Die Teilzeiterin
Denise Schenk arbeitet als Leiterin Human Resources und Geschäftsleitungsmitglied bei der Gesellschaft für Arbeit und Wohnen in Basel «nur» 60 Prozent. Eine Gelegenheit, mit ihr über Teilzeitarbeit in Kaderpositionen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sprechen.
«Ich wünsche mir, dass die Arbeitgebenden endlich umdenken. Das Potenzial von Eltern wird viel zu wenig genutzt», sagt Denise Schenk, Teilzeiterin und Mutter. (Foto: HR Today)
Die Gesellschaft für Arbeit und Wohnen (gaw) in Basel gleicht an diesem Donnerstagnachmittag einem Bienenhaus. Türen gehen auf und zu, Mitarbeitende tauschen sich in den Gängen aus. Auch die Tür von Denise Schenk, Leiterin Human Resources und Geschäftsleitungsmitglied, steht offen: «Wir leben hier eine Open Door Policy.» Das sei positiv, auch wenn es ihren durchstrukturierten Tagesplan manchmal über den Haufen wirft. «Bei meinem 60-Prozent-Pensum muss ich mir meine Zeit gut einteilen», erklärt Schenk, «aber es funktioniert sehr gut.» Deshalb bedauert sie, dass bislang nur wenige Kader- oder Geschäftsleitungspositionen von Teilzeitmitarbeitenden bekleidet werden. «Uns geht dadurch ganz viel Know-how und Potenzial am Arbeitsmarkt verloren.»
Es geht auch anders: Als Denise Schenks Sohn Nicolas 2017 zur Welt kommt, entscheidet sich die damals 36-Jährige gegen ein Vollzeitpensum. «Ich wollte für mein Kind da sein und es aufwachsen sehen.» Gleichzeitig möchte sie ihren Beruf nicht aufgeben. «Ich war immer sehr engagiert und habe viel gearbeitet.» Etwa bei der AMAC Aerospace Switzerland AG, wo sie das HR aufbaut und leitet oder beim internationalen Technologiekonzern Ruag, bei dem sie die fachliche Verantwortung für das HR Schweiz innehat und das Social Media Recruiting einführt.
Familieninterner Hütedienst
Dass Schenk heute Familie und Beruf unter einen Hut bringt, verdankt sie vor allem der Mithilfe ihrer Mutter: «Wir wohnen in einem Mehrgenerationenhaus. Wenn mein Sohn nicht in der Kita ist, passt meine Mutter drei halbe Tage auf ihn auf.» Ihr Arbeitgeber, die Gesellschaft für Arbeit und Wohnen, wo sie seit Herbst 2018 als HR-Leiterin tätig ist, hat Verständnis für ihre familiäre Situation: «Mein Chef, mein Team und die Mitarbeitenden stehen hinter meinem Teilzeitarbeitsmodell.»
Keine Selbstverständlichkeit, weiss Schenk: «In der Schweiz sind wir noch etwas rückständig, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht.» Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie funktioniere häufig nur, wenn Frauen ihre berufliche Verantwortung, Führungsspanne oder Kaderstufe reduzieren. «Weibliche Führungskräfte müssen sich zwischen Karriere und Familie entscheiden.» Das stört Denise Schenk.
Viele Unternehmen böten immer noch keine Teilzeitfunktionen auf Kaderstufe oder flexible Arbeitszeitmodelle an. Sie selbst habe in zahlreichen Bewerbungsselektionen erlebt, dass Frauen ab 30 Jahren nicht mehr eingeladen würden, weil sie Kinder bekommen könnten. Ebenso verhalte es sich bei Frauen mit Kleinkindern. «Man befürchtet, dass sie bei Erkrankungen ihres Nachwuchses oft abwesend sind. Der Blick richtet sich nicht auf das Potenzial der Führungskraft, sondern lediglich auf mögliche Probleme.
Unverständlich», findet Schenk, die überzeugt ist, dass teilzeitarbeitende Eltern prozentual mehr leisten als Vollzeitangestellte, weil sie mehr Arbeit in ihr reduziertes Pensum packen müssen. Zudem zwinge die Koordination von Teilzeitpensen ein Unternehmen, die firmeninternen Prozesse zu hinterfragen. «Ich wünsche mir, dass Arbeitgebende endlich umdenken. Das Potenzial von Eltern wird viel zu wenig genutzt.»
Kurze Entscheidungswege
Für Denise Schenk ist die Stelle bei der gaw ein Glücksgriff. «Nicht nur, weil ich Familie und Beruf optimal vereinen kann, sondern auch, weil ich nach meiner strategischen Tätigkeit bei der Ruag wieder näher beim Menschen bin. Ich sehe jeden Tag, für wen ich arbeite.» Es gebe noch viel zu tun. «Unter anderem, weil die HR-Stelle vorher primär administrativ ausgerichtet war. Mit meiner Anstellung wünscht sich der Geschäftsführer nun ein zukunftsorientierteres HR-Management.»
Unterstützung erhält Denise Schenk von einer kürzlich rekrutierten Mitarbeiterin, die für die Personaladministration und die Payroll zuständig ist, und von ihren Geschäftsleitungskollegen aus den anderen Abteilungen. Ausserdem gehören seit Kurzem ein Lernender mit IV-Unterstützung und eine Mitarbeiterin mit begleitetem Arbeitsplatz zum HR-Team. «Ich möchte meinen Beitrag in der Förderung leisten und Menschen mit Unterstützungsbedarf im HR eine Perspektive bieten.»
Die Entscheidungswege bei der gaw sind kurz. «Wenn ich einen Projektvorschlag einreiche, wird innert kurzer Zeit darüber entschieden.» Derzeit beschäftigt sich Denise Schenk beispielsweise mit der Einführung eines modernen Zeitmanagements. «Bisher läuft alles noch über Excel. Das müssen wir so rasch wie möglich ändern.» Daneben will sie ein Absenzenmanagement einführen, die gaw-Personaldossiers digitalisieren und ein Weiterbildungskonzept erstellen. Nebst der Professionalisierung und Digitalisierung ist für Schenk auch das Arbeitgebermarketing ein Herzensthema. «Mich beschäftigt, wie wir uns als Arbeitgeber attraktiv machen. Weil wir eine Non-Profit-Organisation sind, können wir nicht mit extravaganten Löhnen, Boni oder Fringe Benefits werben.»
Zur Person
Denise Schenk (geb. Roth) kommt 1980 zur Welt, wächst im Bieler Seeland auf und erhält 2006 einen Bachelor of Law der Universität Bern. Nach ihrem Studium arbeitet Schenk 2007 ein knappes Jahr als Redaktionsleiterin der Richterzeitung bei der Weblaw AG in Bern.
2009 erfüllt sie sich ihren HR-Traum und startet bei der Aseantic AG in Biel als HR-Verantwortliche. Im HR angekommen, erwirbt sie 2011 den eidg. Fachausweis (HR-Fachfrau) und startet mit dem Diplom in der Tasche 2011 bei der AMAC Aerospace Switzerland AG in Basel als Director Human Resources.
2014 wechselt Schenk zur RUAG Corporate Services AG in Bern und Zürich als Vice President HR Corporate Services. Dort verbleibt sie bis zur Geburt ihres Sohnes Nicolas im Jahr 2017. Nach einer ausgedehnten Babypause ist Schenk seit Frühjahr 2019 Leiterin Human Resources und Geschäftsleitungsmitglied der Gesellschaft für Arbeit und Wohnen (gaw) in Basel.
Ein Tag im Leben von Denise Schenk
Was motiviert Sie, morgens zur Arbeit zu gehen?
Dass kein Tag dem anderen gleicht und ich nach einem strategischen Job bei der Ruag wieder näher bei den Mitarbeitenden bin. Ausserdem die gute Zusammenarbeit mit meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen und dass wir gemeinsam etwas bewirken können.
Wie beginnen Sie Ihren Arbeitstag?
Während der ersten Stunde überprüfe ich meine E-Mails und erstelle eine Tagesplanung. Klare Strukturen sind bei einem Teilzeitpensum unerlässlich.
Ihre Mittagspause verbringen Sie?
Zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlichsten Personen; etwa mit GL-Mitgliedern, Arbeitskolleginnen und -kollegen oder HR-Berufskolleginnen aus anderen Betrieben.
Wie erholen Sie sich?
Yoga ist fester Bestandteil meiner Arbeitswoche und sozusagen mein Lebenselixier.
Ihre letzte Tat des Tages?
Wenn ich unseren zweijährigen Sohn ins Bett gebracht habe und dabei nicht selbst einschlafe, geniesse ich den Austausch mit meinem Mann oder lese ein Buch im Bett.
- Kurz nach 6 Uhr: Aufstehen und den Sohn für die Krippe bereitmachen oder der Oma übergeben.
- 8 Uhr: Start im Büro. Tagesplanung erstellen und E-Mails checken.
- Ab 9 Uhr: Start Sitzungen, bilaterale Gespräche und Interviews sowie diverse Projektarbeiten. Plus viel Unvorhergesehenes, da wir eine Open Door Policy pflegen.
- Zwischen 12 und 13 Uhr: Maximal eine Stunde Mittagspause oder Arbeitsende. Ich arbeite jeweils an zwei ganzen und zwei halben Tagen in der Woche.
- Nachmittags: Sitzungen, bilaterale Gespräche und Interviews; dito Vormittag.
- 17 Uhr: Ende des Arbeitstages, wenn ich ganztägig im Büro bin.
- 17:30 Uhr: Den Sohn von der Krippe oder der Oma abholen.
- 22:30 Uhr: Lichterlöschen.