Eine erste Vorauswahl für IBM trifft der University Relations Manager: IBM hat für jedes grössere Land weltweit einen Verantwortlichen, der mit den Universitäten in Kontakt steht und alle Aktivitäten vor Ort koordiniert. Unter anderem macht er auch auf das Great Minds Program aufmerksam. Im Internet können die Kandidaten schauen, wo an welchem Projekt gearbeitet wird. Bei der Bewerbung müssen sie dann drei Präferenzen angeben, wo sie am liebsten arbeiten würden. Konnten die Studenten ursprünglich nur nach Zürich kommen, so stehen ihnen heute zum dritten Mal das Labor in Haifa offen sowie seit diesem Jahr ganz neu die Labors in Dublin und China. Im Labor in Peking sind in der ersten Phase aus organisatorischen Gründen alle Teilnehmer Chinesen. Zukünftig ist jedoch geplant, auch ausländischen Studenten ein Praktikum in diesem Forschungszentrum zu ermöglichen.
Der University Relationship Manager schaut, welche Kandidaten geeignet sind, und leitet die Bewerbungen an IBM weiter. «2014 erhielten wir 76 Bewerbungen aus elf Ländern», erläutert Csilla Bohnhoff, die von Zürich aus das Great Minds Program organisiert. Bei ihr treffen alle Bewerbungen, auch für andere Labors, ein, und ein erfahrener Wissenschaftler prüft, ob sich die Bewerber für ein aktuelles Projekt eignen. In einem letzten Schritt werden die Bewerbungen in die einzelnen Fachabteilungen weitergegeben. Passt das Profil zum Projekt, wird der Kandidat in das Great Minds Program aufgenommen und kann sein drei- bis sechsmonatiges Praktikum beginnen. «Wir haben keine Vorgabe, wie viele Bewerber wir nehmen dürfen», sagt Csilla Bohnhoff. «Ob jemand genommen wird oder nicht, richtet sich danach, ob er gebraucht wird.»
Gebraucht wurde damals auch Tomas Tuma. Der heute 30-Jährige arbeitet immer noch bei IBM. «Durch das Praktikum erhielt ich die Möglichkeit, mich vertieft mit einem Projekt auseinanderzusetzen. So konnte ich viele Erfahrungen sammeln und von anderen lernen», schwärmt der Tscheche. Nach dem Praktikum im Rahmen des Great Minds Program arbeitete er für seine Doktorarbeit bei IBM Research, jetzt hat er eine Postdoc-Stelle. «Aus jedem der jährlichen Programme blieb mindestens einer der Teilnehmer bei uns hängen und arbeitet immer noch für IBM», sagt Programmverantwortliche Csilla Bohnhoff.
Win-Win-Situation
Während Praktikanten andernorts zum Kopieren und Kaffeekochen missbraucht werden, arbeiten sie bei IBM Research an einem Forschungsprojekt aktiv mit. «Sie werden Teil eines Teams von Wissenschaftlern und leisten mit ihren Fachkenntnissen und innovativen Ideen einen Beitrag zum Gelingen», sagt Oliver Ottow. Die Studenten bekommen nicht nur die volle Unterstützung von IBM, das Unternehmen kommt auch für alle Kosten auf. Doch auch IBM profitiert: «Projektleiter erhalten Zugang zu jungen Talenten, die sie nicht unbedingt auf dem Radar hatten», erläutert Ottow die Vorteile für IBM. «Die Forschung lebt von Studenten, diese sind ein Innovationsmotor.» Dank des Programms erhält das Forschungslabor Zugang zu hochtalentierten jungen Mitarbeitern und der Technologiekonzern kann leistungsfähige Fachkräfte gewinnen, die passen. Zudem hat sich das Great Minds Program in den vergangenen sechs Jahren gemäss Aussage von IBM zu einem regelrechten Brand entwickelt. «Wenn Studenten ihre Teilnahme daran in ihrem Lebenslauf schreiben, hat das einen positiven Effekt.»
Die Great Minds-Studenten seien extrem motiviert, ergänzt Csilla Bohnhoff: «Sie erhalten eine Chance und packen diese auch.» Sie seien stolz, gewählt worden zu sein, und nutzten IBM als Sprungbrett für ihre Karriere.
Das sagen Teilnehmer des Great Minds Program
Adela-Diana Almasi (28) aus Rumänien und Stanislaw Wozniak (28) aus Polen nahmen 2012 am Great Minds Program teil und sind ebenfalls in Zürich hängen geblieben: Beide arbeiten nun als PhD-Studenten bei IBM und haben dafür einen dreijährigen Vertrag erhalten. Während Stanislaw Wozniak durch ein Poster an seiner Universität auf das Programm aufmerksam wurde, erhielt Adela-Diana Almasi von ihrem Professor eine Empfehlung. «Das Praktikum war eine fantastische Gelegenheit, auf viele hochqualifizierte Menschen zu treffen», sagt die Rumänin. Man werde in reale Projekte involviert und erfahre viel Wertschätzung für die Arbeit. Zudem öffne das Programm viele Türen. Dem stimmt auch Stanislaw Wozniak zu: «Bei IBM gibt es viele interessante Karrieremöglichkeiten, und das Great Minds Program ist ein erster Schritt.»
Nicht nur Teilnehmer des Great Minds Programs können bei IBM Research ein Praktikum machen. Während sich Studenten der ETH oder EPFL so oder so im IBM Forschungszentrum in Rüschlikon meldeten, war es dem Labor-Direktor ein Anliegen, Zugang zu weiteren hochkarätigen Unis zu erhalten, um aus einem Pool von talentierten Mitarbeitern wählen zu können. Deshalb konzentriert sich das Great Minds Program vor allem auf Osteuropa, den Nahen Osten und Afrika.
Dank des Great Minds-Pool spürt IBM Research auch kaum den Fachkräftemangel. «Wir sind nicht auf lokale Märkte begrenzt, sondern haben einen weltweiten Pool an fähigen Talenten. Programme wie Great Minds helfen dabei enorm», so Ottow. Die besten Leute weltweit zu bekommen, bleibt aber dennoch eine Herausforderung.