HR Today Nr. 10/2019: Porträt & Videoporträt

Die Verbindende

Silvia Sprecher hält die Fäden zusammen, wenn es um Personelles im Opernhaus Zürich geht. Keine einfache Aufgabe, wie das Porträt zeigt. Und im Video-Porträt verrät die Personalleiterin unter anderem, welche ihre Lieblingsoper ist.

Spiegelsaal im Opernhaus Zürich. An Aufführungstagen herrscht hier während der Pause ein reges Kommen und Gehen. Heute ist der Saal ausnahmsweise das «private Wohnzimmer» von Personalleiterin Silvia Sprecher. Irgendwie passend, bezeichnet sie die rund 700 Mitarbeitenden des Opernhauses doch als grosse Familie. Eine, die Sprecher in den letzten 20 Jahren ans Herz gewachsen ist, «auch wenn nicht immer alles rund läuft». Aber gerade das mache ihre Tätigkeit «zum spannendsten Beruf, den es gibt». Dass sie, und nicht eine Opernproduktion, im Rampenlicht steht, empfindet sie indes als gewöhnungsbedürftig. Manchmal braucht gut Ding eben Weile, bis die «Unsichtbare» zur «Sichtbaren» wird.

Doch wer ist Silvia Sprecher? Die Personalleiterin des Opernhauses Zürich – das wäre zu einfach. Denn Sprecher hat weitaus mehr Facetten zu bieten. 1958 in Zürich geboren und mit drei Geschwistern aufgewachsen, entscheidet sie sich nach der Matura für ein Studium der Geschichte und Anglistik. Doch die junge, schon damals engagierte Frau wird nicht glücklich. «Nach einem Jahr habe ich mein Studium abgebrochen und bin danach allen möglichen Jobs nachgegangen; von der Gastronomie bis zum kaufmännischen Bereich.» Nach vier Jahren ist sie an einem Punkt angelangt, an dem sie sich selbst sagt: «Schade um mein Talent, oder?» Sie schmunzelt und füllt den Raum mit ihrem herzlichen Lachen.

Die Ins-kalte-Wasser-Springende

Weil sie schon damals gerne mit Menschen arbeitet, erwirbt Silvia Sprecher das Zürcher Lehrerinnenpatent und arbeitet ab 1984 als Primarlehrerin an der Mittelstufe im Schulkreis Zürichberg. «Eine schöne, aber auch herausfordernde Zeit, bedingt durch schwierige Klassen und Schülerinnen und Schülern aus schwierigen Familienverhältnissen», erinnert sie sich. Nach fünf Jahren entscheidet sie sich für eine berufliche Neuorientierung. Der Berufsberater rät ihr, aufgrund ihrer kaufmännischen, pädagogischen und psychologischen Ausbildung ins HR zu wechseln. «Damals gab es noch keine HR-Ausbildung, weder als Personalassistentin noch als Personalleiterin.»

Silvia Sprecher bewirbt sich querbeet, unter anderem als Texterin bei der damals hippen Zürcher Werbe­agentur ASGS/BBDO. Sie bekommt einen Job, jedoch nicht als Texterin, sondern als Personalchefin. Sprecher nimmt die Herausforderung an und wagt den Sprung ins kalte HR-Wasser. «Mit gesundem Menschenverstand und gezielten Weiterbildungen habe ich den HR-Job von der Pike auf gelernt.» Ob sie rückblickend jemals bereut hat, keinen spezifischen HR-Titel erworben zu haben? «Nein. Als es diese Möglichkeiten erstmals gab, war ich schon sehr lange im Beruf tätig.» Ihr sei schon klar, dass eine solche HR-Karriere heute praktisch nicht mehr möglich sei.

Nach zwei lehrreichen Jahren in der Werbe­agentur gerät ihr Arbeitgeber in finanzielle Schwierigkeiten. Wieder steht Silvia Sprecher vor einer beruflichen Neuorientierung. Sie bewirbt sich 1991 unter anderem beim Sozialdepartement der Stadt Zürich als Personalverantwortliche und Projektleiterin – und wird genommen. Sie ist von ihrem Tun überzeugt, ihr Umfeld weniger: «Manche haben über meinen Wechsel von der hippen Werbeagentur in die öffentliche Verwaltung schon etwas die Stirn gerunzelt», sagt Sprecher. In der soeben geschaffenen Stelle bei der Stadt Zürich bewegt sie sich in einem politisch herausfordernden Umfeld, in dem sie dennoch viel Gestaltungsspielraum hat. «Ich habe die gesamten personalpolitischen Geschäfte betreut, ein Qualifikationssystem eingeführt, die Platzspitz-Krise hautnah miterlebt, genauso wie den Departementsvorsteherwechsel von Emilie Lieberherr zu Monika Stocker.»

Mit Stockers Amtsantritt wird das Sozialdepartement reorganisiert. Für Silvia Sprecher hat das direkte Auswirkungen auf ihren Verantwortungsbereich. Sie entscheidet sich erneut für eine Laufbahnveränderung. Bei der Stellensuche fällt Sprecher 1999 ein kleines Inserat des Opernhauses in die Hände, in dem die Stelle der Personalleiterin ausgeschrieben ist. Sie bewirbt sich und setzt sich gegen 180 Leute durch. Nicht zuletzt wegen ihrer Erfahrung im politischen Umfeld, in dem sich auch das vom Kanton subventionierte Opernhaus befindet.

Die Erneuerin

Kurz nach Silvia Sprechers Start tritt das neue Arbeitsgesetz in Kraft, das unter anderem mehr Einschränkungen bei der Sonntagsarbeit und längere Ruhezeiten vorsieht. «Das war für die Theater in der Schweiz eine riesige Herausforderung», erinnert sie sich. Als Projektleiterin entwickelt sie in langwierigen Verhandlungen mit den Gewerkschaftsvertretern neue Schichtmodelle für die Mitarbeitenden der Bühnenabteilungen. Nicht nur die Bühnenmitarbeitenden profitieren von ihrem Wirken. «In den übrigen Abteilungen haben wir ebenfalls flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitstellen, Jobsharing und weitere Modernisierungen eingeführt.» Nebst den klassischen HR-Prozessen kümmert sie sich um die Aktualisierung der bestehenden Gesamtarbeitsverträge, die Prävention sowie die Betreuung von Langzeiterkrankten.

Ihre wichtigsten Stützen sind ihr kleines HR-Team und ihr direkter Vorgesetzter, der Kaufmännische Direktor des Opernhauses Christian Berner. Sie tauscht sich wöchentlich mit ihm aus und pflegt mit allen anderen Abteilungsleitern und den Gewerkschaftsvertretern einen regen Kontakt. Auch das Gespräch mit den Mitarbeitenden liegt ihr vor allem in schwierigen Situationen am Herzen: «Ich habe schon ein wenig ein Helfersyndrom und löse gerne komplexe Probleme.» Stimme eine Situation am Ende für alle, freue sie sich. Läuft etwas nicht so rund, erschüttert sie der vorübergehende Ärger nicht: «Dann schaue ich mir eine Oper oder ein Ballett an und weiss wieder, weshalb ich hier bin.» Nicht nur Silvia Sprecher, auch die rund 700 Mitarbeitenden fühlen sich dem Opernhaus verbunden. So ist die Fluktuation im Haus relativ gering. «Wir feiern viele Dienstjubiläen und unsere Mitarbeitenden identifizieren sich genauso mit dem Haus wie ich.»

Die grosse Betriebstreue bringt jedoch nicht nur Vorteile, sondern auch Herausforderungen mit sich: «Manche Mitarbeitende sind auch noch da, wenn sie körperlich nicht mehr so fit sind, beispielsweise Bühnentechniker. «Hat jemand 30 Jahre auf der Bühne gearbeitet, nimmt seine Belastbarkeit über die Jahre hinweg ab. Dann müssen wir eine Lösung finden und den Mitarbeitenden an einen weniger anstrengenden Arbeitsplatz versetzen oder ihn bei einer vorzeitigen Pensionierung unterstützen und begleiten.» Rückblickend hat Silvia Sprecher aber fast immer ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt: «Das Opernhaus ist ein sehr sozialer Arbeitgeber. Da unterscheiden wir uns wohl ein wenig von der Privatwirtschaft.» Auch in der Rekrutierung finden sich Unterschiede. So ist Sprecher zwar für die HR-Prozesse im ganzen Haus verantwortlich, nicht aber für die Rekrutierung im Kunstbereich.

Die Entspannte

Trotz grossem Engagement versteht sich Silvia Sprecher nicht als Workaholic und geniesst ihre freien Tage. «Immer mehr», betont sie. «Ich versuche, aufs Alter etwas entspannter und gelassener zu werden und in einigermassen vernünftigen Zeiten meine Arbeit zu erledigen. Das gelingt mal besser, mal weniger.» Heute arbeitet Sprecher zumindest nicht mehr 100, sondern 90 Prozent. «Ich bin in meiner Freizeit auch nicht ständig erreichbar und online. Wenn mich mein Vorgesetzter oder mein Team bei Notfällen brauchen, bin ich aber jederzeit für sie da.»

Zur Person

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1958 in Zürich geboren, wächst Silvia Sprecher gemeinsam mit drei Geschwis­tern in der Stadt Zürich auf. Sie besucht dort die Primarschule, dann das Gymnasium und beginnt nach der Matura 1977 an der Universität Zürich ein Studium in Geschichte und Anglistik. Nach zwei Semes­tern bricht sie ab und jobbt vier Jahre in unterschiedlichsten Branchen, von der Gastronomie über die Fliegerei bis zum kaufmännischen Bereich.

1982 nimmt Silvia Sprecher das Zürcher Lehrerinnenpatent in Angriff und arbeitet ab 1984 als Primarlehrerin an einer Mittelstufe im Schulkreis Zürichberg. 1989 steigt sie als Personalchefin bei der ASGS/BBDO Werbeagentur AG in Zürich ein und wechselt 1991 ins Sozialdepartement der Stadt Zürich – als Personalverantwortliche und Projektleiterin. 1999 wird sie Personalleiterin der Opernhaus Zürich AG.

Silvia Sprecher wohnt in Egg bei Zürich, ist seit elf Jahren mit ihrem Lebenspartner liiert und besitzt einen Kater sowie ein Pferd.

Ein Tag im Leben von Silvia Sprecher

Was motiviert Sie, morgens zur Arbeit zu gehen?

Dass mich jeden Tag immer wieder neue und spannende Herausforderungen erwarten.

Wie beginnen Sie Ihren Arbeitstag?

Ich begrüsse mein Team, checke meine E-Mails und plane den Tag, der dann meist doch ganz anders herauskommt.

Ihre Mittagspause verbringen Sie … ?

Oft gibt es nur ein Sandwich oder einen Salat im Büro. Ausnahmen sind die Mittagessen mit meinen beiden Mitarbeiterinnen, den Lernenden oder mit Geschäftspartnern. Jeden Montag bin ich über Mittag im Training.

Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Tag?

Normalerweise bin ich um 9 Uhr vor Ort, da wir ein abendlastiger Betrieb sind. Die Mitarbeitenden haben sich daran gewöhnt, dass sie auch noch um 19 Uhr zu mir ins Büro kommen können.

Ihre letzte Tat des Arbeitstages?

Das Pult aufräumen und abschliessen. Ein leeres Pult am nächsten Morgen motiviert mich, auch wenn die Pendenzen natürlich nicht verschwunden sind.

Beispieltag

  • 9:00 Uhr: Arbeitsbeginn im Opernhaus Zürich.
  • Vormittag: Kein Tag gleicht dem anderen. Es gibt Tage mit vielen Sitzungen und (Einzel-) Gesprächen, unter anderem mit dem Kaufmännischen Direktor, dem Team, den Gewerkschaften und mit Mitarbeitenden, dazwischen HR-Arbeiten jeglicher Art.
  • Mittagessen: Variiert zwischen 12 und 14 Uhr.
  • Nachmittag: Fortsetzung der Arbeiten vom Vormittag.
  • 19:00 Uhr: Arbeitsende.
  • 19:45 Uhr: Ankunft zu Hause und den Feierabend mit meinen Lieben geniessen

 

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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