Ein explizites Rollenverständnis schafft Mehrwert für die Führung
Wenn HR-Verantwortliche die Rolle eines Beraters erfüllen sollen, erfordert dies einiges an Kompetenzen. Dazu gehören unter anderem Methodenkompetenz und das Verständnis für die eigene Rolle.
(Illustration: Ulrike Kobelius)
Alle kennen die Situation, in der eine Führungskraft bei Problemen mit einem Mitarbeitenden ihren HR-Verantwortlichen anspricht. «Spätestens wenn sie eine Kündigung in Betracht zieht, die sich nicht durchsetzen lässt, wird sie von ihm in Alternativlösungen beraten», sagt Birgit Werkmann-Karcher, Psychologin und Dozentin am Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW. Das sei schon immer so gewesen, aber heute fänden solche Gespräche bewusster, in mehr Themenfeldern und proaktiver statt. «Wenn entsprechende Geschäftsmodelle vorhanden sind, gehört die Beratungskompetenz, die dafür notwendig ist, oft schon zum Inhalt der internen Weiterbildung.»
Ein hohes Verständnis für den Führungsalltag ist gefragt
Der Beratungsansatz habe sich mit dem veränderten Verständnis der Aufgaben der HR-Verantwortlichen entwickelt, so Birgit Werkmann-Karcher. «Als Businesspartner oder Consultant steht das HR-Management der Linie explizit beratend zur Seite.» Für die HR-Verantwortlichen gehe es in der Beratungsrolle immer darum, die Linie im Vorgehen und bei ihren Entscheidungen, die das Personal betreffen, zu unterstützen: «So können massgeschneiderte Lösungen in einzelnen Führungsfragen, aber auch in komplexeren Aufgabenstellungen entwickelt werden, die Themen wie Beurteilung, Belohnung, Anerkennung oder Entwicklung betreffen.» In Grossunternehmen sowie in Banken und Versicherungen wird dieser Ansatz gemäss Jack Rietiker, ebenfalls Psychologe am IAP, ausgeprägter verfolgt als in KMU.
Vor drei Jahren hat die SRG-Organisationseinheit «Media Services» ihre HR-Verantwortlichen so positioniert, dass sie für die Linie beraterisch tätig sind. Seither habe man von den Vorgesetzten sogar ungefragt spontane positive Rückmeldung erhalten, wie Markus Zehnder, Leiter des Service-Centers Personal und Ausbildung, festhält: «Der Nutzen ist eine Qualitätssteigerung im HRM. Für wichtige Momente im Führungsalltag haben Führungspersonen nun eine beratende Stimme zur Seite.» Solche Beratungen würden sich speziell in den Bereichen Rekrutierungsprozess, bei Fragen zu Führungssituationen, zur Beurteilung von Entwicklungsschritten oder in Change-Situationen anbieten. Markus Zehnder: «Dies erfordert eine hohe Sozialkompetenz, umfassende praktische und theoretische Kenntnisse des HR-Managements sowie grosses Verständnis für den Führungsalltag.»
HR-Berater müssen Werbung in eigener Sache machen
Darüber hinaus muss sich ein HR-Verantwortlicher seiner Beratungsrolle stets bewusst sein. Stephan Suter, Leiter HR bei der Firma CWS-boco Suisse SA, ist überzeugt, dass es eine klare Rollentrennung braucht, wenn HR-Verantwortliche und Führungskräfte zusammenkommen. «Damit ein Veränderungsprozess professionell erfolgen kann, sollte das HR vom Ist übers Soll zur Umsetzung die richtigen Fragen stellen, auf Widersprüche oder Anforderungen aufmerksam machen und insgesamt die Führungsentscheidungen gut abstützen und spiegeln», so Stephan Suter. Zum Rollenverständnis gehöre das Wissen, dass die Entscheide von den Führungskräften getroffen werden und die HR-Leute dafür verantwortlich sind, dass diese Veränderungen nachhaltig und ganzheitlich durchgeführt werden. «Über diese Methodenkompetenz verfügen die Führungskräfte nicht automatisch. Sie stellt einen Mehrwert für das Unternehmen dar». Und für Suter ganz wichtig: Die HR-Berater sollten von sich aus auf diesen Mehrwert aufmerksam machen.
Literaturtipp
Brigitte Werkmann-Karcher vom Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW hat den Beitrag «Das HR-Management in der Beratungsrolle» geschrieben, der im Juli 2010 im «Handbuch Angewandte Psychologie für das Human Resource Management» im Springer-Verlag erscheinen wird.