Die Empathische
Seit 2016 ist Gabriella Schraner Head of Human Resources bei der Tillotts Pharma AG in Rheinfelden. Ihre Ziele: Talente fördern, Führungskräfte entwickeln und eine wertschätzende Firmenkultur etablieren.
«Ich schenke Vertrauen, setze auf Eigenverantwortung und erwarte von meinen Mitarbeitenden, dass sie bei Problemen mit Lösungsvorschlägen an mich herantreten», sagt Gabriella Schraner, HR-Leiterin der Tillotts Pharma AG. (Fotos: Alexandra Rothlin)
Matten aus Reisstroh, Balken aus Zedernholz. Wer das japanische Zimmer am Hauptsitz der Tillotts Pharma AG in Rheinfelden betreten will, muss vorher seine Schuhe ausziehen. Für das Fotoshooting von Gabriella Schraner, Head of Human Resources, tun wir das gerne. «Im Raum der Stille kommen unsere Mitarbeitenden untertags zur Ruhe, entspannen sich und meditieren», erklärt Schraner den Zweck des Zimmers. Daneben werde dieses für klassische Teezeremonien genutzt, beispielsweise wenn Abgesandte des japanischen Mutterkonzerns in der Schweiz zu Gast sind. «Das ist somit auch eine Hommage an die japanische Kultur und an die Zeria-Gruppe.»
In ihrem Alltag hat Gabriella Schraner mit Japan indes wenig zu tun. «Tillotts Pharma ist seit 2009 zwar Teil der Zeria-Gruppe. Wir rapportieren unsere Ergebnisse nach Japan, arbeiten aber dennoch autonom.» Das auf Gastroenterologie spezialisierte Pharmaunternehmen mit über 300 Mitarbeitenden in der Schweiz und an weiteren europäischen Standorten produziert und vermarktet unter anderem Produkte für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. «Leider kein Corona-Gegenmittel», sagt Schraner lachend. «Während der Pandemie haben wir in unseren Labors aber eigene Desinfektionsmittel hergestellt, als es am Markt keine mehr zu kaufen gab.»
Trotz Grenzschliessung produzieren
Covid-19 und seine Auswirkungen beschäftigten Schraner und ihr sechsköpfiges HR-Team: «Fast alle Mitarbeitenden waren im Homeoffice, ausgenommen jene in der Produktionsstätte im basellandschaftlichen Ziefen und in den Labors.» Trotz der physischen Distanz hielt Schraner die Kommunikation zu ihren Mitarbeitenden aufrecht: «Wir haben in unseren diversen Teams tägliche virtuelle Kaffeepausen gemacht, die rege genutzt wurden. Manche haben sich dadurch fast noch besser kennengelernt.»
Auch die Grenzgänger-Thematik fordert Schraner während der Krise. «Über 30 Mitarbeitende, die in der Produktion und den Labors arbeiten, konnten aus dem grenznahen Deutschland und Frankreich nicht mehr einreisen.» Diese Tatsache beunruhigte vor allem die Grenzgänger, die auf einmal nicht mehr arbeiten konnten. Schraner versteht es, sie zu beruhigen und dafür zu sorgen, dass der Betrieb weiterläuft. «Glücklicherweise konnten Mitarbeitende aus der näheren Region in die Bresche springen. Zudem ist niemand erkrankt, das hätte unsere Produktion und Labors ernsthaft beeinträchtigt.»
Schraner bleibt in Krisensituationen ruhig und geht empathisch mit ihren Mitmenschen um. Qualitäten, die sie sich als Flight Attendant bei der Crossair und Swissair, der späteren Swiss, angeeignet hat. Dort hat es die damals 26-Jährige oft mit gestressten Mitmenschen zu tun. «Über 80 Prozent der Menschen leiden mehr oder weniger an Flugangst. Das äussert sich oft in Aggressionen.» Mit gebührendem Einfühlungsvermögen könne man diese aber abfedern, sagt Schraner. Sich mit fordernden Gästen auseinanderzusetzen erweist sich für sie als lehrreich. «Als Flugbegleiterin durchläuft man eine Lebensschule.»
Präsenz vor Homeoffice
Auf die Corona-Herausforderung hat das Tillotts-Management mit einem multidisziplinären Pandemieteam schnell, unbürokratisch und wirksam reagiert. Heute reisen Grenzgänger wieder in die Schweiz ein, während die meisten Mitarbeitenden aus dem Homeoffice an den Hauptstandort in Rheinfelden und in die Produktionsstätte in Ziefen zurückgekehrt sind. Deren Anwesenheit ist Schraner und Tillotts-CEO Thomas A. Tóth von Kiskér wichtig: «Wir unterstützen Homeoffice und haben dafür 2018 eine eigene Policy eingeführt. Wir wollen aber keine virtuelle Firma werden.» Das entspreche nicht der Unternehmenskultur und den Werten einer direkten, persönlichen und abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit.
Bei der Kulturentwicklung und der täglichen HR-Arbeit wird Schraner von einem sechsköpfigen HR-Team unterstützt. «Wir treffen uns jeden Montagmorgen zum Business-Partner-Update. Dann besprechen wir, was in dieser Woche anfällt, halten uns gegenseitig auf dem Laufenden und eruieren, ob jemand in seinem Bereich Unterstützung benötigt.» Einmal im Monat stehen strategisch-langfristige Ziele auf dem Besprechungsplan: beispielsweise die Einführung neuer digitaler Tools oder andere strategisch wichtige Themen.
«Ich bin kein Kontrollfreak», beschreibt Schraner ihren Führungsstil. «Vielmehr schenke ich Vertrauen, setze auf Eigenverantwortung und erwarte von meinen Mitarbeitenden, dass sie bei Problemen mit Lösungsvorschlägen an mich herantreten.» Damit ihr Team gut arbeiten kann, kommuniziert Schraner viel. Den Informationsfluss von der Führungsspitze bis zu den Mitarbeitenden gewährleistet sie mit dem Einsitz in der erweiterten Geschäftsleitung der Tillotts. Keine Selbstverständlichkeit. «In anderen Unternehmen ist das HR in dieser Position viel zu selten vertreten», bedauert Schraner. Dabei könne dieses nur mit Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht einen sinnvollen Beitrag für die Mitarbeitenden und das Unternehmen leisten.
Mitarbeitende finden, halten und fördern
Mittlerweile kann sich Schraner mit ihrem Team anderen Themen als der Pandemie widmen. Beispielsweise dem Talentmanagement, denn der Konkurrenzdruck um begehrte Fachkräfte ist in der Branche gross: «Wir müssen uns gegenüber bekannten Mitbewerbern aus der Pharmaindustrie durchsetzen, die mit weitaus grösseren Geldbeuteln winken.» Besonders schwierig gestalte sich die Talentgewinnung in der Forschung und Entwicklung. «Deshalb positionieren wir uns nicht nur über den Lohn, sondern auch mit einer wertschätzenden Firmenkultur, einer gesunden Work-Life-Balance, Teilzeitarbeit, Wiedereinstiegsmöglichkeiten und Fringe Benefits wie Meditations- und Sprachkursen sowie verschiedenen Vergünstigungen.» Dieses Engagement wird von den Mitarbeitenden offenbar geschätzt. So bleiben diese nicht nur länger im Unternehmen, sondern haben ihrem Arbeitgeber auch zur «Great Place to Work» Auszeichnung verholfen.
Um intern Talente zu identifizieren, nutzt Tillotts das 9-Box-Modell nach Korn Ferry. «Vorgesetzte können ihre Mitarbeitenden damit beispielsweise als ‹Solid Professional›, ‹Key Performer› oder ‹Future Star› einstufen.» Nach der Mitarbeiterbeurteilung erklärt der Vorgesetzte im Austausch mit gleichrangigen Kollegen, weshalb er jemanden so und nicht anders eingestuft hat und holt ihre Einschätzung ab. «Dadurch garantieren wir Objektivität und verhindern Willkür oder Ungleichbehandlungen», sagt Schraner. Danach definieren Vorgesetzte und Personalentwicklung On-the-Job-Entwicklungsmassnahmen. «Beispielsweise Stellvertreterfunktionen, die Übernahme eines Projekts, Mentoring-Programme oder Coachings.» Ist der Karriereplan erstellt, suche der Vorgesetzte das Gespräch mit dem Mitarbeitenden, um sich mit ihm abzustimmen. Das 9-Box-Modell soll mittelfristig auch strategisch eingesetzt werden: etwa bei der Nachfolgeplanung.
Nicht nur die Talentförderung, auch die Führungskräfteentwicklung liegt Gabriella Schraner am Herzen. Dafür hat sie 2019 ein Programm konzipiert, das die Projektleiter in einer Pilotphase selbst durchlaufen haben. «Führungskräfte bekommen damit Instrumente in die Hand, die sie dabei unterstützen, Gespräche zu lenken, Kritik zu üben oder Mitarbeitenden zu helfen, sich besser kennenzulernen.» Das Programm sei gut gestartet, sei aber durch Covid-19 zum Stillstand gekommen. «Nun sind wir daran, dem Programm wieder Schub zu verleihen.»
Rasant in die Zukunft
Nicht ausgebremst, vielmehr beschleunigt hat die Pandemie jedoch die Digitalisierung im Unternehmen. «Remote Work oder Online-Recruiting mittels Active Search auf sozialen Kanälen bestanden bereits vor Corona, wir haben uns lediglich nicht ausgiebig damit beschäftigt», sagt Schraner. Ab Januar 2021 wechsle das HR aber auf ein IT-System, das den gesamten HR Lifecycle abdecke. Langweilig wird es der HR-Chefin und ihrem Team in den nächsten Wochen und Monaten somit sicherlich nicht.
Zur Person
Ende Jahr kehrt sie in die Schweiz zurück und arbeitet erneut für den Versicherer. Zunächst in Pratteln als Stellvertretung des Bürochefs, dann in Basel als Sachbearbeiterin Schadenabteilung Personenversicherungen. 1998 verlässt Schraner die Versicherungsbranche und beginnt bei der Crossair als Flight Attendant. 2000 wechselt sie zur Swissair, erlebt das Grounding und bleibt dem Flugunternehmen, neu Swiss International Air Lines Ltd., bis zum Juni 2002 treu.
Im Juli 2002 wechselt sie zum Institut Straumann AG in Waldenburg und Basel als Assistant Area Sales Management und 2005 zur Camlog Biotechnologies AG in Basel als CEO und HRM-Assistant. 2009 absolviert sie die Ausbildung zum NLP-Coach. Von 2010 bis 2012 bildet sie sich zur HR-Fachfrau mit eidgenössischem Fachausweis weiter – und findet ihre Berufung. Weil sie sich bei der Camlog im HR nicht entwickeln kann, kommt sie 2013 als HR-Managerin zur Tillotts Pharma AG in Rheinfelden. 2016 wird sie dort zur Head of Human Resources befördert und gleichzeitig Mitglied des Management Komitees. Schraner lebt in Pratteln und ist Gotti von zwei Patenkindern.
Ein Tag im Leben von Gabriella Schraner:
- 6:15 Uhr: Läutet zum ersten Mal der Wecker. Ich bin ein bekennender «Wecker-Snoozer» und stehe erst nach dem dritten Mal auf.
- 6:45 Uhr: Stehe ich spätestens auf. Mein Morgenritual besteht aus ausgiebigem Duschen und Kaffeetrinken.
- 7:50 Uhr: Anreise von Pratteln mit dem Auto ins Geschäft.
- 8 Uhr: Arbeitsbeginn und erste Mails checken.
- 9 Uhr: Der Morgen besteht meist aus diversen Meetings.
- 12 Uhr: Längere Mittagspause und gemeinsames Essen mit Freunden, Arbeitskollegen oder dem Team.
- 13:30 Uhr: Der Nachmittag ist ebenfalls geprägt von Meetings und Gesprächen. Gegen Abend finde ich Zeit für Administratives und strategische Arbeiten.
- 19 Uhr: Verlasse ich das Büro und gehe nach Hause.
- 19:10 Uhr: Am Feierabend treffe ich Freunde oder Familienmitglieder, suche den Ausgleich in der Natur und gehe einmal in der Woche ins Pilates.
- 23 Uhr: Nach einer Buchlektüre, vorzugsweise Krimis, schlafe ich ein.