Corona-bedingte Ängste

Mit der Lockerung des Shutdowns kehren viele Mitarbeitende, die bisher in Kurzarbeit waren oder im Homeoffice arbeiteten, wieder an ihre «normalen» Arbeitsstätten zurück – oft mit gemischten Gefühlen. Umso wichtiger ist es, adäquat auf ihre Emotionen zu reagieren.

Die Lebenswelten der Mitarbeitenden sind verschieden – dies betrifft auch ihre biografisch bedingten Erfahrungen und Wertesysteme. Entsprechend reagieren sie emotional sehr verschieden auf dieselben Ereignisse. In Krisen wie der jetzigen zeigt sich noch deutlicher: Während die einen mitunter aufgrund der Bilder aus italienischen Kliniken – überspitzt formuliert – ihr baldiges Lebensende befürchteten, genossen andere die Lockdown-bedingte «Auszeit» vom Büro.

Während des Lockdowns wurden Führungskräfte meist nur bedingt mit diesen Gefühlsextremen konfrontiert. Doch nun kehren viele Mitarbeitende wieder an ihren «normalen» Arbeitsplatz zurück – mit unterschiedlichen Gemütsverfassungen: Manche freuen sich, anderen ist nicht ganz wohl dabei, beispielsweise

  • weil sie Angst vor einer Infektion am Arbeitsplatz haben oder
  • weil zuhause ihre Kinder sind, deren Schulen noch geschlossen sind, oder
  • weil sie sich schlicht fragen: Wie geht es in unserem Betrieb weiter? Welche Veränderungen kommen auf mich/uns zu?

Nicht selten führen dieses unterschiedliche Wahrnehmen und Empfinden zu Spannungen in der Belegschaft. So berichten Personalverantwortliche zum Beispiel, dass die Mitarbeitenden kontrovers darüber debattieren, inwieweit in der Nach-Corona-Zeit ein Arbeiten im Homeoffice möglich sein soll.

Vor Corona vs. nach Corona

Auf solche Debatten müssen sich die Führungskräfte einstellen. Ausserdem darauf, dass ihre Mitarbeitenden nach dem Lockdown emotional sensibler als in der Vor-Corona-Zeit reagieren. Denn nicht nur in der Gesellschaft ist die Unsicherheit gross, wie es weitergeht, auch die Entscheider in den Unternehmen wissen es nicht. Sie können sozusagen nur auf Sicht fahren. Entsprechend häufig müssen sie ihre Entschlüsse und Planungen ändern. Das schürt wiederum die Ängste und oft auch den Unmut der Mitarbeitenden, weshalb sie sensibler als sonst reagieren.

Nehmen Sie gerade in dieser unsicheren Zeit die Gefühle Ihrer Mitarbeitenden ernst und versuchen Sie herauszufinden, weshalb eine Person emotional reagiert. Denn angenommen ein Mitarbeitender sperrt sich zum Beispiel dagegen, eine gewisse Aufgabe mit Kundenkontakt zu übernehmen. Dann kann es daran liegen, dass er Angst hat, sich mit Corona zu infizieren – beispielsweise, weil in seinem Haushalt eine Person mit einer geschädigten Lunge lebt. Dann ist als Führungskraft eine andere Reaktion angesagt, als wenn ein Mitarbeitender schlicht «keinen Bock» hat.

Feine Antennen beweisen

Hinter den Ängsten beziehungsweise allgemein den Emotionen der Mitarbeitenden verbergen sich oft individuelle Wünsche und Werte, Interessen und Erfahrungen. Es ist Aufgabe der Führungskräfte zu versuchen, diese zu erkennen, richtig zu bewerten und so zu reagieren, dass die betreffenden Personen sich ernst genommen fühlen. Was nicht ganz leicht ist, denn Emotionen sowie persönliche Interessen werden im Unternehmenskontext oft verklausuliert ausgedrückt. So kann zum Beispiel die Aussage «Das geht nicht» zweierlei bedeuten:

  • «Das funktioniert aus fachlichen Gründen nicht.» Und
  • «Ich möchte dies persönlich nicht.»

Um entsprechend angemessen reagieren zu können müssen Führungskräfte ihr eigenes Wertesystem und Verhalten regelmässig reflektieren. Ansonsten ist die Gefahr gross, dass sie auf Verhaltensweisen oder emotionale Äusserungen ihres Gegenübers, irrational oder mit Killerphrasen (z.B. «Jetzt regen Sie sich nicht so auf.») reagieren.

So viel ist klar: In den kommenden Wochen und Monaten kommen nicht nur auf die Mitarbeitenden, sondern auch auf die Führungskräfte viele neue Herausforderungen zu und letztere müssen zum Teil in ganz neue, ungewohnte, vielleicht auch unangenehme Rollen schlüpfen. Doch gleichzeitig ist es auch eine Chance zu beweisen, inwieweit sie über die emotionale Intelligenz verfügen, die eine reife Führungspersönlichkeit auszeichnet.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Joachim Simon, Braunschweig, ist als Führungskräftetrainer und Vortragsredner auf das Thema (Self-)Leadership spezialisiert (www.joachimsimon.info). Er ist Autor des Buchs „Selbstverantwortung im Unternehmen“ und Co-Founder der (Self-)Leadership-Coaching-App Mindshine (www.mindshine.app).

Weitere Artikel von Joachim Simon