Durch Reflexion eigener Verhaltensweisen zum interkulturellen Manager
Sensibilität für kulturelle Unterschiede lässt sich trainieren, ebenso wie das Bewusstsein dafür, wie sehr Zusammenarbeit überhaupt von Diversität beeinflusst wird. Voraussetzung für den Erfolg dieser Übung ist die Reflexion über eigene Verhaltensweisen. Drei Praxisbeispiele zeigen, was Unternehmen für die zunehmend wichtigere globale Zusammenarbeit tun.
Samuel van den Bergh, Professor für Interkulturelles und Diversity Management an der ZHAW, vor der Kulisse von Kuala Lumpur.
«Ich bezeichne jemanden als interkulturell kompetent, wenn er nicht mehr will, dass der andere gleich ist wie er», sagt Samuel van den Bergh. Diese scheinbar simple Definition von interkultureller Kompetenz geht aus seinem theoretischen Wissen als Professor für Interkulturelles und Diversity Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und aus seiner Praxiserfahrung als Trainer hervor. In einer auch heute noch zitierten Studie konnten van den Bergh und Lehmann 2004 jedoch zeigen, dass nicht die Diversität alleine über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, sondern die Art und Weise, wie das Team mit der Diversität umgeht (KTI-Projekt «Managing Multicultural Teams, 2002–2004). Dabei ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren die so genannte ethnorelative Haltung: ob die Teammitglieder einander mit Toleranz, Sensibilität, Respekt und Neugier begegnen oder ob sie davon ausgehen, dass ihre Wertvorstellungen die normalen seien und für den Rest der Welt zu gelten hätten (ethnozentrische Personen).
Ein weiterer erfolgsrelevanter Punkt ist die Zusammensetzung des Teams. «Ungleichgewichte führen häufig zu kultureller Dominanz», erklärt van den Bergh. Beispielsweise können Leute aus der Muttergesellschaft des Konzerns die Kollegen aus der Tochtergesellschaft dominieren, Personen aus Industrieländern können denjenigen aus Entwicklungsländern wegen ihrer Herkunft überlegen sein oder die einen können ihre Muttersprache als Umgangssprache nutzen. «Sobald ein Wir/sie-Gefühl aufkommt in der Gruppe, läuft etwas schief», sagt van den Bergh. Zudem habe er festgestellt, dass multikulturelle Teams eher flexible Strukturen und eine partizipative Führungsform bevorzugen.
Unterschiede positiv nutzen
Interkulturelle Kompetenz lasse sich durchaus einüben, sagt van den Bergh, der Train-the-Trainer-Kurse für interkulturelles Training leitet und selbst als Dozent weltweit unterwegs ist (www.diversityandinclusion.net). In seinem Training geht es aber nicht um die «dos» und «don’ts». Die sind bei der Vorbereitung für einen spezifischen Auslandsaufenthalt durchaus nützlich, helfen die schlimmsten Fehltritte zu verhindern, sind jedoch nicht nachhaltig. «Im interkulturellen Kompetenztraining geht es primär um die Sensibilisierung. Ganz wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass die eigenen Verhaltensweisen und Wertvorstellungen von anderen auch als fremd, als ‹nicht normal›, empfunden werden», erklärt van den Bergh.
Sensibilisierung im Training fördern
Das Wissen um diese Andersartigkeit und dass sie positiv genutzt werden kann, hat in den letzten fünf Jahren auch die Verantwortlichen in den Unternehmen handeln lassen. So baute beispielsweise Novartis im Jahr 2005 zwei Pilotkurse auf: einen für Mitarbeitende, die in einem multikulturellen Umfeld arbeiten, und einen für Führungsleute mit internationalen Teams oder globalen Projekten. «Der Kurs für die Mitarbeitenden war wenig gefragt», sagt Katharina Amacker, Head of Diversity Schweiz beim Pharmakonzern. Einen Grund dafür sieht sie in den verschiedenen Diversity-Anlässen sowie breiter gefassten Weiterbildungen, die das Thema interkulturelle Kompetenz auch tangieren. «Der Bedarf der Mitarbeitenden war wohl mit diesen Angeboten bereits gedeckt», interpretiert Amacker. Tatsächlich bestätigt auch Samuel van den Bergh, dass multikulturelle Teams, wenn sie richtig betreut werden, nicht nur problemlos zusammenarbeiten, sondern die Diversität als Bereicherung erfahren und Perspektivenvielfalt wie Kreativitität zu schätzen wissen. Etabliert hat sich hingegen der Führungskurs – und er erfreut sich grosser Nachfrage, wie Amacker sagt. Im Jahr 2007 wurde der viertägige internationale Führungskurs «Leading global teams» zweimal durchgeführt, für 2008 sind bereits vier Trainings geplant.
Heike Otto hat zusammen mit rund 25 anderen internationalen Teilnehmenden den Kurs im letzten Jahr absolviert. «Ich arbeite seit zehn Jahren im Projektmanagement und bin immer wieder mit herausfordernden Kommunikationssituationen, anderen Werthaltungen sowie unterschiedlichen Konfliktlösungsmodellen konfrontiert», sagt Heike Otto, Project Leader von Research-Projekten bei Novartis. So habe ihr der Kurs beispielsweise die Augen geöffnet, warum sie mit einer Person immer wieder schwierige Diskussionen hatte. «Das war ein richtiges Aha-Erlebnis» erzählt die Deutsche in ihrer offenen Art. «Mir wurde klar, dass ich die Person mit meinem direkten und offenen Kommunikationsstil bildlich gesprochen an die Wand kommuniziert habe.» Der Kurs habe ihr verdeutlicht, welche Präferenzen sie habe, und wie diese in der Zusammenarbeit mit Leuten, die andere Kommunikations- und Führungsstile haben, zu Schwierigkeiten führen können. «Das Hauptziel des Kurses war das Bewusstsein für diese Unterschiede zu schärfen», erklärt Heike Otto.
Das begann bereits mit einem Online-Training vor dem Kurs. Dieses Training förderte die Selbsterkenntnis und zeigte in einer späteren Analyse auf, welches die leitenden Präferenzen in einer Kultur sind, die jedoch personell stark divergieren können. «Ich habe beispielsweise erkannt, dass ich Konflikte als konstruktiv empfinde und direkt angehe, so wie das den Deutschen oft nachgesagt wird», erläutert Heike Otto. «Aber das Training zeigte mir auch, dass ich in vielen Bereichen eben nicht <typisch deutsch> agiere.» Im Kurs selber, mit den vielen Fallbeispielen, Rollenspielen und Videosequenzen sei auch immer wieder klar belegt worden, dass es das «typisch» in einer Kultur gar nicht gebe.
Es sollte nicht um Wertung gehen
«Eigentlich hätte der Kurs ‹Intercultural Awareness› heissen sollen», sagt Heike Otto, «denn er hatte die Sensibilisierung zum Ziel, die Umsetzung der Erkenntnisse folgt erst im Alltag.» Jeder der Teilnehmenden habe sich zwei bis drei Hauptanliegen vorgenommen, die er/sie verbessern wolle. Um über Fortschritte, Fragen oder eventuelle «Rückfälle» in alte Verhaltensmuster zu diskutieren, trifft sich Heike Otto regelmässig mit den anderen ehemaligen Teilnehmenden, etwa Führungskräften aus Schweden, Norwegen, Frankreich, die alle in Basel arbeiten. Bei Novartis in der Schweiz arbeiten rund 11000 Leute, von denen 41 Prozent Schweizer sind, auf Führungsebene sind es 30 Prozent.
Und die Schlüsselerfahrung des Kurses? «Es geht nie um eine Wertung, was ist gut, was ist schlecht? Es gibt Unterschiede und diese sind positiv. Zwar machen die Unterschiede die Zusammenarbeit komplizierter, aber wer sie richtig zu nutzen weiss, erhält eine enorme Bereicherung», sagt Heike Otto. Diese Erkenntnis bestätigen auch empirische Untersuchungen: Multikulturelle Teams erbringen entweder viel bessere oder viel schlechtere Leistungen als monokulturelle Teams.
Menschen überschätzen ihre interkulturellen Fähigkeiten
Interkulturelle Sensitivität lässt sich nicht nur trainieren, sondern auch messen. Samuel van den Bergh benutzt dazu den interkulturellen Entwicklungsindikator «Intercultural Development Inventory» (IDI). Aus den Resultaten dieses Messinstruments wie auch aus seinen vielen Coachinggesprächen zieht der Trainer den Schluss: «Der Mensch neigt tendenziell dazu, seine interkulturellen Fähigkeiten zu überschätzen. Die eigene Einschätzung und sein Verhalten stimmen oft nicht überein.» Wer ein Jahr mit dem Camper in Amerika herumreise, werde deshalb noch nicht zum Kenner der amerikanischen Wertvorstellungen und Kommunikationsmuster. Auch die häufig gehörte Aussage «Ich bin offen für alles, ich habe keine Probleme mit anderen Kulturen» deute weniger auf interkulturelle Kompetenz hin als auf eine kulturelle Blindheit bedingt durch das Minimieren der Unterschiede. «Das bedeutet, man spielt die Unterschiede herunter. Personen, die sich so äussern, sind eher ethnozentrisch, da sie indirekt das eigene Weltbild für universell erklären», meint der Professor.
Es erstaune ihn immer wieder, sagt van den Bergh, dass es oft vorkommt, dass sogar Leute mit mehrjähriger Auslandserfahrung die Zeit nur nutzen, um ihre stereotypen Vorurteile zu bestätigen. «Wer überzeugt ist, dass Asiaten zum Lügen neigen, wird diese Eigenschaft auch vorfinden. Beispielsweise dann, wenn er einen Asiaten vor Kollegen direkt fragt, ob er die Aufgabe verstanden habe. Natürlich wird der Asiate bejahen, weil ihm seine Kultur in dieser Situation nichts anderes erlaubt. Stellt der Chef dann fest, dass der Asiate es wohl doch nicht verstanden hat, sieht er sich in seinem Vorurteil bestätigt – dabei hat er die Bejahung falsch interpretiert, weil er nur auf das gesprochene Wort gehört hat, ohne die kulturellen und kontextbezogenen Gegebenheiten mit einzubeziehen.»
Um ans Ziel zu kommen benutzt van den Bergh in solchen Situationen methodisch-didaktische Wege, die einserseits interaktiv sind und andererseits alle involvieren. So liess er etwa eine Gruppe Asiaten sich gegenseitig zu einem Thema interviewen und die Resultate zusammentragen. «So bekomme ich die Inputs von allen, ohne dass der Einzelne seine Meinung im Plenum kundtun muss», erklärt van den Bergh seine Strategie, die er bei einem Masterlehrgang mit asiatischen Studenten am Asien-Europa-Institut in Kuala Lumpur angewendet hat.
Als relativ betrachten, was vorher selbstverständlich war
«Neugier, Offenheit und einen bewussten Umgang mit den eigenen Urteilen», sagt Jean-Marc Hunziker auf die Frage, was es für interkulturelle Kompetenz braucht. Hunziker ist Management Development Leader bei der IBM Schweiz und Dozent für den firmeninternen Kurs «Diversity and Inclusive Leadership». Im letzten Jahr haben rund 70 Prozent der Führungskräfte diesen Kurs besucht, wie Hunziker sagt. «Unser Hauptanliegen ist es, den Führungskräften zu zeigen, dass es bei Diversity um die Individualität jedes Einzelnen geht», erklärt Hunziker. «Sie sollen lernen, sich so zu verhalten, dass alle, egal welchen Geschlechts, welchen Alters, welcher Nationalität und welchen kulturellen Hintergrunds, ihr volles Potenzial einbringen können.» Um dieses Ziel zu erreichen, muss sich jedoch zuerst jeder der Unterschiede bewusst sein und sich auch über eigene (Vor-)Urteile Gedanken machen.
Dazu diskutiert Hunziker mit den Leuten jeweils verschiedene Fälle wie etwa: Auf welche Barrieren trifft ein indischer Softwareprogrammierer in der Schweiz? Auf welche Barrieren trifft ein 52-jähriger Mitarbeiter, der sich noch einmal verändern möchte? Oder auf welche Barrieren trifft eine Frau mit drei Kindern in einer leitenden Verkaufsfunktion? Und wie würden Sie diese Person unterstützen? «In solchen Diskussionen ersetze ich jeweils nach einer Zeit das Wort «Frau» durch «Mann». Einigen geht dann auf, dass wir ständig Annahmen treffen. Und dass nur ein Dialog der Individualität gerecht wird. Generell wollen wir das Verständnis für Diversity fördern und den Effekt bewusst machen, welcher Inclusive Leadership auf die Leistung einzelner, ganzer Teams und einer ganzen Organisation wie der IBM hat. Im Laufe des Kurses setzen sich die Teilnehmenden mit sich und ihrem Weltbild auseinander. Viele betrachten danach gewisse Dinge als relativ, die sie vorher für selbstverständlich genommen haben», sagt Hunziker.
Neben diesem breiter angelegten Kurs «Diversity and Inclusive Leadership» bietet IBM zudem einen internationalen Workshop für Führungskräfte an, den «Shades of Blue». Bei diesem geht es primär um interkulturelle Kompetenz: Was ist überhaupt Kultur, wie geht man mit kulturellen Unterschieden um, worauf ist im geschäftlichen Umgang und in der Zusammenarbeit mit Kunden besonders zu achten? Für diese Workshops greift IBM auf einen Pool von internationalen Moderatoren zurück, die sich auf diesen Schwerpunkt spezialisiert haben und den einzelnen Länderorganisationen von IBM zur Verfügung stehen. «Das sind Leute mit grosser Lebenserfahrung und mit interkulturellem Hintergrund,» sagt Hunziker. «Die Moderatoren kennen zwar auch die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft, aber sie sollen nicht nur Theorien vermitteln, sondern deren Anwendung fördern.» Ganz wichtig sei, dass eine wertfreie Diskussion stattfinden könne und der Moderator das dazu nötige Umfeld schaffe. «Ein Moderator sollte nicht moralisieren. Das kann eine ziemliche Herausforderung sein, weil auch er ein Weltbild hat, aus dem heraus er funktioniert», sagt Hunziker aus Erfahrung.
Interkulturalität im Ausland erleben und leben
Die kulturellen Unterschiede nicht in einem Kurs reflektieren, sondern vor Ort erleben – mit diesem Ansatz hat IBM im letzten Jahr zehn Hochschul- und Fachhochschulabsolventen rekrutiert und sie für ein Jahr nach Indien geschickt. Gerry Brönnimann ist einer der Auserwählten. «Ich habe das Angebot als Riesenchance betrachtet, um internationale Erfahrungen zu sammeln», erklärt der Informatiker den Grund, warum er sich für das Indienprogramm beworben hat. Zusammen mit seinen Kollegen ist er in einem dreitägigen interkulturellen Kurs auf sein Auslandsjahr vorbereitet worden. «Im Zentrum des Kurses stand das 5-Dimensionen-Modell nach Geert Hofstede», erklärt Gerry Brönnimann.
Ein Modell, mit dessen Hilfe kulturelle Unterschiede erfasst und gemessen werden können. «Der Kurs sollte unser Verständnis für andere Kulturen generell fördern und uns die Augen für Unterschiede öffnen. Eine indische Referentin hat uns zusätzlich einige Fragen beantwortet und uns den Hinduismus etwas näher gebracht.» Im Juni 2007 ist Gerry Brönnimann dann nach Kalkutta gezogen, wo er bis Ende Februar 2008 als Software-Entwickler tätig ist.
«Bei der Arbeit sind die Unterschiede gar nicht so gross. Ich stelle sie eher ausserhalb des Berufslebens fest. Die Arbeitswelt erscheint mir manchmal fast etwas abgeschottet von Indien selber», erzählt der Informatiker, der der einzige Europäer im 15-köpfigen Team ist. Von seinen indischen Kollegen hat der Schweizer erfahren, dass sie sich von den Westeuropäern manchmal minderwertig behandelt fühlen. «Ihnen gibt man die handwerkliche, weniger wichtige Arbeit und ist auch kaum gewillt, von ihnen neue Ideen, Vorschläge entgegenzunehmen. Viele Geschäftsmodelle fördern diese negativen Gefühle zusätzlich.»
Positiv überrascht hat den Schweizer die Herzlichkeit, das Interesse der Inder, die sich selbst in hektischen Projektphasen immer Zeit für den persönlichen Austausch nehmen. Eher negativ sind dem jungen Mann die stark spürbaren Hierarchien aufgefallen, und zwar nicht nur die vom Kastenwesen herrührenden Unterschiede. «Wenn ein Inder einen neuen Job beginnt, ist er den Kollegen zuerst untergeordnet. Ich habe das bei meinem indischen Kollegen erlebt, der mit mir zusammen neu zum Projekt stiess. Wenn er etwas falsch machte oder zum Chef musste, wurde das lautstark quer durch den Raum kommuniziert.» Ihn selber habe man als Schweizer Neuling jedoch mit Respekt behandelt, erzählt er seine ganz persönliche Erfahrung. «Ich konnte jederzeit meine Kollegen um Hilfe bitten und wenn etwas falsch lief, machten sie mich vorsichtig darauf aufmerksam. Sogar der Teamleiter schrieb mir ein höfliches Mail, wenn er mich sehen wollte.» Gerry Brönnimann glaubt, dass diese unterschiedlichen Behandlungsweisen daher rühren, dass er als Europäer wieder nach Hause geht und von seinen Erfahrungen berichtet wird.
Eine Einsicht wird Gerry Brönnimann nach seinem Indienaufenthalt bei seiner Arbeit in der Schweiz besonders nützlich sein: «In solchen Abhängigkeitsverhältnissen, wie sie durch die Auslagerung von Arbeit entstehen, fehlen oft die nötige Transparenz und die klare Kommunikation über Arbeitsabläufe und Systeme in den jeweiligen Organisationen. Die Inder haben eigene Systeme und die Auftraggeber auch – und keiner lässt sich vom anderen gerne in die Karten schauen. Das könnte man verbessern.»
Das eigene Verhalten zu verändern, ist etwas vom Schwierigsten
Auch bei den Schweizerischen Bundesbahnen wurde vor zwei Jahren ein Pilotkurs für interkulturelle Kommunikation gestartet. Die SBB beschäftigt nicht nur Mitarbeitende aus rund 80 Nationen, sie bedient auch zunehmend eine internationale Kundschaft und arbeitet in internationalen Projekten mit ausländischen Unternehmen zusammen. «Der Kurs ist offen für alle Mitarbeitenden, Führungskräfte und Personalcoachs», erklärt Ruth Stucki, Diversity-Managerin bei der SBB. Anders als beim Pharmakonzern Novartis haben bei der SBB vorwiegend die Mitarbeitenden und das untere Kader das Bedürfnis, sich mit dem Thema interkulturelle Vielfalt auseinanderzusetzen. «Die Themen werden je nach Anliegen der Kursteilnehmenden ausgesucht und diskutiert», erläutert Stucki. «So arbeiten beispielsweise im Bereich Geleisebau oder Rangierarbeiten viele Nationalitäten zusammen und für sie ist oft die Sprache ein Thema. Auch Frauen in Führungsfunktionen kann zum Thema werden, denn für Personen aus gewissen Kulturen sind Frauen in solchen Positionen eher unüblich.» Im zweitätigen Training werden Merkmale der eigenen und der fremden Kulturen aufgezeigt, es wird die Sicherheit im Umgang mit anderen Kulturen eingeübt sowie das eigene Kommunikations- und Konfliktverhalten analysiert und verbessert.
Walter Aschwanden, stellvertretender Teamleiter in den Unterhaltsanlagen in Oberwinterthur, hat das Training absolviert. «Zwar komme ich gut mit meinen Leuten zurecht, aber ich wollte mich weiterbilden, um die Mentalitäten meiner ausländischen Kollegen besser zu verstehen.» Das Team von Aschwanden besteht aus zehn Leuten, die aus Italien, der Türkei, Albanien, Portugal und der Schweiz stammen. Probleme bereite ihm vorwiegend die Sprache. «Wenn beispielsweise ein Italiener wenig Deutsch versteht, weder lesen noch schreiben kann, habe ich Mühe, ihm seine Aufgaben zu erklären», erklärt Aschwanden eine fundamentale Schwierigkeit bei der interkulturellen Zusammenarbeit. Oder wenn Muslime fünf Mal am Tag für etwa fünfzehn Minuten die Arbeit niederlegen, um zu beten, dann könne das zu Missstimmung im Team führen. «Ich merke, dass vielen dafür das Verständnis fehlt, aber weil es von oben her erlaubt ist, muss man es tolerieren.» Für Aschwanden sind einige Probleme bei der Zusammenarbeit mit den multikulturellen Kollegen weniger auf die jeweiligen Nationalitäten zurückzuführen als auf die Persönlichkeit, so etwa wenn für einige die Stunde nur aus vierzig Minuten besteht oder wenn der eine bei den Unterhaltsarbeiten der S-Bahn den Dreck in den Ecken übersieht, während ein anderer alles fein säuberlich putzt.
Er selber habe im Training etwas über seine eigenen Verhaltensmuster gelernt, sagt Walter Aschwanden: «Ich achte darauf, vom Tonfall her ruhiger zu sprechen und überlegter, weniger aufbrausend zu reagieren. Doch mein eigenes Verhalten zu ändern, ist gar nicht immer so einfach. Manchmal gelingt es mir, manchmal nicht.»