Es folgten punktuelle, dann systematischere BGM-Verbesserungen. Sein erstes Augenmerk galt im Jahr 2011 der Verringerung der Fluktuation: «Die Leute sind tatsächlich zur Drehtür hereingekommen, und nach zwei bis drei Monaten wieder gegangen.» Mit einem Absenzmanagement und kontinuierlich durchgeführten Krankheitsrückkehrgesprächen stabilisierte sich die Situation aber allmählich: «Die Mitarbeitenden begannen zu spüren, dass sie nicht einfach austauschbar sind, sondern wir sie als wichtige Personen betrachten, die einen wertvollen Beitrag leisten.»
Es folgten achttägige BGM-Kaderschulungen, die Einführung von vierteljährlich stattfindenden Gesundheitszirkeln, Mitarbeiterbefragungen und arbeitsorganisatorische Anpassungen wie die Auslagerung der Medikamentenzubereitung, um die Mitarbeitenden zu entlasten. Ein Jahr später hat der Verwaltungsrat das Betriebliche Gesundheitsmanagement schliesslich in der Strategie und im Leitbild verankert: «Mit Massnahmen und Aktivitäten der Arbeitssicherheit und zur Gesundheitsförderung wollen wir eine Stärkung der Gesundheitsressourcen und -potenziale der Mitarbeitenden erreichen», ist nun der neuen Unternehmensverfassung zu entnehmen.
Wo BGM beginnt und wo es aufhört
Als Knackpunkt bei der Entwicklung des strategischen Betrieblichen Gesundheitsmanagements habe sich ihm immer wieder die Frage gestellt, wo das BGM beginne und wo es aufhöre, sagt Rohrer. «Oft werden BGM-Massnahmen ja schon gelebt, man nennt sie nur nicht so.» Wie beim Vorschlagswesen: So habe ein Küchenmitarbeitender auf die Gefahren bei der Bedienung der Brotmaschine aufmerksam gemacht. «Wir haben seine Idee aufgenommen und nun eine Schutzeinrichtung um die Brotmaschine herum gebaut.»
Schon indem man Ideen der Mitarbeitenden entgegennehme und etwas daraus mache, zeige man, dass deren Meinung zähle und man sie ernst nehme, wirft Manuela Scheuzger ein: «BGM darf man nicht zu eng sehen. Man macht es schon, indem man wertschätzend führt, die richtigen Leute einstellt und sie am richtigen Ort einsetzt, wo sie nicht überfordert, aber auch nicht unterfordert sind.» Weil BGM oft implizit gelebt werde, «haben aber nicht immer alle Mitarbeitenden auf Anhieb verstanden, was ein BGM denn nun ist», führt Thomas Rohrer aus: «Es brauchte mehrere Anläufe, um allen – vom Sekretariats- bis zum Küchenmitarbeitenden – zu vermitteln, was dahinter steckt.»
Dicht gedrängter Zeitplan
Die Zeit drängt. Gnadenlos rückt der Stundenzeiger gegen zwölf. Manuela Scheuzger blättert in ihren Unterlagen und erkundigt sich nach dem Mitarbeitergesprächsbogen. Als hätte sie es schon zehn Mal gemacht, fischt die Administrationsleiterin das gewünschte Dokument aus dem vollbepackten A4-Ordner, der sich in der Mitte des Tisches befindet, und übergibt es der Assessorin. Diese wirft einen kurzen Blick darauf und entlässt die Teilnehmenden in die Mittagspause, während sie und ihr Co-Assessor einen kurzen Rundgang durchs Alterszentrum machen, um sich dann eine Stunde lang vertieft mit den Unternehmensdokumenten auseinanderzusetzen. «Fünf Tage in der Woche könnte ich ein solch straff getaktetes Programm nicht machen», gibt Manuela Scheuzger zu. «Um die Übersicht zu bewahren, haben wir uns die Beurteilung der Kriterien aufgeteilt: Während einer der Assessoren die Kriterien abfragt und sich Notizen macht, schreibt der andere mit und überlegt sich gleichzeitig, ob wirklich alle Fragen gestellt wurden, damit am Schluss alle Informationen vorhanden sind, um den Abschlussbericht zu schreiben.»
Dass nicht jedes Dokument in so kurzer Zeit eingehend geprüft werden kann, versteht sich von selbst: «Das würde den Rahmen sprengen. Wir gehen eher stichprobenartig vor. Aber auch damit bekommt man einen guten Einblick.» Insgesamt investiert Manuela Scheuzger etwa 30 bis 40 Arbeitsstunden in ein Assessment. Das fängt beim Studium der Website an, geht über die Organisation der Tagung, die Fragendefinition sowie die Besprechung mit dem Co-Assessor und endet mit der Bewertung der Kriterien aufgrund des Assessment-Tages.
Nicht nur die Assessoren, auch der Geschäfts- und die Bereichsleiter des Alterszentrum am Buechberg haben sich gründlich auf den «Tag der Tage» vorbereitet: «Im Vorfeld zum Assessment-Tag haben wir einen halbtägigen Probedurchlauf gemacht, an dem auch alle Bereichsleiter teilnahmen», erzählt Thomas Rohrer. «Mit der Einbindung der Bereichsleiter wollte ich zeigen, dass wir als Team zusammenarbeiten.» Hauptsächlich sei das Assessment für ihn aber eine Standortbestimmung: «So erfahren wir, wo wir stehen und wo wir uns noch verbessern können. Am Assessment schätze ich besonders, dass es sich mehr auf die vorhandenen Stärken ausrichtet und weniger an den Defiziten orientiert.»
Keine Sympathiebonuspunkte
Stellt sich noch die Frage nach der Objektivität der Kriterienbewertung: Schleichen sich da nicht auch Sympathiepunkte ein? «Nein», meint Manuela Scheuzger. «Zwar beurteilen wir als Assessoren nicht jedes Kriterium gleich gut oder gleich schlecht, markante Unterschiede gibt es aber kaum.» Vergebe einer der Assessoren trotzdem mal eine höhere Note für ein bestimmtes Kriterium als der andere, werde dieses ausdiskutiert, bis man sich einig werde. Das komme aber nur vereinzelt vor und dann meist mit minimalen Abweichungen, denn alle Assessoren absolvieren jährlich ein Weiterbildungsprogramm, nehmen an Fallbesprechungen und Interpretationsauslegungen teil und verfügen über ein solides Berufsfundament im HR, Coaching oder BGM.
Für alle Beteiligten endet der Tag am späten Nachmittag mit der Besprechung des BGM-Kriteriums 6, der Ergebnismessung. Während die Assessoren am Folgetag den Bericht schreiben und Gesundheitsförderung Schweiz zur Überprüfung abgeben, beginnt nun für das Alterszentrum eine bange Zeit des Wartens bis zum Eintreffen des Entscheids.