HR Today Nr. 8/2022: Arbeit und Recht I - Sportunfälle

Der Sport im Arbeitsrecht

Körperliche und mentale Fitness sind am Arbeitsplatz wichtig. Doch weder in den einzelvertraglichen Bestimmungen des Obligationenrechts noch im Arbeitsgesetz ist die Ausübung von Sport geregelt. Das birgt Risiken.

Eine spezifische Regelungen zum Sport gibt es weder im OR noch im Arbeitsgesetz, mit Ausnahme der Bestimmung zum sogenannten Jugendurlaub. Dabei handelt es sich um unentgeltliche leitende, betreuende oder beratende Tätigkeiten bei der ausserschulischen Jugendarbeit in einer kulturellen oder sozialen Organisation sowie der dazu notwendigen Aus- und Weiterbildung. Dafür muss der Arbeitgebende dem Arbeitnehmenden bis zum vollendeten 30. Altersjahr jedes Dienstjahr bis zu einer Arbeitswoche gewähren.

Doch Hobbys können auch negative Auswirkungen auf die Arbeit haben, insbesondere bei gewissen (Risiko-)Sportarten, deren Verletzungen regelmässig dazu führen, dass Arbeitnehmende der Arbeit fernbleiben. Aber ein Verbot von Risikosportarten in der Freizeit dürfte in der Regel vor Gericht allerdings nicht standhalten.

Lohnfortzahlungspflicht bei Sportunfall?

Ist der Lohnausfall nach einem Sportunfall nicht bereits durch eine Unfallversicherung gedeckt, hat der Arbeitgebende ­während einer beschränkten Zeit den Lohnausfall zu übernehmen, sofern das Arbeitsverhältnis über drei Monate dauerte, für mehr als drei Monate eingegangen wurde und kein Verschulden seitens des Arbeitnehmenden vorlag. Da ein Anspruch auf Taggeld erst ab dem dritten Tag nach dem Unfall besteht, trägt der Arbeitgebende in der Regel nur die Lohnkosten der ersten zwei Tage. Erzielt ein Arbeitnehmender ein Einkommen, das das maximal versicherte Jahreseinkommen von 148 200 Franken übersteigt, muss der Arbeitgebende zusätzlich 80 Prozent der Differenz zum tatsächlichen Lohn bezahlen. Bei Teilzeitarbeitenden mit einem Pensum von weniger als 8 Wochenarbeitsstunden trägt der Arbeitgebende den gesamten Lohnausfall während einer bestimmten Zeit, abhängig von der Arbeitsverhältnisdauer.

Voraussetzung für die Lohnfortzahlung ist, dass kein Verschulden des Arbeitnehmenden vorliegt. Grundsätzlich gilt, dass Sport- und Freizeitunfälle, die eine Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, nicht als Verschulden des Arbeitnehmenden qualifiziert werden. Das Ausüben von Sportarten, die bekanntermassen mit gewissen Risiken verbunden sind, wie Reiten, Skifahren, Tauchen, genügt noch nicht, um bei einem Unfall von einem Verschulden des Arbeitnehmenden auszugehen. Nur bei offensichtlichem Fehlverhalten wird die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebenden bei Sportunfällen ­ausgeschlossen.

Dieses kann in gewissen Fällen angenommen werden. Beispielsweise bei Skitouren in abgesperrten ­Gebieten, wo eine grosse Lawinengefahr herrscht, beim Eishockeyspielen ohne Helm oder generell bei der Ausübung risikobehafteter Sportarten mit fehlender oder bewusst mangelhafter Ausrüstung. Auch wenn Arbeitgebende die Ausübung von Risikosportarten nicht verhindern können, sind sie bei gewissen Unfällen von einer Lohnfortzahlungspflicht befreit.

Sport während einer Krankheit

Arbeitgebende nehmen vor allem durch Social Media Posts das Freizeitverhalten ihrer Arbeitnehmenden zur Kenntnis. Mit Verwundungen stellen sie zuweilen fest, dass krank­geschriebene Arbeitnehmende Sport treiben, obschon diese während einer Arbeitsunfähigkeit nichts tun dürfen, was ihrer Genesung zuwiderläuft.

Allerdings ist die Situation nicht so einfach und es ist jeweils der Einzelfall zu betrachten. So kann Sport bei psychischen Erkrankungen einer Genesung förderlich, bei Muskelverletzungen dagegen eher schädlich sein. Meldet sich ein Arbeitnehmender aufgrund einer Grippe als arbeitsunfähig von der Arbeit ab, dürfte Sport im Allgemeinen ebenfalls nicht drinliegen – sofern der Arbeitnehmende tatsächlich krank ist.

Wird der Heilungserfolg durch den Arbeitnehmenden durch das Sporttreiben bewusst gemindert, dürfte eine hierauf durch den Arbeitgebenden ausgesprochene Kündigung nicht missbräuchlich sein. Eine fristlose Entlassung ist nach vorgängiger Abmahnung im Wiederholungsfall gerechtfertigt. Das gilt auch bei regelmässigem Blaumachen.

Sport während der Ferien

Auch während der Ferien kann ein Arbeitgebender einem Arbeitnehmenden das Ausüben einer bestimmten Sportart nicht verbieten. Allerdings: Die Ferien sind zur Erholung da. Aus diesem Grund darf der Arbeitnehmende nichts tun, was die Erholung gefährdet. Das ist in erster Linie der Fall, wenn er dann erwerbstätig ist und im Ex­tremfall eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgebenden verrichtet. Dieser Fall ist im Obligationenrecht explizit vorgesehen (Art. 329d Abs. 3 OR).

Grundsätzlich wäre auch denkbar, dass sportliche Aktivitäten den Erholungszweck der Ferien gefährden. Auch dann wäre eine Kündigung wohl nicht missbräuchlich, allerdings sind soweit ersichtlich keine entsprechenden Urteile ergangen.

Zeitpunkt der Ferien für Sport

Gewisse Sportarten sind stark von der Jahreszeit abhängig. Das betrifft nicht nur das Skifahren, sondern auch das Surfen. Wettkampftermine sind mit dem Arbeitgebenden abzustimmen, damit die Teilnahme nicht vereitelt wird. Aus diesem Grund ist die Ferienplanung besonders wichtig. Das Obligationenrecht sieht zwar klar vor, dass der Arbeitgebende den Ferienzeitpunkt bestimmt, dennoch unterliegt dieses Recht erheblichen Einschränkungen. Somit hat der Arbeitnehmende gute Chancen, dass er seine Ferien zum gewünschten Zeitpunkt beziehen kann.

Vereinbarte beziehungsweise festgelegte Ferien dürfen zudem nicht einfach wieder geändert werden. Ausserdem existiert die Pflicht der gegenseitigen Rücksichtnahme. So hat der Arbeitgebende den Arbeitnehmenden zur Ferienfestsetzung anzuhören und auf dessen Wünsche möglichst Rücksicht zu nehmen, soweit das mit den Interessen des Betriebs vereinbar ist. Übergeht der Arbeitgebende die Ferienwünsche des Arbeitnehmenden, ohne dass es durch betriebliche Interessen gerechtfertigt ist, überschreitet er sein Festsetzungsrecht.

Haben Sie Fragen zum Thema?

Antworten gibt es auf HR Cosmos, dem grössten HR-Wissensnetzwerk der Schweiz mit über 3000 Mitgliedern.

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Nicolas Facincani, lic. iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner. Er ist als Rechtsanwalt tätig und berät Unternehmen und Private vorwiegend in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Belangen. Er doziert zudem regelmässig zum Arbeitsrecht. www.vfs-partner.ch

Weitere Artikel von Nicolas Facincani

Das könnte Sie auch interessieren