HR Today Nr. 5/2020: Porträt & Video-Porträt

Die Krisenerprobte

Ausnahmesituationen ist Martina Burulic, Leiterin Human Resources beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom), von Kindesbeinen an gewohnt. Aus der Ruhe bringen lässt sie sich deshalb auch von der Covid-19-Pandemie nicht.

«Ich dachte nach der aufregenden Achterbahnfahrt bei Salt könne ich beim Bakom ein bis zwei Gänge zurückschalten», sagt Martina Burulic, die seit November 2019 beim Bundesamt für Kommunikation als Leiterin Human Resources tätig ist. Weit gefehlt. «Schon an meinem ersten Arbeitstag fand eine unangekündigte Evakuationsübung statt.» Ruhe kehrt auch danach nicht ein: Durch die Corona-Pandemie wird Burulic bereits im Februar 2020 mit dem Ernstfall konfrontiert.

Statt die Digitalisierung und den Kulturwandel im Bakom voranzutreiben, ist sie als Mitglied des Pandemiestabs fortan dafür verantwortlich, die Verbreitung des Virus unter den Mitarbeitenden zu bremsen und den Geschäftsgang sicherzustellen. Die Gefahr kommt für sie nicht überraschend. «Wir haben die Pandemieentwicklung genau beobachtet und bereits im Februar unser Business Continuity Management implementiert.» Das heisst, einen Pandemieplan erstellt. «Mitte März haben wir Stufe drei unseres Plans ausgerufen. Seither befinden sich nur noch wenige Mitarbeitende im Bakom-Gebäude in Biel.» Jene, die dennoch zur Arbeit erscheinen, sollen keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und stattdessen mit dem Auto anreisen. Die Daheimgebliebenen können momentan allerdings nicht uneingeschränkt arbeiten, weil sonst das virtuelle Kommunikationsnetz des Bakom zusammenbrechen würde.

New Work im Schnelldurchlauf

Mit Krisen hatte Burulic schon als Kind zu tun: «Ich war siebenjährig, als der Krieg 1991 in Kroatien ausbrach.» Die politische Stabilität eines Landes ist für sie deshalb nicht selbstverständlich. «Dass sich der Bundesrat in der Corona-Krise so besonnen verhält und sich die Politiker nicht gegenseitig bekriegen, erstaunt mich immer wieder. Ich bin sehr froh, dass wir einen Bundesrat haben, der dem Volk in dieser Situation eine solche Ruhe vermittelt.»

Die Covid-19-Pandemie hat für Burulic nicht nur bedrohliche Seiten. Sie biete auch Chancen, neue Arbeitsformen schneller zu implementieren und den Kulturwandel im Bundesamt zu beschleunigen. «Plötzlich ist möglich, was vorher angeblich nicht ging», sagt Burulic. «Wollten Mitarbeitende im Homeoffice arbeiten, mussten sie normalerweise eine Vereinbarung mit ihrem Vorgesetzten treffen.» Das gelte nun zumindest für die Zeit der Pandemie nicht und könnte bald gänzlich der Vergangenheit angehören: «Wenn Führungskräfte mit einer ausgeprägten Kontrollaffinität nun positive Erfahrungen mit agilen Arbeitsformen machen und loslassen, etabliert sich diese neue Art der Kooperation möglicherweise schneller. Es sollte keinen Unterschied mehr machen, ob ein Mitarbeitender zu Hause oder im Büro arbeitet.»

Positive Bestärkung ist für Burulic das Zauberwort im Umgang mit Vorgesetzten. Das sei grundsätzlich nicht viel anders als im Hundetraining, das sie über Jahre hinweg betrieben hat: «Grossen Hunden sagt man nach, sie seien widerspenstig und lassen sich nicht leicht von etwas Neuem überzeugen. Wer einen solches Tier hat, arbeitet deshalb mit positiven Verstärkungen und nicht mit Goodies.» Auf Menschen übertragen heisst das: Man fördert einen Wandel nicht mit verlockenden Boni oder Fringe Benefits, sondern indem man Führungskräften Problemlösungswege aufzeigt und sie dabei positive Resultate erzielen.

Besonders das mittlere Management sei bei der Lösungsfindung auf HR-Hilfe angewiesen: «Sie haben am meisten Druck.» Dieser komme von oben und unten. «Die Forderungen der Mitarbeitenden an die Führungskräfte ist dabei nicht zu unterschätzen. Viele Vorgesetzte können damit nicht adäquat umgehen. Sie bewältigen jeden Tag eine Gratwanderung. Manche handeln dann im Affekt und verschlimmern die Situation sogar.» Tausche sich ein Vorgesetzter dagegen mit dem HR über seine Sorgen aus und merke, eine Situation sei steuerbar, gehe er viel gelassener mit seinen Mitarbeitenden um. «Führungskräfte profitieren von einem starken HR, wenn sie keine Angst davor haben, bei einem Problem den nächsten Schritt zu machen.»

Vollgas trotz Mutterschaft

Nebst der Digitalisierung und den damit einhergehenden organisatorischen und kulturellen Veränderungen beschäftigt Burulic aus eigener Betroffenheit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Denn 2003 wird sie knapp zwanzigjährig Mutter. Teilzeit zu arbeiten kam für sie nie in Frage: «Meine Mutter hat drei Kinder grossgezogen und im Spital Schichtarbeit geleistet. Sie hat das geschafft. Deshalb gab es für mich nie eine Entschuldigung, meine Karriere zu opfern.»

Die Ungläubigkeit, mit der sie bei Bewerbungen immer wieder gefragt wurde, ob sie die Kinderbetreuung und eine Vollzeitstelle unter einen Hut bringe, empfindet sie noch heute als unangebracht und ungerecht. Insbesondere, weil diese Annahme andere Frauen abschrecken kann, eine Karriere zu verfolgen. Schenken Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen dagegen Vertrauen, profitiere das Unternehmen von hoch motivierten Frauen, ist sie überzeugt. Ein Hoffnungsschimmer zeichnet sich für Burulic in den agilen Arbeitsformen ab, die Mütter unterstützen, sich besser zu organisieren. «Beispielsweise, indem sie ihre Sollarbeitszeit beliebig gestalten.» Die Geschichte soll sich zumindest beim Bakom nicht wiederholen. «Ich berücksichtige junge Mütter bei offenen Positionen, weil ich an sie glaube und das Potenzial der Frauenförderung ausbaubar scheint.»

Mit Hartnäckigkeit zum HR-Ziel

Den HR-Gipfel hat sie mit 37 Jahren als Leiterin Human Resources beim Bakom schon erklommen. Ausgelernt hat Burulic noch lange nicht: «Das HR erfindet sich immer wieder neu. Das fordert mich heraus.» Zudem habe sie bisher noch zu wenig Einfluss auf Geschäftsleitungsebene genommen. «Es gibt viele HR-Aspekte, die ich noch von Grund auf erforschen darf.» Etwa ihre Rolle als Vorgesetzte. «Da bin ich ein Neuling. Ich führe ja erst seit drei Jahren grössere, heterogene Teams.» Das hat auch ihre Sicht der Dinge verändert: «Früher habe ich eher die Position des Mitarbeitenden eingenommen, ohne die Ansicht des Vorgesetzten vollständig verstanden und nachvollzogen zu haben. Das mache ich heute viel mehr als früher.» Auch mit Widerstand habe sie besser gelernt umzugehen. Etwa, wenn kritische Personen, die ihren Standpunkt lange und energisch vertreten, Projekte zum Scheitern verurteilen. Kein Grund für Burulic, von ihren verschiedenen HR-Vorhaben abzulassen: «Man muss die Menschen von Veränderungen überzeugen und ins Boot holen, dann klappt es hervorragend.»

Die Vorzüge des HR entdeckt sie beim Autovermieter Sixt, wo sie als kaufmännische Angestellte für den Fuhrpark der Schweizer Niederlassung am Euroairport Basel-Mulhouse zuständig ist. Als praktisch einzige Mitarbeitende, die in der Schweiz eine Ausbildung gemacht hat, wird sie in arbeitsrechtlichen Fragen immer mehr zur Ansprechperson im Unternehmen. Der direkte Einstieg ins HR bleibt ihr jedoch zunächst verwehrt. 25-jährig wechselt Burulic zu Feldschlösschen, wo sie als Kreditmanager und Projektmanager SAP für den Finanzbereich verantwortlich ist und die teaminterne Verantwortung für ein SAP-Projekt übernimmt. Als das Projekt endet, fasst sie den Entschluss, sich im HR zu etablieren und bewirbt sich «wie wild» auf HR-Stellen.

Ihre Chance erhält sie 2011 beim IT-Distributor Elconex, wo sie für die Finanzen und das HR verantwortlich ist. Die Weitläufigkeit des HR unterschätzt sie dabei: «Ich dachte, dass ich im HR schon alles kenne, weil ich Lohnabrechnungen gemacht habe.» Zunächst hat das HR dort nur einen kleinen Stellenwert. Als der Mitarbeiterbestand aber auf hundert anwächst, nehmen auch ihre HR-Aufgaben an Dimension zu. Zeitgleich bildet sie sich zur Fachfrau Human Resources weiter, um danach das höhere Fachdiplom zur HR-Leiterin zu erlangen: «Akad war die einzige Schule, die sich mit meiner Berufstätigkeit und Mutterschaft vereinbaren liess.» Zunächst entwickelt sich alles wie vorgesehen, doch das KMU gerät in finanzielle Schwierigkeiten. Eine Liquidation zeichnet sich ab. Burulic verlässt das Unternehmen.

Leben auf der Überholspur

«Relativ unbelastet» kommt sie zu Salt, wo sich ein markanter Kulturwandel abzeichnet. «Viele Kollegen kamen aus der alten Orange-Kultur. Für sie hat sich durch die einschneidenden Sparmassnahmen vieles dramatisch verändert. Ich kannte diese glorreichen Zeiten nicht, deshalb beeinflusste mich dieser Kulturwandel nicht sonderlich.» Die Mitarbeiterfluktuation hält jedoch an: «Der Mitarbeiterbestand hat zweimal gewechselt.» Der anhaltende Kostendruck und Sparzwang erfordern schliesslich auch vom HR Opfer: «Anfänglich waren wir als HR Manager zu dritt für knapp tausend Mitarbeitende verantwortlich. Nach einem Jahr war ich die Einzige, die vom Team übrig war.» Dennoch bleibt sie vorerst: «Bei Salt haben sich für mich Chancen aufgetan, für die ich anderswo zehn Jahre investiert hätte.»

Das Leben auf der «Überholspur» fordert jedoch seinen Tribut. «Als die Auswirkungen auf meine Gesundheit und mein Privatleben zu gross wurden, habe ich die Reissleine gezogen.» Sie wechselt ins Bakom, um ein paar Gänge zurückzuschalten. Die nächste Krise lässt dort nicht allzu lange auf sich warten: Die Covid-19-Pandemie, mit der sie sich als HR-Leiterin nun auseinandersetzt.

Zur Person

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Martina Burulic (37) wächst als ältestes von drei Geschwistern in Kroatien auf, während ihr jüngster Bruder elf Jahre später in der Schweiz zur Welt kommt. Mit sieben Jahren kommt sie 1991 in die Schweiz und schliesst hier die obligatorischen Schulen ab. 2002 erlangt sie ihr Wirtschaftsmittelschuldiplom und die Berufsmaturität, wird 2003 Mutter eines Sohnes. Nach der Geburt arbeitet sie zunächst als Verkaufsberaterin bei der Grosspeter AG in Muttenz.

2005 wechselt sie zu Sixt Rent a Car, wo sie erstmals am Rande mit HR-Fragen in Kontakt kommt. 2010 übernimmt sie bei Feldschlösschen die teaminterne Verantwortung für ein SAP-Projekt, wechselt zum IT Distributor Elconex und geht ins HR. Kurz bevor das Unternehmen 2016 Konkurs geht, wird sie Human Resources Manager beim Telekommunikations-Unternehmen Salt, wo sie ab 2018 zum HR Director aufsteigt.

Im November 2019 wechselt sie zum Bakom, wo sie die HR-Gesamtverantwortung übernimmt. Burulic interessiert sich für altrömische Kultur, ist begeisterte Motorradfahrerin und macht zurzeit ihren Bootsschein. Sie lebt zusammen mit ihrem Sohn und ihrem zweiten Ehemann in Schalunen, im Bernbiet.

Ein Tag im Leben von Martina Burulic:

  • 6:10 Uhr: Gemeinsamer Kaffee mit meinem Partner.
  • 7:15 Uhr: Fahrt ins Geschäft.
  • 7:45 Uhr: Beginn des Arbeitstags.
  • 9:00 Uhr: Teampause.
  • 12:00 Uhr: Mittagspause in der Cafeteria.
  • ab 13:00 Uhr: Besprechungen.
  • 16:00 Uhr: Korrespondenz bearbeiten.
  • 18:00 Uhr: Arbeitsende.

Was motiviert Sie, morgens aufzustehen?
Ich freue mich auf den gemeinsamen Kaffee mit meinem Mann, bevor wir das Haus zusammen verlassen.

Wo verbringen Sie Ihre Mittagspause?
Seit ich beim Bakom arbeite, immer in der ­Cafeteria, wo ich darauf bedacht bin, mich in der Pause mit den Leitern der Sektionen Betriebswirtschaft und Organisation auszutauschen.

Ihre letzte Tat des Tages?
Ich habe aufgehört, meine E-Mails nach 21 Uhr abzurufen – das ist ab und zu noch immer ein innerer Kampf.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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