Der Nahbare
Marco Monego ist ein Chef auf Augenhöhe, Familienvater, Ex-Schweizergardist – und seit über zwölf Jahren bei Lidl Schweiz tätig. Als Chief Human Resources Officer prägt er massgeblich das betriebsinterne Aus- und Weiterbildungswesen sowie das Employer Branding und treibt die digitale HR-Transformation voran.
«Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist bei uns in den Grundfesten verankert», sagt Marco Monego, CHRO von Lidl Schweiz. (Fotos: Aniela Lea Schafroth)
«Einen Cappuccino?», fragt Chief Human Resources Officer Marco Monego von Lidl Schweiz und hantiert an der Barista-Maschine im Betriebsrestaurant am Hauptsitz in Weinfelden. Er ist der Einzige, der sie neben dem gastronomischen Fachpersonal bedienen darf – und nutzt dieses Privileg ausgiebig: «Beim täglichen Teamkaffee um halb neun bin ich jeweils der Barista für mein HR-Team.» Unkonventionell, der Chef an der Kaffeemaschine. Doch passend für eine Führungskraft wie Monego, der Besprechungen lieber physisch als virtuell abhält, der seinem 30-köpfigen HR-Team auf Augenhöhe begegnet. «Leider ist der gemeinsam Teamkaffee in den letzten Wochen durch Corona etwas zu kurz gekommen. Es war eine taffe Zeit», konstatiert Monego. Erst langsam kehre sein Team aus dem Homeoffice zurück und Normalität in den rund 150 Lidl-Schweiz-Filialen ein.
Seine Nahbarkeit zeigt sich auch in der aktuellen Krise. So reiste Monego im März gemeinsam mit seinen Geschäftsleitungskollegen ins Tessin und besuchte jede Filiale. Das, um die Betriebe zu unterstützen und für die Mitarbeitenden ein offenes Ohr zu haben. Zeitgleich installierten er und sein Team am Hauptsitz eine 24-Stunden-Help-Hotline für die Mitarbeitenden. «Diese wurde rege genutzt, auch nachts», wie der HR-Leiter aus eigener Erfahrung weiss. So hatte ihn ein italienischer Grenzgänger aus dem Schlaf gerissen, weil er wissen wollte, ob er am nächsten Tag noch einreisen dürfe.
Remote Work
Es bleibt nicht bei der 24-Stunden-Help-Hotline. Darüber hinaus erarbeitete der Lidl-Krisenstab mit den Sozialpartnern Corona-Schutzkonzepte und informiert die Lidl-Mitarbeitenden laufend über die neusten Entwicklungen – zunächst vor Ort, danach via E-Mail und Videokonferenzen im Homeoffice. «Die rasche Umstellung auf Remote Work der am Hauptsitz beschäftigten Mitarbeitenden wäre vor vier Jahren technisch nicht möglich gewesen», sagt Monego. «Damals hatte praktisch niemand einen Laptop.» Mobiles Arbeiten konnte Monego erst 2019 beim Umzug an den neuen Unternehmensstandort realisieren. «Seither sind fast alle Mitarbeitenden technisch aufgerüstet.» Dennoch sei die Arbeitsumstellung nicht einfach gewesen, obwohl die IT-Abteilung innerhalb kürzester Zeit Unglaubliches geleistet habe. «Als HR haben wir deshalb versucht, unseren Mitarbeitenden Inputs zur Alltagsstruktur, zum Verhalten bei Videokonferenzen oder zur Gesundheit und Fitness zu geben.»
Langsam bricht die Post-Corona-Zeit an und mit ihr kehren die Teams an den Hauptsitz zurück. Trotz der Vorteile des Homeoffice ist Monego froh, seine HR-Mitarbeitenden wieder um sich zu haben. «Mich motiviert es ungemein, wenn ich weiss, dass ein Team auf mich wartet, mit dem ich unsere HR-Themen anpacken kann.» Zurzeit setze Lidl die Corona-Lockerungen um und habe bislang zurückgestellte HR-Projekte wie Employer Branding, Talent Management und die digitale HR-Transformation wieder aufgenommen.
Mit der Digitalisierung und der IT beschäftigt sich Marco Monego seit seiner kaufmännischen Lehre: «Von 2000 bis 2003 absolvierte ich den ersten und einzigen KV-Lehrgang in Kombination mit Informatik.» Dass der 36-Jährige nicht Informatiker, sondern Personalchef geworden ist, verdankt er prägenden Erfahrungen mit unterschiedlichsten Führungspersönlichkeiten. «Nach meiner Lehre arbeitete ich in einem sehr familiären, patrongeführten Unternehmen, später als Hellebardier in der Päpstlichen Schweizergarde in Rom, also einer militärischen, straff geführten Organisation.» Dennoch habe es auch bei der Garde unterschiedliche Führungspersönlichkeiten gegeben: «vom Dienst-nach-Vorschrift-Vorgesetzten bis hin zu solchen, die sich auf empathischer Ebene mit ihren Mitarbeitenden austauschten.» Diese Erfahrungen hätten ihn bestärkt, eine Organisation zu begleiten, eine Kultur zu prägen und Mitarbeitende zu führen: «Wo geht das besser als im HR?»
Werben um Fachkräfte
Als Marco Monego 2008 von Rom in die Schweiz zurückkehrt, befindet sich der internationale Lebensmittelriese hierzulande in der Startphase und hat zahlreiche Stellen ausgeschrieben. Darunter auch eine im HR. Monego bewirbt sich. Weil er sein Italienisch bei der Schweizergarde perfektioniert hat und somit alle drei Landessprachen beherrscht, erhält er eine Stelle in der HR-Administration. «Eine sehr spannende Zeit, da ich nicht nur das HR von der Pike auf gelernt habe, sondern mich zusätzlich einige Monate am deutschen Muttersitz in Neckarsulm in der Personalentwicklung und im Recruiting weitergebildet habe.» Zurück in Weinfelden baut Monego 2010 die Abteilung Berufsbildung und Personalentwicklung auf. Heute bildet Lidl Schweiz Detailhandelsfachleute, Detailhandelsassistenten, kaufmännische Angestellte, Mediamatikerinnen und Informatiker aus. Gestartet ist Monego einst mit zwei Lehrberufen. «Ich wollte unseren Lernenden eine gute Ausbildung bieten, sie fordern und fördern. Besonders, weil es keine Selbstverständlichkeit ist, Lernende zu finden», weiss Monego. Der Nachwuchsmangel sei bei Lidl inzwischen fast so gross wie der Fachkräftemangel. «Es herrscht eine unglaubliche Konkurrenz zwischen den Unternehmen – nicht nur bei den gelernten Fachkräften.»
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, setzt Lidl auf Employer Branding. «Mit der aktuellen Kampagne möchten wir aufzeigen, wie Mitarbeitende sich bei uns beruflich entwickeln können.» Zudem engagiere sich das HR-Team für gute Anstellungsbedingungen. So hat Lidl erst kürzlich einen Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub von 18 beziehungsweise 4 Wochen bei 100 Prozent Lohnfortzahlung eingeführt. Weil flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice in den Filialen nicht möglich sind, setzt Lidl Schweiz auf Familienleistungen. «Wir bieten beispielsweise eine BVG-Lösung ohne Koordinationsabzug, die für Teilzeitmitarbeitende mit kleinen Pensen attraktiv ist.» Dabei sei jeder Überstunden-Franken versichert. Ausserdem beschäftigt Monego die Lohngleichheit. «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist bei uns in den Grundfesten verankert. Wir nutzen die vom Bund vorgegebene Lohngleichheitsanalyse Logib und sind bereits seit Herbst 2019 freiwillig SQS-zertifiziert.»
Digitaler Vorreiter
Am wichtigsten für den Personalchef ist jedoch die HR-Transformation. «Als wir 2008 SAP implementierten, waren wir damit noch ein Vorreiter. Danach haben wir andere Prioritäten verfolgt.» Deshalb widmet er sich 2015 bei seinem Stellenantritt zunächst der Digitalisierung des HR. Nebst einem Arbeitszeugnis-, E-Learning- und Talent-Management-Tool hat Lidl Schweiz mittlerweile auch das Recruiting digitalisiert. Seither wird das erste Gespräch vermehrt per Video geführt. «Damit lernen wir jemanden kennen und erhalten einen ersten Eindruck.» Danach folge ein zweites Vor-Ort-Gespräch. «Wenn möglich, laden wir die Kandidaten zu einem Schnuppertag ein, damit sie das gesamte Team kennenlernen. Die Interaktion innerhalb des Teams muss funktionieren.» Abgeschlossen ist die Digitalisierung damit nicht. Auch das Zeitmanagement soll optimiert werden. «Dafür würden wir gerne eine App einführen. Das ist bei 150 Filialen und der Datenschutzfrage aber nicht so einfach.»
Legt Lidl Schweiz in seiner Firmenphilosophie Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, ist dies auch Monego wichtig. «So fokussiert wie bei der Arbeit bin ich auch zu Hause. Ich möchte nicht einmal aufwachen und mich fragen müssen, wann meine Kinder erwachsen geworden sind.» Am Feierabend und am Wochenende widmet sich Monego deshalb dem Papa-sein, spielt mit seinen Kindern und kocht für die Familie. Fehlt er einmal beim Familienabendessen, macht er das mit einem selbstgekochten Mittagessen wieder wett. Doch das ist eher die Ausnahme als die Regel. «Der Znacht gehört der Familie, der morgendliche Cappuccino und der Zmittag dem Team.»
Zur Person
Ein Tag im Leben von Marco Monego:
- 6:15 Uhr: Aufstehen und einen Kaffee trinken.
- 7:15 Uhr: Kurzer Arbeitsweg von Ottoberg nach Weinfelden.
- 7:30 Uhr: Eintreffen im Büro. E-Mails checken und den Tag strukturieren.
- 8:30 Uhr: Kaffeepause mit dem Team.
- Ab 9 Uhr: Bilaterale Gespräche – sogenannte «Jours fixes» – mit den Abteilungsleitern meines HR-Teams sowie Teaminformationen.
- 12 Uhr: Gemeinsames Mittagessen mit dem Team im Mitarbeiterrestaurant.
- Ab 13 Uhr: Weitere Jours fixes, Konzeptarbeiten und Vorstellungsgespräche.
- 18 Uhr: Heimfahrt.
- 18:15 Uhr: Nachtessen mit meiner Frau und den Kindern. Die Kinder ins Bett bringen und eine Gutenachtgeschichte vorlesen.
- 20:30 Uhr: Arbeiten an meiner Masterarbeit zum Thema «Vergütungsstrategien», die ich Ende September abgeben muss.
- 23 Uhr: Ins Bett, die News-App checken und meine Kleider für den nächsten Tag bereitlegen – ein Überbleibsel aus Rom.