Tabuthema Lohn

Das gläserne Inserat: Lohntransparenz beim Recruiting

Der Schweizer spricht nicht gern über Geld, genauer gesagt über den Lohn - jedenfalls in der Öffentlichkeit. Die kulturelle Prägung ist dafür verantwortlich. Stelleninserate mit Lohnangaben sind deshalb hierzulande selten. Dabei würden Zahlen in den Annoncen Sinn machen, sagen Befürworter der Lohntransparenz. Gegner finden genau so viele Argumente gegen diese angelsächsische Praxis. 

In der Schweizer Privatwirtschaft sind Stellenausschreibungen mit offen genannten Lohnsummen selten. Anders als etwa in den USA oder Grossbritannien. Allerdings wird der Lohn dort oft durch die Art und Anforderung der Stelle bestimmt und weniger den Qualifikationen des Arbeitnehmers angepasst.

Wer hierzulande mit dem Salär für einen Job wirbt, tut dies oft in den günstigeren Randbereichen der Stellenanzeiger und wird der angebotenen Tätigkeiten wegen nicht als sonderlich seriös wahrgenommen.

Über Geld spricht man nicht

Einerseits entspricht es nicht der schweizerischen Kultur, offensiv über Lohn und Geld zu sprechen. Das gilt für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, auch in Inseraten.

Andererseits wirken in Arbeitgeberkreisen Gentlemen-Agreements aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nach. Damals wurde vereinbart, dass Lohnsummen in Stelleninseraten nicht opportun seien. Man befürchtete, dass in Zeiten des Personalmangels in der Wirtschaftswunderzeit, Angestellte von Job zu Job wechseln würden. Angetrieben durch Gier, immer dem höchsten angebotenen Lohn nachziehend. Schliesslich war man schon damals daran interessiert, die Löhne möglichst tief zu halten. Eine rege Fluktuation hätte dies erschwert - wie die 1970er-Jahre mit ihren markanten Lohnzunahmen schliesslich bewiesen.

Solche Agreements gelten heute freilich nicht mehr - das selbstauferlegte Schweigegelübte der Arbeitgeber zu Löhnen, hallt in diesen Kreisen aber nach.

Unbeeindruckt von diesem Echo aus einer anderen Zeit, begehen erste Stellenvermittler neue Wege. Sie vermarkten die als «relevanteste Details bei der Jobsuche» bezeichneten Lohnsummen offensiv in ihren Ausschreibungen. Angeboten werden auch Lohnrechner, die aufgrund von Erfahrungswerten Verhandlungsgrundlagen für das Einstellungsgespräch ausspucken sollen. Diese Programme bieten auch Arbeitgebern und Personalern Hinweise zu Lohnentwicklungen.

Arbeitgeber wehren sich nicht gegen Lohntransparenz

Selten würden sich die Auftragsgeber aus der Wirtschaft gegen die Usanz der öffentlich gemachten Lohnbandbreiten wehren. Dies sagt Marc Thurner von Almo Personal im «Grossen Report: Lohntransparenz im Schweizer Personalmarketing» auf «buckmannbloggt». «Die in der Schweiz übliche ’Blackbox Lohn’ stellt ein Hindernis  bei der Suche des Arbeitnehmers nach der passenden Stelle dar. Es hindert auch den Unternehmer, den idealen Arbeitnehmer zu finden.» Werde von Beginn an - also schon im Inserat - der Lohn offen thematisiert, fielen mühsame Salärverhandlungen beim Einstellungsgespräch weg. Mit anderen Worten: «Die Angabe des Lohnrahmens reduziert später unnötigen Aufwand.»

Österreich kennt die Lohntransparenz in Stelleninseraten seit einiger Zeit von Gesetzes wegen. Arbeitgeber und Stellenvermittler haben sich mit der Situation arrangiert. Ob sich eines der anvisierten Ziele, nämlich die Lohngleichheit für Mann und Frau dadurch einstellt, ist auch bei den Nachbarn im Osten umstritten.

Lohnangaben in Inseraten würden so global und oft schwammig gemacht, dass bei den effektiven Verhandlungen grösstmöglicher Spielraum für Kandidat und Recruiter bestehe, sagen Kenner der Szene im «Grossen Report zur Lohntransparenz». Die Recruiter führen das Gesetz so ad absurdem.

Allerdings unterstützt gerade die Arbeitgeberplattform Kununu die Transparenz in Lohnfragen und dies mit gutem Grund, wie einer der Gründer des Unternehmens, Martin Poreda, gegenüber «buckmannbloggt» sagt. Poreda stellt fest, «dass vor allem karriereorientierte Kandidaten verstärkt nach Transparenz im Stelleninserat» verlangten. Dies, um sich auf dem Markt möglicher Arbeitgeber besser orientieren zu können und die eigene Karriereplanung auch monetär nachhaltig zu gestalten.

Arbeitgeber, die solche Transparenz böten, würden mehr und bessere Bewerbungen erhalten, meint Poreda. Während solche, die sich bezüglich Lohngestaltung bis zuletzt bedeckt hielten, interessante Talente richtiggehend «vergraulen» würden.

Bei der Lohntransparenz in Inseraten kann man einiges falsch machen

Aber auch der Transparenzbefürworter sieht Fallen bei der Nennung von Zahlen in Inseraten. Würden Löhne zu tief angesetzt, auch Bandbreiten, würden sich echte Top-Shots gar nicht erst bewerben. Werden öffentlich zu hohe Löhne offeriert, meldeten sich oftmals unterqualifizierte Kandidaten, angezogen bloss vom vielen Geld.

Stolpersteine bei der Transparenz sind also zahlreiche ausgelegt. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist auch, dass das bestehende Personal ebenfalls solche Veröffentlichungen zur Kenntnis nimmt. Werden neuen Mitarbeitern andere, nämlich höhere Löhne in Aussicht gestellt, führt dies zwangsläufig zu Unmut, Nachverhandlungen während des Jahres und schlimmstenfalls zur Fluktuation.

Lohntransparenz ist kein Allheilmittel

Die Grundstimmung zur Lohntransparenz ist im schweizerischen Personalmarketing zur Zeit eher kritisch. (Siehe dazu auch «Lohnspanne im Inserat - eine Info, auf die das HR nicht scharf ist.»)

Die Uni Zürich, die den Schweizer Stellenmarkt regelmässig wissenschaftlich auswertet, hat festgestellt, dass Lohntransparenz nicht zu- sondern eher abnimmt. Das könne auch viel mit althergebrachten Mustern und einer lange zurückliegenden Sozialisierung in der Arbeitswelt zu tun haben, sagt einer der bekanntesten Personaler im Land, Matthias Mölleney. Von mehr Transparenz «gilt es Führungskräfte in der Wirtschaft zu überzeugen, die noch aus einer Zeit stammen, als es im Arbeitsvertrag ausdrücklich verboten wurde, mit anderen Personen über den Lohn zu reden.»

In gewisser Weise ist auch Daniel Hodel, CEO der BDH Solutions AG aus Opfikon-Glattbrugg, ein Befürworter von Transparenz in Lohnbelangen. Sein Unternehmen stellt Know-how und Softwarelösungen für die HR-Branche zur Verfügung. «Innerhalb der Firma, innerhalb des Personals muss die Lohnstruktur eines Unternehmens offen und nachvollziehbar sein. Sowas erreicht man mit Funktionsbewertungen. Das schafft auch Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern, zumal diese keine Rolle mehr spielen bei der Bemessung von Salären», so Hodel. «Von Stelleninseraten mit Lohnangaben halte ich hingegen nichts».

Hodel, der sich im Rahmen seines politischen Engagements als Grünliberaler Kantonsrat für Lohngleichheit einsetzt, warnt gar vor zuviel Öffentlichkeit bei den Löhnen. «Wenn Sie möchten, dass Ihre Konkurrenz ihre Lohnkosten aus der Zeitung lesen und analysieren kann, dann gehören solche Internas in die Öffentlichkeit. Wenn sie Ihre Konkurrenzfähigkeit und damit die Jobs nicht gefährden wollen, gehen solche Details nur sie als Unternehmer, ihr HR und ihr Personal etwas an!»

Lohntransparenz im Schweizer Personalmarketing: der grosse Report

Oben genannter Report ist dieser Tage von Jörg Buckmann auf «buckmannbloggt» erschienen. Der HR-Leiter der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) beschäftigt sich in der äusserst umfangreich ausgefallenen Arbeit mit der Lohntransparenz in Schweizer Stelleninseraten nach österreichischem Beispiel. Hier gehts zum Report: (sr)

 

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