anna S. für einen Mittelweg in der Führung entschieden. «Ich will nicht hierarchisch bestimmen, aber auch nicht immer alle nach ihrer Meinung fragen. Deshalb schlage ich nun häufig etwas vor und wenn meine Mitarbeiterinnen nicht einverstanden sind, erwarte ich einen Gegenvorschlag.»

Der zweite Schwerpunkt, den Anna S. mit dem Coach bearbeitete, war ihre Positionierung gegen oben: «Es ging darum, wie ich nicht nur mich, sondern meine Abteilung und unsere Dienstleistungen gegenüber unseren Auftraggebern – dem Geschäftsbereich gleich unterhalb der Geschäftsleitung – bekannt mache.» Auch hier hat Anna S. neue Ansätze gefunden: «Das Coaching hat mich darauf sensibilisiert, uns mit konkreten Leistungen darzustellen sowie den richtigen Zeitpunkt und Kontext zu erkennen, um meine Anliegen  vorzubringen.»

Anna S. ist überzeugt, dass sie sich in beiden Problembereichen positiv entwickelt hat. Durch die vierzehntäglichen, etwa zweistündigen Sitzungen habe ihre Selbständigkeit zugenommen, sie habe viele Methoden gelernt, um Ziele zu erreichen, und ihr Selbstbewusstsein sei gestiegen: «Das Coaching hat mir die Augen dafür geöffnet, dass man keiner Situation hilflos ausgeliefert ist, sondern stets selber entscheiden und steuern kann.»

Die Coachee ist sich sicher, dass sowohl die Mitarbeiterinnen als auch der Chef ihre Entwicklung bemerkt haben: Das vor kurzem durchgeführte Führungsfeedback fiel positiv aus. «Meine Mitarbeiterinnen lobten meinen angenehmen Führungsstil. Eine Mitarbeiterin wünschte sich jedoch noch mehr Leadership, klarere Angaben. Ich kann mich also noch verbessern», meint Anna S. selbstbewusst. Ein Feedback dazu, inwiefern das Coaching einen Mehrwert bringe, musste sie auch ihrem Chef – «er ist der Auftraggeber und somit Geldgeber für das Coaching» – während des Personalbeurteilungsgesprächs geben. Er habe das Ganze ebenfalls als zielführend beurteilt, sagt Anna S. zufrieden.

Das Zweierteam Anna S. und André T. hat klare Abkommen getroffen, wie die Entwicklung der Coachee während des Jahres festgehalten wird. Sie haben Etappen definiert und am Ende jeder Etappe eine Standortbestimmung vorgenommen. «Eine der wichtigsten Messgrössen ist es festzustellen, was mit den Themen passiert, die wir besprochen haben. Wurden  sie umgesetzt, und wenn nicht, wie ist es dazu gekommen?», erklärt der Coach. «Dabei ist jedes Thema nur Mittel zum  Zweck, um die im Voraus definierte Veränderung zu erreichen.» André T. versteht das Coaching als Entwicklungsarbeit, es soll Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Dabei stehe gar nicht die Messbarkeit als solche im Vordergrund, denn «in der Tendenz, alles messen zu wollen, besteht die Gefahr, dass der Coach zum Erfüllungsgehilfen für jemanden wird, der seiner Verantwortung als Führungsperson ausweichen möchte. Eine gute Messgrösse ist daher die Entwicklung: Wie hat der Coachee sich bisher verhalten und was macht er nun anders?»

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