Weiterbildung

Das Schweizer HR befindet sich 
auf sehr hoher Entwicklungsstufe

Für Alexander Petsch, Geschäftsführer der auf Personalmessen spezialisierten Spring Messe AG, ist klar: Die Zukunft der Unternehmen liegt bei den Mitarbeitenden. Dementsprechend steigt auch die Akzeptanz des Personalwesens als strategischer Sparringpartner der Geschäftsleitung.

Personalfachmessen sind trendy. Deutschland, die Schweiz, Russland und Österreich sind nur einige Länder, in denen Aussteller um Personalverantwortliche buhlen. Woher rührt dieser Boom?

Alexander Petsch: Das Personalwesen hat sich zum entscheidenden Erfolgsfaktor für Unternehmen entwickelt. Denn es sind die Mitarbeiter, die massgeblich daran beteiligt sind, ob ein Unternehmen im Wettbewerb bestehen kann oder nicht. Daher wird das Personalwesen heute auch ernster, sprich strategischer verstanden als noch vor einigen Jahren. Wenn Sie zum Beispiel vor zehn Jahren den Begriff «Personal» in die Suchmaschine Google eingetippt haben, dann waren die ersten 100Hits bestimmt Begriffe im Zusammenhang mit Personalcomputern … Heute sind neun der zehn ersten Hits aus dem Bereich HR.

War der Faktor Mensch früher nicht auch schon matchentscheidend für den Unternehmenserfolg?

Nein, der Mensch ist heute viel wichtiger als früher. Noch vor zehn, fünfzehn Jahren verhalf die Einführung neuer Informatik-Tools oder neuer Prozesse einem Unternehmen zum Wettbewerbsvorteil. Heute besitzen Unternehmen aus derselben Branche europa- oder weltweit ähnliche oder sogar gleiche IT und Maschinen. Nehmen wir zum Beispiel eine Druckerei in Zürich, Köln oder Prag. Jede von ihnen arbeitet höchstwahrscheinlich mit denselben Druckmaschinen von Heidelberg, steuert das Unternehmen via SAP, hat dieselbe Vorstellung von Qualität und verwendet dasselbe Papier. Unterscheiden können sich die Unternehmen heute vor allem durch zwei Faktoren: die Marke sowie das Know-how und die Motivation der Mitarbeiter.

Sie organisieren nun schon seit beinahe zehn Jahren Personalfachmessen. Was hat sich in dieser Zeit am meisten verändert?

Während wir vor zehn Jahren in einer Nische angesiedelt waren und immer wieder belächelt wurden, haben wir uns inzwischen etabliert. HR ist heute als strategische Komponente im Topmanagement angesiedelt, und wir merken das auch an unserem Publikum. Entsprechend mehr Besucher stammen heute aus dem höheren Management als noch vor einigen Jahren. Zudem hat sich auch das Berufsbild der Personalfachleute radikal verändert. Während sie früher Administratoren und Verwalter waren, sind sie heute strategische Sparring- und Diskussionspartner für die Chefetage. Dieser Paradigmenwechsel wirkt sich für uns als Messeorganisatoren auch auf die Akquisition von Ausstellern aus.

Heisst das, heute stellen komplett andere Firmen an Ihren Messen aus als früher?

Unsere Kunden der ersten Stunde, die vor allem aus dem Bereich HR-Software oder Zeiterfassungssysteme stammten, sind uns erhalten geblieben. Hinzugekommen sind die Bereiche Training, Personalentwicklung und Ausbildung, Personaldienstleistungen und Zeitarbeit. Die HR-Branche ist ständig daran, ihre Produkte und Dienstleistungen weiter zu differenzieren und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Wir werden in den nächsten Jahre weitere Produkte und Dienstleistungen sehen, die wir heute noch gar nicht selbstverständlich im HR-Bereich ansiedeln.

Dazu haben wir anhand von Besucherbefragungen festgestellt, dass sich unsere Besucher mehr und mehr Diskussionspartner und Austausch wünschten. Das Thema Dialog ist auch der Grund, warum wir die Praxisforen noch stärker ausgebaut haben und den Meetingpoint ins Leben gerufen haben. Hier können sich Personalmanager untereinander austauschen. Jedes Treffen steht unter dem Best-Practice-Beispiel eines Fallbringers, der als Einführung in das Thema dient; moderiert wird das Ganze durch eine Expertin für Gruppenmoderation.

Sie sind mit Ihren Personalmessen in Europa mittlerweile in sechs Ländern präsent. Besteht da nicht die Gefahr, dass Sie sich mit den vielen Messen kannibalisieren?

Nein, überhaupt nicht, denn das HR Business auf der Besucherseite ist sehr lokal beziehungsweise national ausgerichtet. Die Fragen, die die Personalfachleute in den einzelnen Ländern beschäftigen, hängen sehr stark mit den Entwicklungsstufen des Personalwesens im jeweiligen Land zusammen. Diese sind europaweit extrem unterschiedlich. So hat sich die Zukunft Personal in Köln zur europäischen HR-Leitmesse entwickelt, zu der auch viele internationale Besucher kommen.

Auf welcher Entwicklungsstufe befindet sich denn das Schweizer HR Management?

Sehr weit oben. So geniessen Personalverantwortliche in Schweizer Unternehmen eine weitaus höhere Akzeptanz und einen höheren Stellenwert als zum Beispiel ihre Kollegen in Deutschland oder Spanien.

Und was heisst das genau?

Das bedeutet, dass die HR-Verantwortlichen in Schweizer Unternehmen bei strategischen Entscheiden miteinbezogen werden beziehungsweise solche anregen. Zudem geht es der Schweizer Wirtschaft sehr gut und die Unternehmen müssen wieder um Mitarbeiter buhlen. Themen wie Recruiting, Zeitarbeit und Retention sind in solchen Phasen dominierend. Für uns als Messeveranstalter bedeutete dies zudem, dass wir uns für die diesjährige Personal Swiss in Zürich neue Ideen überlegen mussten.

Was sind das für neue Ideen?

Zum ersten Mal führen wir in diesem Jahr parallel zur Personal Swiss die Swiss Professional Learning durch, eine Fachmesse für Personal- und Führungskräfteentwicklung, Training und E-Learning. Heute sind Personalfachleute gefordert, individuell zugeschnittene Arbeitsmodelle und Plattformen für lebenslanges Lernen zur Verfügung zu stellen. Und genau hier hakt die neue Ausstellung ein.

Bei der Zukunft Personal in Köln hatten wir bereits 2007 eine ganze Weiterbildungshalle mit rund 160 Ausstellern ins Leben gerufen. Und das Besucherecho war gewaltig. Dieses hat uns darin bestärkt, die neue Messe auch in der Schweiz zu lancieren. Beginnen werden wir mit rund 50 bis 60 Ausstellern.

Ist diese Zahl zufriedenstellend?

Ja, das ist ein schöner Achtungserfolg. Zumal wir von verschiedenen Seiten zu hören bekamen, Weiterbildung und lebenslanges Lernen sei Sache jedes einzelnen Mitarbeiters und nicht des Unternehmens. Doch ich bin es gewohnt, schief angeschaut zu werden – als ich vor zehn Jahren die erste Personalfachmesse ins Leben rief, ging es mir genauso… In fünf bis zehn Jahren werden Ausbildungsthemen wie Blended Learning, E-Learning oder Micro-Learning eine viel wichtigere Rolle in den Unternehmen spielen.

Werden Sie diese neue Messe auch in anderen europäischen Ländern einführen?

In diesem Jahr nicht. Dies aus dem Grund, den ich bereits erwähnt habe: In den anderen Ländern befindet sich der Personalbereich auf einer anderen Entwicklungsstufe als in der Schweiz und in Deutschland. So beginnt zum Beispiel das Personalwesen in Spanien erst damit, einheitliche HR-Prozesse einzuführen.

Zudem ist die Schweiz ein ausgesprochen attraktives Messeland, da elitäre internationale Kreise angesprochen werden können. So kamen im vergangenen Jahr zum Beispiel russische Besucher nach Zürich und das grösste russische HR-Portal berichtete live über die HR-Entwicklungen und die Personal Swiss.

Warum ist das so?

Einerseits haben viele internationale Firmen ihren Hauptsitz in der Schweiz. Andererseits ist die Schweiz ein attraktives Reiseziel, auch für Messebesucher.

Blicken wir noch ein wenig in die Kristallkugel. Wo orten Sie die HR-Trends der Zukunft?

Da die Spezialisierungen im HR-Bereich weiter zunehmen, gehen uns die Themen noch lange nicht aus! Langsam merken viele Unternehmen, dass es kaum ein Thema gibt, das keine Schnittstelle zu HR hat. So zeichnet sich bereits heute die Arbeitssicherheit im weitesten Sinne als grosses Thema ab, das sich immer mehr mit HR vernetzt. Dazu machen wir zum Beispiel im November in Basel den ersten europäischen Kongress für Mental Health. Weitere Themen aus dem Bereich der sogenannten Soft Factors werden ebenfalls zunehmend wichtig. In den USA zum Beispiel fühlen sich die Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass ihre Mitarbeiter Kredite für Autos und Häuser erhalten, oder sie bieten ihnen Hilfestellungen bei vielen Versorgungsdienstleistungen. All dies ist in der HR-Abteilung angesiedelt, und so kommt es, dass zu den Ausstellern auf US-Personalmessen Gruppenversicherer für die Haustiere der Mitarbeiter, Betreuungsdienste für Kinder, Haus und Garten und andere Unterstützungsdienste für Mitarbeitende gehören.

Und auch die Technologie macht riesige Sprünge. Vielleicht lernen wir in zehn Jahren ja alle über unser iPhone, oder wir besitzen funktionelle Bekleidung mit integriertem Bildschirm, die uns bei der Arbeit am Fliessband oder in der Montage Fragen beantwortet und so Training on the job ermöglicht. Solche Modelle werden zum Beispiel bei VW bereits entwickelt. Und wer weiss, vielleicht stellen wir diese in drei bis fünf Jahren auf der Swiss Professional Learning vor.

Der Gesprächspartner

Alexander Petsch ist Gründer und Geschäftsführer der auf Personalfachmessen spezialisierten Spring Messe AG. Der Diplom-Betriebswirt ist zudem 
Herausgeber von «personal manager – Zeitschrift für Human Resources» (Österreichs Fachzeitschrift für Entscheidungsträger im HR Management) und Gründer des Social Networks für Personalmanager HRM.de.

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Sandra Escher Clauss ist freie Journalistin.

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