HR Today Nr. 6/2020: Porträt & Video-Porträt

Die Strukturierte

Monia Vidi ist Mutter dreier Kinder, Chief Human Resources Officer bei Localsearch (Swisscom Directories AG) und beruflich wie privat gut organisiert. Etwas, das ihr in Zeiten der Covid-19-Pandemie zugutekommt.

Ping. Soeben hat sich Monia Vidi per Videokonferenz zugeschaltet. Sie lächelt in die Kamera und das Gespräch beginnt: ein Porträttermin in Zeiten der Covid-19-Pandemie. Als Chief Human Resources Officer bei Localsearch (Swisscom Directories AG) ist Vidi zurzeit extrem gefordert. «Wir müssen für unsere Mitarbeitenden da sein, ihre Sorgen teilen und sie so gut wie möglich bei ihrer Arbeit unterstützen.» Zurzeit vor allem virtuell, betont sie.

Die Pandemie hat Vidi jedoch nicht auf kaltem Fuss erwischt: «Die meisten unserer Mitarbeitenden haben wir bereits vor dem Lockdown ins Homeoffice geschickt.» Da Localsearch die notwendigen digitalen Strukturen schon vor dem Lockdown gehabt habe, sei die Kommunikation innerhalb der Firma immer gewährleistet gewesen.

Unterstützung aus der Ferne

Dass das Arbeiten im Homeoffice seine Tücken haben kann, weiss Monia Vidi aus eigener Erfahrung: «Es braucht viel Disziplin, Eigenverantwortung und ein hohes Mass an Selbstorganisation, wenn man plötzlich von zu Hause aus arbeitet.» Ein gut organisierter Alltag war für Vidi bereits vor dem Lockdown als Familienfrau und Mutter dreier Kinder das A und O. Deshalb hat sich für sie wenig verändert: «Sonst könnte ich meinen Job als HR-Leiterin nicht in einem 80-Prozent-Pensum machen.» Dass ihr das gelingt, verdankt Vidi vor allem ihrer Tagesmutter. Eine Lösung, die sie entlastet und ihren Kindern Vorteile bringt. «Sie haben eine weitere Bezugsperson in ihrem Leben, die für sie da ist. Das schätzen sie sehr.»

Auch das HR ist gefordert, wenn Mitarbeitende zu Hause arbeiten. Etwa, um zu erkennen, ob es jemandem gut oder weniger gut gehe. «Viele sind plötzlich sieben Tage in der Woche mit ihrer Familie zusammen. Da kann es zu Spannungen kommen.» Auf der anderen Seite falle Alleinlebenden schon mal die Decke auf den Kopf. «Der Austausch untereinander ist deshalb essenziell. Ein Videocall bietet zumindest die Gelegenheit, sich zu sehen und sich anzulächeln.»

Zudem schaffen virtuelle Meetings eine Struktur im Alltag. Neben regelmässigen Intranet-Updates erhalten die Localsearch-Mitarbeitenden vom HR auch ungewöhnliche Post: Beispielsweise ein Terraband, das ihnen die ungewohnte Lage erleichtern soll.

Entwicklung und entwickeln

Trotz Pandemie behält Monia Vidi ihre ursprünglichen Ziele vor Augen und beschäftigt sich als Geschäftsleitungsmitglied mit der Organisationsentwicklung. «Wir müssen proaktiv handeln und sicherstellen, dass sich unsere Organisation entwickeln kann.» Ein Managementsystem zur zielgerichteten Mitarbeiterführung mit Management Objectives and Key Results (OKR) steht für sie deshalb derzeit im Fokus.

Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit ist ihr ein besonderes Anliegen: «In einem Unternehmen mit 800 Mitarbeitenden in sieben Bereichen ist man vor dem Gärtchendenken nicht gefeit.» So käme es schon einmal vor, dass bei der Entwicklung eines Projekts eine andere Abteilung vergessen werde, obwohl diese ebenfalls davon betroffen sei. Um die Kommunikation über das ganze Unternehmen hinweg zu verbessern, will sie deshalb abteilungsübergreifende Austauschmöglichkeiten etablieren. Keine leichte Aufgabe, doch das schreckt Vidi nicht ab: «Wenn ich etwas erreichen möchte, kann ich unglaublich hartnäckig sein und die Sachen konsequent durchziehen. Zudem kommt mir entgegen, dass ich nicht für eine Seite Partei ergreifen will». Kompetenzen, die sie sich nebst ihrer Strukturiertheit und Gewissenhaftigkeit in ihrer Erstausbildung zur Juris­tin an der Universität Fribourg angeeignet hat.

«Mitarbeitende verlassen ein Unternehmen, wenn sie sich nicht entwickeln können. Das müssen wir verhindern», sagt Vidi zum Personalentwicklungsprogramm von Localsearch. Damit sich die Beschäftigten künftig eigenständiger um ihre Karriere kümmern, kommt die 70-20-10-­Regel zum Zug, die der US-Amerikaner Bob Eichinger vom Center for Creative Leadership für die Fortbildung von Führungskräften entwickelt hat. So sollen sich die Localsearch-Fachkräfte künftig 70 Prozent ihres Know-hows durch Herausforderungen am Arbeitsplatz aneignen, 20 Prozent durch Feedback in ihrem beruflichem Umfeld und 10 Prozent durch klassische Fort- und Weiterbildungsangebote. «Durch dieses Modell sind wir vom Academy-Modell weggekommen und setzen vermehrt auf individuelle Coachings. Zudem richten wir eine E-Learning-Experience-Plattform ein, die unsere Mitarbeitenden individuell nutzen können.»

Ein Schritt vor, einer zurück

Das erste Mal schnuppert Vidi HR-Luft, als sie 1997 ihr Jus-Studium abschliesst. «Allerdings ohne besondere Vorliebe dafür. Ich wollte einfach nur arbeiten und Geld verdienen.» Über ein Temporärbüro kommt sie zur Citibank in Zürich, wo sie zunächst administrative HR-Aufgaben erledigt. Ein neues HR-Projekt tut sich kurze Zeit später auf: Sie baut mit ihrem Vorgesetzten den Bereich Compliance weiter aus.

Obwohl sie ihre Arbeit bei der Citibank schätzt, stellt sich Monia Vidi immer häufiger Frage: «Ist das, was ich tue, das, was mich interessiert?» Die Antwort hat sie bald gefunden und immatrikuliert sich für die Ausbildung am Höheren Lehramt für Handels- und Wirtschaftslehrer an der Universität Zürich. Der Grund? «Bei meiner HR-Tätigkeit beschäftigten mich vor allem arbeitsrechtliche Fragen und wirtschaftliche Zusammenhänge, ebenso das Thema Lernen. Deshalb wollte ich mich in diesen Bereichen weiterbilden.»

Nebst ihrem Studium bleibt Vidi nicht untätig und arbeitet als Vollzeit-HR-Consultant bei der Amrop Executive Search. Doch ihr Aufgabenspektrum erfüllt sie nicht: «Ich habe hauptsächlich Kandidaten rekrutiert, Berichte geschrieben und Assessments abgehalten.» Sie will das HR ganzheitlich kennenlernen. Als sie ihr Studium 2003 beendet, ist ihr Entschluss gefasst. Vidi macht sich mit einem eigenen Unternehmen selbständig.

Auf HR-Tätigkeiten will sie sich nicht beschränken: Über drei Jahre rekrutiert sie als Headhunterin Mitarbeitende, unterstützt Politiker als Ghostwriterin, führt ein kleines Anwaltsunternehmen und arbeitet viel zu viel. «Dieser Gemischtwarenladen konnte langfristig nicht funktionieren», sagt Vidi. «Dafür hätte ich mich mit einem HR-Thema positionieren müssen. Das widersprach jedoch meinem Anspruch, möglichst vieles abzudecken.» Ein Umbruch zeichnet sich ab. Vidi bewirbt sich 2005 als Leiterin Personalmanagement beim IT-Beratungsunternehmen AKW Group, wo sie das HR entwickelt, das sich bislang vornehmlich um administrative Aufgaben kümmerte.

Mit dieser neuen Herausforderung erweitert sich auch das HR-Spielfeld von Vidi: Sie erstellt ein Rekrutierungskonzept, überarbeitet die Lohnpolitik, passt Anstellungsreglemente an und baut ein Gesundheitsmanagement auf. Daneben beschäftigt sie sich mit der Mitarbeiterentwicklung: Vom Aufbau eines Führungsbildungssystems über die Implementierung eines Retentionskonzepts bis hin zu der Organisation von Teambildungsmassnahmen. Trotz dieser Aufbauarbeiten findet sie Zeit für ein weiteres Studium und absolviert einen Master of Advanced Studies in Personalmanagement am Institut für Angewandte Psychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Der Weg zur Chefposition

Als ihr Arbeitsalltag beim IT-Unternehmen immer mehr zur Routine wird, bewirbt sich die damals 38-Jährige 2010 bei der Tamedia AG, wo sie eine Stelle als Projektleiterin Human Resources antritt. Der Wechsel vom kleinen ICT-Unternehmen zum etablierten Medienkonzern mit über 4000 Mitarbeitenden ist für Vidi nicht ganz einfach: «Während ich bei der AKW Group frei schalten und walten konnte, war bei der Tamedia alles viel prozessorientierter. Mein Einflussbereich beschränkte sich als rechte Hand der HR-Leiterin.»

Trotzdem eignet sie sich neue HR-Fertigkeiten an: Etwa jene, sich mit den Gewerkschaften auszutauschen oder HR-Analysen zu erstellen. Die Idylle währt jedoch nicht ewig: Tamedia ist im Umbruch. 2015 kündigt ihre Chefin und das HR-Team bricht auseinander. In der neuen Organisation sieht Monia Vidi für sich keine Herausforderung mehr, und geht auch. So kommt sie zu Localsearch, wo Vidi HR Business Partner Sales wird. Dort kommt es wie bei Tamedia zu verschiedenen Chefwechseln: «Als wieder einer anstand, habe ich mich auf die Chefposition beworben und es hat geklappt.»

Zur Person

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Monia Vidi kommt 1972 zur Welt und wächst in der Stadt St. Gallen mit zwei jüngeren Geschwistern auf. Sie besucht die Primar- und Sekundarschule und absolviert das Wirtschaftsgymnasium. Nach einem viermonatigen Aufenthalt in Amerika beginnt sie 1992 ihr Rechtswissenschaftsstudium an der Universität Fribourg.

1997 schliesst sie ihr Lizenziat ab und steigt bei der Citibank (Switzerland) AG in Zürich ins Personalwesen ein. Zuerst in der HR-Administration tätig, unterstützt sie Finanzgrösse Walter Glanzmann beim Ausbau des Bereichs Compliance.

1999 kehrt Monia Vidi an die Universität Zürich zurück und schliesst 2003 ihr Diplom zum Höheren Lehramt für Handels- und Wirtschaftslehrer ab. Während des Studiums arbeitet sie als Vollzeit-HR-Consultant bei der Amrop Executive Search AG. 2003 macht sie sich selbständig. 2005 wechselt sie als Leiterin Personalmanagement zur AKW Group AG und beginnt zeitgleich am Institut für Angewandte Psychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften den Master of Advanced Studies in Personalmanagement, den sie 2007 abschliesst.

2010 kommt Vidi als Projektleiterin Human Resources zur Tamedia AG, wo sie fünf Jahre bleibt. Seit 2015 ist sie für Localsearch tätig. Zuerst als Leiterin HR Business Partner Sales und seit September 2018 als Chief Human Resources Officer.

Ein Tag im Leben von Monia Vidi

  • 6 Uhr: Aufstehen und einen Tee trinken.
  • 6:45 Uhr: Die Kinder (9, 11 und 12 Jahre alt) wecken. Gemeinsam frühstücken und den Tag besprechen.
  • Ab 7:45 Uhr: Arbeitsweg von Birmensdorf nach Zürich. Wenn das Wetter schön ist, fahre ich mit meinem Roller. Das hilft mir, ­Abstand von zu Hause zu gewinnen und mich mental aufs Büro vorzubereiten.
  • Ab 8 Uhr: Eintreffen im Büro. Meist ist der Tag vollgeladen mit Meetings, dazwischen Konzeptarbeiten.
  • 12 Uhr: Die Mittagspause halte ich strikt ein, um den Kopf durchzulüften. Meist esse ich gemeinsam mit meinem Team in unserer ­Cafeteria. Wenn es schön ist und es die Zeit erlaubt, gehe ich über den Mittag joggen.
  • Ab 13 Uhr: Zurück an die Arbeit, weitere Meetings und Konzeptarbeiten.
  • Ab 18:15 Uhr: Eintreffen zu Hause. Gemeinsames Abendessen mit der Familie. Für die Kinder da sein und sie ins Bett bringen.
  • Ab 23 Uhr: Ich gehe ins Bett, nachdem ich noch ein wenig im Internet gesurft habe. Das hilft mir, die Gedanken fliessen zu lassen, bevor ich einschlafe.
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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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