Die Lohngleichheitsanalyse
Ab dem 1. Juli 2020 werden grössere Unternehmen dazu verpflichtet, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Diese soll die in der Schweizer Bundesverfassung angestrebte Lohngleichheit zwischen Frau und Mann fördern.
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Gemäss Art. 8 Abs. 3 der Schweizer Bundesverfassung sorgt das Gesetz für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau, vor allem punkto Familie, Ausbildung und Arbeit. Männer und Frauen haben Anspruch auf einen gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Das Gleichstellungsgesetz (GlG) konkretisiert den Gleichstellungsartikel der Bundesverfassung für das Erwerbsleben.* Das GlG gilt jedoch nicht nur für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse in Bund, Kantonen und Gemeinden, sondern auch für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse nach Obligationenrecht (OR). Arbeitnehmende im öffentlichen und privaten Bereich haben denselben Schutz beziehungsweise den gleichen Anspruch auf eine gleichwertige Behandlung.
Das GlG verbietet jegliche geschlechterspezifische Diskriminierung im Erwerbsleben. So lautet Art. 1 GlG: «Dieses Gesetz bezweckt die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann.» Das Diskriminierungsverbot erstreckt sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis (insbesondere auf die Anstellung und deren Bedingungen, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung). Dabei sind sowohl direkte als auch indirekte Diskriminierungen verpönt. Neu, das heisst ab dem 1. Juli 2020, werden – zur Förderung der seit Langem angestrebten Lohngleichheit (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) – grössere Unternehmen verpflichtet, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen.
Pflicht zur Lohngleichheitsanalyse
Öffentlich-rechtliche wie privatrechtliche Arbeitgebende, die am Anfang eines Kalenderjahres 100 oder mehr Arbeitnehmende beschäftigen, müssen also für dasselbe Jahr eine betriebsinterne Analyse zur Lohngleichheit durchführen (Art. 13a Abs. 1 nGlG). Die Zählung geht nach Köpfen und nicht etwa nach Anzahl Vollzeitäquivalenten, wobei Lernende nicht als Arbeitnehmende in diesem Sinne zu verstehen sind.
Die Lohngleichheitsanalyse muss im Grundsatz alle vier Jahre wiederholt werden. Fällt die Zahl der massgebenden Arbeitnehmenden in diesem Zeitraum unter 100, muss die Analyse erst wieder durchgeführt werden, bis per Anfang Jahr wieder 100 Personen dort arbeiten. Zeigt die Analyse, dass die Lohngleichheit eingehalten ist, werden die Arbeitgebenden von der Pflicht befreit.
Ausnahmen
Keine Lohngleichheitsanalyse müssen Arbeitgebende durchführen:
- die in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einer Kontrolle über die Einhaltung der Lohngleichheit unterliegen;
- die bei einem Antrag auf Gewährung von Subventionen einer solchen Kontrolle unterliegen oder
- bei denen bereits eine solche Kontrolle durchgeführt wurde, die nachgewiesen hat, dass die Firma die Anforderungen erfüllt – sofern die Kontrolle nicht länger als vier Jahre zurückliegt.
Überprüfung
Private Arbeitgebende müssen die von ihnen durchgeführte Lohngleichheitsanalyse von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen. Dafür können sie wählen zwischen
- einem Revisionsunternehmen mit einer Zulassung nach dem Revisionsaufsichtsgesetz,
- einer Organisation, die die Gleichstellung von Frau und Mann gemäss ihren Statuten fördert oder die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahrt und seit mindestens zwei Jahren besteht oder
- einer Arbeitnehmervertretung gemäss dem Mitwirkungsgesetz.
Arbeitgebende müssen gemäss Handelsregister ihre gesetzliche Revisionsstelle nicht zwingend beiziehen, sondern können ein anderes qualifiziertes Revisionsunternehmen mit der Prüfung beauftragen. Auch hier gilt das Revisionsgeheimnis nach Art. 730b Abs. 2 OR.
Wird ein Revisionsunternehmen mit der Prüfung der Lohngleichheitsanalyse beauftragt, muss der Arbeitgebende diesem alle Unterlagen übergeben und alle Auskünfte erteilen, die das Beratungsunternehmen für die Erfüllung der Überprüfung benötigt. Das Revisionsunternehmen überprüft (nur), ob die Lohngleichheitsanalyse formell korrekt durchgeführt wurde. Dabei handelt es sich um eine formelle Prozessüberprüfung in standardisierter Form und nicht um eine materielle Prüfung, ob es im Unternehmen ein Problem mit der Lohngleichheit gibt. Innerhalb eines Jahres nach Durchführung der Analyse muss der Prüfbericht der Unternehmensleitung vorgelegt werden.
Soll die Überprüfung durch eine Arbeitnehmer- oder Gleichstellungsorganisation durchgeführt werden, sprechen sich die Parteien über das Vorgehen bei der Überprüfung und der Berichterstattung zuhanden der Leitung des Unternehmens ab. Bei öffentlich-rechtlich angestellten Arbeitnehmenden regelt die zuständige öffentliche Hand (Bund oder Kanton) die Durchführung der Überprüfung der Lohngleichheitsanalyse.
Information
Die vom Gleichstellungsgesetz betroffenen Arbeitgebenden müssen ihre Arbeitnehmenden spätestens ein Jahr nach Abschluss der Überprüfung schriftlich über das Ergebnis der Lohngleichheitsanalyse informieren. Zusätzlich veröffentlichen Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, das Ergebnis der Analyse im Anhang der Jahresrechnung. Arbeitgebende im öffentlich-rechtlichen Sektor müssen die einzelnen Ergebnisse der Lohngleichheitsanalyse und der Überprüfung ebenfalls veröffentlichen.
Sanktionen
Abstrafungen für Fälle, wo keine Lohngleichheitsanalyse durchgeführt wird, sind keine vorgesehen. Allerdings darf das Risiko eines Reputationsverlusts nicht unterschätzt werden. Ob es im Gleichstellungsprozess sogar – wie teilweise von Juristen vorhergesagt – zu Prozessen gegen Arbeitgebende kommt, bleibt einstweilen abzuwarten.