Porträt & Video-Porträt

Der Changemaker

Er schreckt vor Krisensituationen und Veränderungen nicht zurück: Christoph Maurer, Group Chief Human Resources Officer bei der Argus Data Insights Holding AG.

Der Hauptsitz von Argus Data Insights in Zürich ist verwaist. Leere Räume, leere Schreibtische. Einzig auf den grossen Bildschirmen im Café-raum flimmern unablässig News und Social-Media-Daten. «Seit Oktober ist die gesamte Belegschaft zum zweiten Mal im Home­office», erklärt Christoph Maurer, Group Chief Human Resources Officer von Argus Data ­Insights. «Voraussichtlich kehren nach der zweiten Corona-Welle auch nicht alle an ihren ­Arbeitsplatz zurück.»

Die Argus-Mitarbeitenden hätten Geschmack am Homeoffice gefunden, erklärt Maurer: «In einer Mitarbeiterzufriedenheitsumfrage sprachen sich im letzten Jahr 90 Prozent unserer ­Mitarbeitenden dafür aus, den Homeoffice-­Anteil zu erhöhen. Die grosse Mehrheit möchte künftig drei Tage von zu Hause aus arbeiten und die restlichen Arbeitstage vor Ort im Büro verbringen, um Kontakte zu pflegen und sich an Meetings auszutauschen.»

Die Umfrageerkenntnisse veranlasste die ­Argus-Geschäftsleitung im Herbst 2020, die ­Büroflächen zu reduzieren und die verbleibende Fläche so umzugestalten, dass die neue Büro­einrichtung eine integrierte und kreative ­Zusammenarbeit zwischen den Teams fördert. «Fix zugeteilte Arbeitsflächen existieren seither nicht mehr.» Damit die Mitarbeitenden dennoch einen Teil ihrer persönlichen Unterlagen im Büro aufbewahren konnten, organisierte Christoph Maurer mit seinem Team für jede und jeden ein Schliessfach. «Ausserdem haben wir von unserer IT-Abteilung eine App programmieren lassen, mit der die Mitarbeitenden Zeitfenster für bestimmte Arbeitsplätze buchen können.» Weil durch diese Veränderung am Argus-Hauptsitz weniger Tische und Bürostühle gebraucht wurden, konnten Mitarbeitende diese kostengünstig für ihr Homeoffice erwerben. Zudem profitieren Argus-Mitarbeitende gemäss Christoph Maurer von weiteren Homeoffice-Boni: «Sie erhalten neu eine jährliche Homeoffice-Pauschale von 200 Franken.»

Trotz Distanz Nähe bewahren

Inzwischen sind die 170 Argus-Mitarbeitenden in der Schweiz zu Hause gut eingerichtet. Das war nicht von Beginn weg so: «Wir hatten zwar Videokonferenz-Tools wie Microsoft Teams und Skype, doch fehlte uns die Hardware.» Nur 55 Prozent der Belegschaft hätten zu Hause einen digitalen Arbeitsplatz gehabt. «Bevor wir Mitte März 2020 alle ins Homeoffice schickten, mussten wir deshalb innert kürzester Zeit die notwendigen Laptops organisieren.» Trotz räumlicher Distanz wollte Maurer die menschliche Beziehung und das gelebte Miteinander erhalten: «Deshalb nutzten wir während des ersten Lockdowns nicht nur virtuelle Teamcafés, einen Homeoffice-Blog mit Tipps und Tricks, sondern schickten unseren Mitarbeitenden als Ermunterung auch Pasta nach Hause.»

Beschäftigt Maurer nicht gerade die Covid-19-Pandemie und ihre Auswüchse, legt er bei Argus viel Wert auf den Mitarbeiterzusammenhalt – vom Team-Ski- und -Wandertag über das Sommerfest und den Osterbrunch bis hin zum Weihnachtsapéro und Neujahrsessen. Auch der Freizeitsport kommt bei Argus nicht zu kurz: So hat das Unternehmen eine Fussballmannschaft, die sich situationsbedingt aber derzeit im Winterschlaf befindet. Für Maurer ein wichtiger Bestandteil, um die Teambildung und den Zusammenhalt zu fördern. «Fussball zeigt, dass es virtuose Ballkünstler braucht, um Tore zu schiessen. Am Ende hat die Mannschaft aber nur Erfolg, wenn sich alle Spieler gegenseitig auf dem Feld unterstützen.»

Sich der HR-Realität stellen

Krisen zu stemmen und Herausforderungen zu meistern, ist für Christoph Maurer nichts Neues. Sie gehören zu jenen HR-Erfahrungen, die er im Leben nicht missen möchte: «Man lernt unglaublich viel, auch wenn es zuweilen an die Nieren geht.» Beispielsweise, als Maurer bei der TX Group als HR Business Partner 2010 und 2015 die Schliessung zweier Druckereien mit über 240 Mitarbeitende begleitete. Maurer versteckt sich nicht in einem HR-Elfenbeinturm: Vor Ort ist er für die Begleitung der Mitarbeitenden, die Kommunikation, die Erstellung eines Sozialplans, die Verhandlungen mit Gewerkschaften, die Trennungsgespräche sowie das Hochfahren eines Jobcenters zuständig. Situationen, auf die er wenig vorbereitet war: «Während des Studiums lernte ich nicht, wie man eine Betriebsschliessung abwickelt. Das musste ich selbst herausfinden und mit den Folgen leben.» Was ihm zuweilen auch persönlich naheging: «Alle 15 Minuten über mehrere Tage hinweg Kündigungsgespräche zu führen, war emotional sehr anspruchsvoll. Zusätzlich kannte ich bei der ers­ten Schliessung viele Betroffene persönlich. Bis heute gibt es einige, welche die Strassenseite wechseln, wenn sie mich sehen.»

Synergien bündeln

Bei Argus Data Insights musste Christoph Maurer bis anhin nicht in eine vergleichbare Rolle schlüpfen. Dennoch gibt es auch bei seinem aktuellen Arbeitgeber organisatorische Veränderungen. Beispielsweise durch einen Verwaltungsratsbeschluss, der die vier bislang autonom funktionierenden Ländergesellschaften in Zürich, Berlin, Madrid und Paris in einer Gruppe vereinte. «Wollen wir weiter wachsen, müssen wir unsere bestehenden ­Synergien bündeln und unsere Stärken als Gruppe ausspielen», sagt Maurer. Deshalb ist seit Sommer 2020 ein Group CEO für alle Argus-Länder verantwortlich. Maurer selbst ist seit ­Januar 2021 nicht nur HR-Chef der Schweiz, sondern als Group Chief Human Resources ­Officer in der Konzernleitung auch für das HR der Gruppe zuständig.

Dass die organisatorischen Veränderungen während der Corona-Pandemie stattfinden, mache es nicht einfacher. «Der direkte Austausch mit den Mitarbeitenden fehlt mir», sagt Maurer. Um zu wissen, wie es um deren Zufriedenheit steht, hat er mehrere Massnahmen ergriffen.

«Nebst der halbjährlichen Mitarbeiterbefragung für die grösseren Bereiche der Gruppe haben wir ein Online-Tool implementiert, das den Mitarbeitenden wöchentlich drei Fragen zum persönlichen Befinden stellt. Damit können wir zeitnah erkennen, welche Faktoren einen Einfluss auf ihre Leistungen haben und wo wir ihnen helfen können, damit sie sich besser fühlen.»

Digitaler Nachholbedarf

«Daten sind das neue Gold», sagt Maurer zum Argus-Kerngeschäft. «Durch Corona hat das Interesse an ihnen noch zugenommen.» Beispielsweise, weil bekannte Wirtschaftsunternehmen und staatliche Institutionen zurzeit viele Analysen anforderten und Medieninhalte zu ihrem Markt oder über ihre Mitbewerbenden in Auftrag geben. Durch die starke Kundennachfrage blieb Argus deshalb auch während des zweiten Lockdowns vor Kurzarbeit verschont. Bei so vielen Daten, Digitalisierung und Co. mutet es speziell an, dass bei Argus viele HR-Aufgaben bis zum Eintreffen von Maurer 2018 kaum digitalisiert worden waren. Das habe vor allem damit zu tun, dass das HR unter der Leitung des damaligen CFO ein Nischendasein fristete. «Es existierte nur eine HR-Administration. Vieles wurde noch auf Papier erledigt», sagt Maurer.

Zwischenzeitlich seien diese analogen Prozesse jedoch Geschichte. «Heute ist alles digitalisiert.» Etwa die Personalakten der Mitarbeitenden. «Durch das Employee-Self-Service-Portal können die Mitarbeitenden ihre persönlichen Daten jederzeit einsehen. Auch der Recruiting-, der Mitarbeiter- sowie der Performance-Prozess sind nun state-of-the-art.» Mittlerweile sei Argus in der Schweiz auf einem guten Digitalisierungsniveau im HR angelangt. Für den frischgebackenen HR-Gruppenleiter gibt es in den anderen Ländergesellschaften dagegen noch einiges zu tun. Also: «Dranbleiben, Ärmel hochkrempeln und weitermachen.»

Zur Person

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Christoph Maurer (40) wächst am Zürichsee auf. Von 1997 bis 2000 absolviert er eine kaufmännische Lehre bei der Zürichsee Medien AG in Stäfa und von 2000 bis 2001 die Kaufmännischen Berufsmittelschule in Zürich. Parallel dazu arbeitet er temporär als Researcher im Executive Search bei der damaligen Alexandre Tic S.A., einem Unternehmen der Adecco-Gruppe. 2002 bis 2003 folgt eine Anstellung als Verwaltungsangestellter beim Stadtammannamt und Betreibungsamt der Stadt Zürich.

Von 2003 bis 2006 studiert Maurer Betriebsökonomie mit Vertiefungsschwerpunkt Human Resources Management an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch, absolviert ein Erasmus-Semester in Litauen und taucht im Anschluss als Human Resources Manager in Steinhausen bei der Siemens Schweiz AG direkt in die Materie ein. 2007 wechselt er als HR Specialist Switzerland & HR Site Service Leader Eastern Europe zur Dow Europe GmbH in Horgen.

2009 geht er als HR Business Partner zur TX Group AG in Zürich. Dort wird er 2015 stellvertretender Leiter HR sowie 2016 Leiter HR Business Center. Bei der TX Group AG absolviert Maurer 2015 zudem einen Master of Advanced Studies (MAS) in Human Resources Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. 2018 verlässt er das Unternehmen und kehrt zu seinen KMU-Wurzeln zurück. Bei Argus Data Insights Schweiz AG in Zürich beginnt er als Leiter Human Resources und Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung Schweiz. 2020 absolviert er an der University of Oxford ein Executive-Leadership-Programm.

Nach einer Reorganisation im Herbst 2020 ist Maurer seit Januar 2021 Group Chief Human Resources Officer und Mitglied der Konzernleitung der Argus Data Insights Holding, die mehr als 600 Mitarbeitende beschäftigt. Christoph Maurer ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen (9- und 11-jährig).

Ein Tag im Corona- und Homeoffice-Alltag von Christoph Maurer:

  • 7:20 Uhr: Zu Hause in Männedorf auf­stehen, Kinder wecken und das Frühstück parat machen.
  • 8:00 Uhr: Die beiden Jungs gehen in die Primarschule, während ich das erste Online-Meeting an meinem Homeoffice-Arbeitsplatz starte – im Wohn- oder Schlafzimmer.
  • Vormittags: Diverse Einzel- und Gruppen-Calls sowie Projektarbeiten, falls ich dazwischen die Zeit finde. Wenn ich am Abend den letzten Call hinter mir habe, bin ich jeweils gerädert.
  • 12 Uhr: Mittagspause. Die Kinder kommen von der Schule nach Hause. Meist kocht meine Frau, ab und zu ich.
  • 12:30 bis 13.30 Uhr: Gehe ich im Grünen spazieren, um den Kopf zu lüften.
  • 13:30 Uhr: Zurück ins Homeoffice. Weitere Calls und Meetings.
  • 17 Uhr: Meine E-Mails checken und mich Projektarbeiten widmen.
  • 19:30 Uhr: Abendessen. Danach Hausaufgaben mit den Kindern und Haushaltsarbeiten.
  • 21 Uhr: Die Kinder gehen ins Bett und ich geniesse den Austausch mit meiner Frau oder nehme mir Zeit, um zu lesen.
  • 23 Uhr: Lichterlöschen, nachdem ich noch die letzten News gecheckt habe. Ich bin ein News-Junkie.

 

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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