Sie schulen Führungskräfte im Konfliktmanagement – wie gut sind diese im Umgang mit Konflikten?
In der Regel verfügen die Führungskräfte nicht über ein ausreichendes Methodenrepertoire. Daher sind viele Vorgesetzte auch nicht sehr geübt, obwohl sie täglich Konflikte zu bearbeiten haben. Wer jedoch anhand von Instrumenten die eigenen Konflikte bearbeitet, erkennt, dass eine systematische Herangehensweise zwar Arbeit bedeutet, sich aber lohnt. Systematisch sich mit einem Konflikt zu befassen, heisst auch Dinge in den Blick zu nehmen, die man vorher so gar nicht gesehen hat. Eine kollegiale Beratung hilft hierbei entscheidend. Oft sehen Kollegen Aspekte, die man selbst nicht mehr wahrnimmt. Konfliktmanagement will gelernt sein. Konflikte sind ein allgegenwärtiges Phänomen, aber die wenigsten von uns haben einen expliziten Umgang mit dem Thema gelernt. Erhebungen zeigen immer wieder, dass es in Unternehmen viele Konflikte gibt, aber wenige Instrumente dazu, so dass Konfliktbearbeitung schwierig ist. Für ihre adäquate Bearbeitung braucht es gute Instrumente und viel Übung.
Welche Instrumente halten Sie für die wichtigsten?
Viele Konflikte werden zunächst zu wenig verstanden, um eine gute Lösung zu erarbeiten und umzusetzen. Daher braucht es zuerst gute Analyseinstrumente. Sie zeigen, wie man einen Konflikt erkennt, wer beteiligt ist und welche Interessen im Spiel sind; sie zeigen die Entstehungsgeschichte auf und ermöglichen es, den Konfliktgegenstand, um den gerungen wird, klar zu definieren. In unseren Seminaren verwenden wir auch eine Form der Visualisierung. Anhand einer so genannten Systemlandkarte kann man einen Konflikt grafisch darstellen: die beteiligten Akteure, deren Beziehungen, die Interessen, die Subsysteme. Dies ist ein Modell der realen Situation. Es hilft, den Überblick zu gewinnen, den man oftmals gerade in einem Konflikt verloren hatte.
Darüber hinaus lehren wir unterschiedliche Konfliktmanagementstrategien: «Vermeiden, Durchsetzen, Kompromisse schliessen, Nachgeben, Integrieren». Dies sind die zentralen Stile oder Strategien der Konfliktbearbeitung. Jeder hat seinen eigenen Stil, mit Konflikten umzugehen. Anhand von wissenschaftlich etablierten Instrumenten kann man diesen individuell ermitteln. Wichtig ist jedoch, das Handlungsspektrum so zu erweitern, dass je nach Situation die passende Strategie angewendet werden kann. Daneben gibt es die unterschiedlichen Mediationstools wie Perspektivenübernahme, Spiegeln oder aktives Zuhören sowie die Regeln der Gesprächsführung – alles Instrumente, die geübt werden müssen. Ein weiteres Instrument ist etwa das so genannte aktive Konfliktmanagement. Hier wird über Spannungen und Unzufriedenheiten im Team gesprochen, bevor sie zu gross werden. Realisiert werden kann das, indem beispielsweise bei Teamsitzungen als konstantes Traktandum darüber gesprochen wird, wie die Zusammenarbeit in der letzten Zeit war. Dies ermöglicht es, frühzeitig auf Unstimmigkeiten aufmerksam zu machen, bevor diese sich anstauen.
Wer kann solche Instrumente anwenden? Wird das innerhalb von den Teams gemacht?
In der Regel werden die Führungskräfte darin geschult, die ihr Wissen an die Teammitglieder weitergeben. Konfliktmanagement kann aber auch im Team als Teamtraining gelernt werden. Denn je besser der Einzelne im Umgang mit Konfliktmanagement ist, desto besser ist die gemeinsame Konfliktbearbeitung.
Grundsätzlich sollten Konflikte in Betrieben besprechbarer gemacht werden. Konfliktmanagement ist ein übergreifendes Thema und Teil der täglichen Praxis. Es braucht daher ein umfassendes System auf strategischer Ebene, in das das Konfliktmanagement eingebettet ist. Jeder Mitarbeitende sollte wissen, wer die Ansprechpersonen sind, wenn es Probleme gibt. Betriebe müssen offensiver mit dem Thema umgehen.
Welches sind die positiven Effekte, wenn ein Konflikt ausgetragen ist?
Wissenschaftlich ist belegt: Die Produktivität, die Kreativität und die Innovation steigen, ebenso wird das Commitment der Teammitglieder erhöht, die Verbundenheit zum Betrieb steigt und die Arbeitszufriedenheit verbessert sich. Ein gutes Konfliktmanagement kann also eigentlich alles bewirken, oder zumindest unterstützen, was ein Unternehmen generell anstrebt. Es ist daher auch nicht erstrebenswert, gar keine Konflikte zu haben. Ein mittleres Niveau an Konflikten in einem Unternehmen ist durchaus positiv, weil es ein Zeichen lebhafter Auseinandersetzung ist. Keine Konflikte zu haben, könnte ein Zeichen von zu wenig Engagement, Angst, Desinteresse oder Gleichgültigkeit sein. Zu viele Konflikte würden eher Krisenhaftigkeit bedeuten.
Konflikt gelöst – alles in Butter. Oder braucht es eine Konfliktnachbearbeitung?
Der Lösungsbegriff ist ein schwieriger Begriff, denn Lösung würde bedeuten, es sei nichts mehr vorhanden. Ich glaube aber, dass man immer etwas vom alten Konflikt mitnimmt – im besten Fall die Erfahrung, dass die Konfliktbearbeitung wichtig war und gelungen ist. Oft sind es aber verletzte Gefühle. Jemand wollte etwas erreichen, hat es aber nicht bekommen, ohne dass ihm mitgeteilt wurde, warum. Wo solche Gefühle vorhanden sind, ist der nächste Konflikt emotional bereits vorbelastet. Es braucht daher für jede Konfliktbearbeitung zwei Formen der Nachbearbeitung: eine persönliche und eine im Team. In der persönlichen muss ich meine eigene Entscheidung, die ich immer zu treffen habe, egal ob ich Mitarbeiter oder Führungskraft bin, für mich verarbeiten und mir die Konsequenzen überlegen. Idealerweise stelle ich fest, dass ich eine reife Entscheidung getroffen habe, zu der ich stehen kann und die mir und auch dem Team zugutekommt.
Im Team muss sichergestellt werden, dass der weiteren Zusammenarbeit nichts im Weg steht. Grundsätzlich darf man nach einem Konflikt nicht auseinandergehen, ohne noch einmal auf der Metaebene miteinander zu reden: «Wie ist es uns gemeinsam gelungen, mit diesem Konflikt umzugehen? Was geht den Einzelnen durch den Kopf? Was haben wir gemeinsam daraus gelernt? Wie geht es uns als Team? Welche Schlussfolgerungen ziehen wir als Team daraus?» Das ist Teamentwicklung. Denn wir wissen, dass Teams, die Konflikte erfolgreich bearbeitet haben, effektiver sind.