Indische Mitarbeiter rekrutieren

«Die indische Generation Y will das Google-Feeling»

Schweizer Firmen in Indien tun sich vermehrt schwer, gute indische Mitarbeiter zu finden – und zu halten. Indienkenner Waseem Hussain erklärt, warum das so ist, und wie Schweizer Firmen indische Mitarbeiter für sich gewinnen können.

Mitarbeiter in Indien zu rekrutieren war früher schon schwierig. Das indische Bildungswesen ist ein Zwei-Klassen-System. An der öffentlichen Volksschule ist das Bildungsniveau – mit Ausnahme von wenigen Elite-Universitäten – tief. Es gibt stattdessen viele extrem teure Privatschulen, wo ein gutes MBA gerne 40’000 Franken kostet. «Das muss man sich erst mal leisten können», sagt Waseem Hussain, Geschäftsführer der Marwas AG, die unter anderem auf die Rekrutierung von indischen Mitarbeitern spezialisiert ist. Deshalb gebe es in Indien wenige Uni-Absolventen mit guter Bildung.

Kommt hinzu, dass an den Hochschulen bis vor wenigen Jahren vor allem Theorie, aber keine angewandte Wissenschaft unterrichtet wurde. «Informatiker kannten Informatik nur aus dem Hörsaal», nennt Hussain ein Beispiel. Die Folge: Die Studenten verfügten über keine Praxiserfahrung. Deshalb mussten Schweizer Firmen Inder «on the job» ausbilden. Zwar erhielten die Arbeiter wenig Lohn, dennoch waren sie für die Firmen teuer. War die firmeninterne Ausbildung beendet, kündigte der Mitarbeiter oft und suchte sich einen besser bezahlten Job in einer anderen Firma.

Zur Person

Waseem Hussain (47), Schweizer mit indischen Wurzeln, spricht neben Deutsch und Englisch die indischen Sprachen Hindi und Urdu und ist oft in Indien. Er ist Geschäftsführer der Firma Marwas AG und berät Unternehmen, die in Indien tätig sind. Er unterstützt sie vor allem bei der Suche nach hochqualifizierten Mitarbeitern und Führungskräften und leitet Seminare zu Indien-Themen.

Anspruchsvolle Generation Y

Heute sei es für ausländische Firmen in Indien noch viel schwieriger, indische Mitarbeiter zu finden und zu halten, sagt Hussain. Zum einen gebe es heute viel mehr Jobmöglichkeiten, zum anderen sei die indische Generation Y ebenso anspruchsvoll und habe die gleiche hohe Erwartungshaltung gegenüber ihren Arbeitgebern wie die junge Generation in der Schweiz. «Sie wollen einen super Lohn, ein Geschäftsauto und viel Freizeit», sagt Hussain.

Um aus indischen Mitarbeitern das Beste herauszuholen, müssen sie patriarchal geführt werden, war lange die gängige Lehrmeinung (vgl. Artikel Indische Mitarbeiter: Fallen der «Yes Culture»). Das war früher. Die Generation Y dagegen will das «Google-Feeling», wie es Hussain nennt, das Gefühl von Freiheit. Indien sei eine offene Gesellschaft, die Medien weitgehend frei und die Generation Y sehr mobil und ständig online: «Sie weiss, was auf der Welt los ist und was sie von einem Arbeitgeber erwarten kann, deshalb stellt sie mehr Ansprüche.»

Um an gute indische Mitarbeiter heranzukommen, empfiehlt Hussain den Unternehmen, ihr Corporate Employer Branding anzupassen und zum Beispiel für eine offenere Bürokultur zu sorgen oder neue Arbeitsformen auszuprobieren. Doch nicht nur die jungen Leute müssen zufriedengestellt werden, auch Mitarbeiter über 40 gilt es, nicht zu vernachlässigen. Der Indienkenner schlägt vor, diese als Götti oder Mentoren einzubinden und sie intern weiterzubilden. «Interne Aus- und Weiterbildung ist für indische Mitarbeitende sehr wichtig und bringt sie dazu, dem Unternehmen treu zu bleiben sowie sich mehr für die Firma einzusetzen.»

Communities und Schweiz-Reisen

Um Mitarbeiter zu halten, braucht es zudem ein gutes Retention Management. So sei es etwa sinnvoll, Communities in der Firma zu gründen, zum Beispiel Yoga-Gruppen oder Ähnliches. Ausserdem rät Hussain, Mitarbeitern von Schweizer Firmen in Indien die Möglichkeit zu geben, einmal pro Jahr in die Schweiz zu kommen, quasi als Belohnung für ihre Arbeit: Eine Kombination aus Businessreise und Ferien. So erhalten die Inder die Chance, nicht nur das Land, sondern auch die Abläufe und Prozesse der Firma in der Heimat kennenzulernen. «Das wird von indischen Mitarbeitern enorm geschätzt», ist Hussain überzeugt. Einerseits werde so das Bedürfnis nach Mobilität befriedigt, andererseits entstehe eine emotionale Bindung zum Arbeitgeber. Sowohl für indische Mitarbeiter in Indien als auch für solche in der Schweiz gilt: Sie müssen das Gefühl haben, nützlich zu sein, einen sinnvollen Job zu machen.

Für Schweizer Firmen sei es allein schon wegen der Sprache schwierig, ausländische Mitarbeiter in die Schweiz zu locken. «Nur in wenigen Organisationen ist Englisch die Unternehmenssprache, und im Alltag ist Englisch sehr beschränkt verbreitet.» Da indische Expats nach drei bis vier Jahren die Schweiz wieder verlassen, seien sie – wie andere ausländische Mitarbeiter auch – an einer Integration oft nicht interessiert. «Generell hat die Schweiz aber ein gutes Image in Indien.»

Das Image mag zwar gut sein, doch sind Schweizer Firmen in Indien oft zu wenig präsent. «Wer den Konkurrenzkampf um Talente gewinnen will, muss bekannt sein», sagt Hussain. Schweizer Unternehmen müssten in Indien mehr PR betreiben und vor allem auch an Job-Messen präsent sein. Hussain empfiehlt ihnen zudem, Partnerschaften mit indischen Hochschulen einzugehen und einen Wettbewerb, Forschung oder einen Lehrstuhl zu finanzieren sowie an den Recruitment Days der Hochschulen anwesend zu sein. «Die Deutschen, Engländer, Amerikaner, ja sogar die Österreicher sind da schon deutlich weiter und präsenter.» Schweizer Firmen müssten mit Jobinhalten überzeugen, sich attraktiv machen als «employer of choice». «Grosse internationale Firmen wie etwa die Swiss Re haben das bereits geschafft, andere haben noch Nachholbedarf», sagt Hussain.

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