Ein Tandem über die Firmengrenze hinaus
IBM Schweiz und Orange Schweiz haben ein Cross-Company-Mentoring-Pilotprojekt initiiert: Der Mentor kommt jeweils aus dem einen Unternehmen, die Mentee aus dem anderen. Ein Einblick ins laufende Projekt.
Ein Cross Company Mentoring bringt beiden Beteiligten neue Impulse.
IBM Europa und Danone haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Und doch lancierten die beiden Unternehmen 2007 ein gemeinsames Projekt: Mit dem Ziel, Frauen in ihrer Karriere zu unterstützen, initiierten sie ein Cross Company Mentoring. Dieses war so erfolgreich, dass 2010 bereits die dritte Auflage lief.
Im Oktober letzten Jahres startete schliesslich auch ein Schweizer Cross-Company-Mentoring-Projekt. Daran beteiligt sind IBM Schweiz und Orange Schweiz. Aus beiden Unternehmen kommen je gleich viele Mentors und Mentees, insgesamt sind es sechs Mentoringpaare.
Mentees sind ausschliesslich Frauen, wohingegen in die Mentorenrolle auch Männer schlüpfen: «In der Mentorenrolle wollen wir Personen mit Führungserfahrung, damit die Mentees von diesem Know-how profitieren können», sagt Nadia Dupont, Frauenbeauftragte bei IBM und Leiterin der Mentoringprogramme.
Blinde Flecken können besser identifiziert werden
Was bringt diese Art des Mentorings im Gegensatz zum firmeninternen Mentoring? «Der Mehrwert an diesem Programm ist, dass man eine Person aus einer anderen Unternehmenskultur trifft, während man ja meist recht tief in seiner eigenen drinsteckt», sagt Nadia Dupont. «Das Cross Company Mentoring hilft einem, die Dinge einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen und Blind Spots zu überwinden.»
Natürlich gab es zu Beginn viele Fragen, etwa: Wie steht es um vertrauliche Informationen? Wie ist es mit dem Datenschutz? Wird die andere Firma unsere Mentees abwerben? Bisher hat IBM positive Erfahrungen gemacht. «Wir haben klare Grundregeln definiert», so Nadia Dupont. «Es ist zum Beispiel klar, dass das Cross Company Mentoring nicht dafür da ist, Vertrauliches zu erzählen.» Eine schriftliche Verpflichtung gebe es nicht. Im Mentoring laufe schliesslich alles über das Vertrauen.
Da sich die Leute aus den beiden beteiligten Firmen nicht kannten, war das Matching sehr wichtig. Nur wenn Mentor und Mentee wirklich zusammenpassen, kann die Mentoringbeziehung ein Erfolg werden.
Deshalb füllten alle, die am Programm interessiert waren, einen Fragebogen zu Werdegang, Persönlichkeit und Interessen aus. Die Mentees gaben zudem ihre Zielsetzungen an beziehungsweise die Fähigkeiten, die sie erwerben wollten, und die Mentors gaben an, was sie anzubieten haben. Anschliessend setzten sich Nadia Dupont und die verantwortliche Person aus dem Partnerunternehmen zusammen und bildeten Paare.
Bei Susanne Marty, GL-Mitglied bei IBM, und Sandra Henrich, Transformation Manager bei Orange Schweiz, hat das Matching bestens geklappt: «Unser erstes Gespräch war so offen, dass ich das Gefühl hatte, dass wir uns schon länger kennen», sagt Susanne Marty.
Es liegt an der Mentee, die Mentoringbeziehung zu gestalten
Eine der Spielregeln ist, dass die Mentee den ersten Kontakt zum Mentor herstellt und im «Holschuldprinzip» die Mentoringbeziehung gestaltet. «Ich nehme mir immer Zeit für dich, aber du musst dich melden», lautet denn auch das Angebot von Susanne Marty an ihre Mentee. Sandra Henrich nutzt dieses Angebot: Nach viereinhalb Monaten Projektlaufzeit hat sie sich dreimal mit ihrer Mentorin getroffen. Und das, obwohl sie in Renens bei Lau sanne arbeitet, während Marty in Zürich stationiert ist.
Denn Distanz ist ein wichtiger Faktor in der Cross-Company-Mentoring-Beziehung – und die Distanz Lausanne–Zürich ist nicht optimal. Sandra Henrich kennt zwei andere Mentees: Die eine wohnt in der Nähe ihrer Mentorin und hat diese schon mehrmals gesehen; bei der anderen, wo eine grössere Distanz zu überwinden ist, ist es nach viereinhalb Monaten allerdings nochzu keinem persönlichen Treffen gekommen. «Neben den bereits recht vollen Terminkalendern stellt die Distanz eine zusätzliche Herausforderung bei der Terminplanung dar. Es wäre schliesslich ideal, wenn solche Treffen in einer entspannten Atmosphäre stattfinden und nicht unter allzu grossem Zeitdruck und zwischen zwei Meetings», sagt Sandra Henrich.
Optimal sei es, so Nadia Dupont, wenn man sich einmal pro Monat treffen könne. Optimal daher auch, wenn sich die beiden Unternehmen im gleichen Kanton befinden. IBM Schweiz und Orange Schweiz haben zwar beide Niederlassungen in der Deutsch- und der Westschweiz, aber letztlich entscheidet natürlich nicht der Arbeitsort, sondern die Interessen und Kompetenzen der Teilnehmerinnen, welche Paare gematcht werden.
Ein nützlicher Netzwerk-Tipp mit positiver Wirkung
Susanne Marty gibt ihrer Mentee sehr gute Noten: «Sandra ist eine tolle Persönlichkeit. Sie nutzt dieses Mentoring, sie macht etwas daraus.» Konkret interessieren Sandra Henrich vor allem zwei Punkte. Einerseits möchte sie wissen, wie die Dinge in einem anderen Unternehmen funktionieren. Zum Beispiel, wie man bei IBM Talentförderung betreibt. Sie ist auch interessiert daran, wie ihre Mentorin gewisse Situationen handhabt.
Andererseits möchte sie eine neutrale Meinung zu ihrer beruflichen Entwicklung: «Ich möchte in absehbarer Zeit einen weiteren Karriereschritt machen und bin an entsprechenden Tipps interessiert», sagt Henrich. Sie hat zurzeit vor allem mit Finanzen und Prozessen zu tun, kann sich aber vorstellen, auch im Marketingbereich tätig zu sein. Da passt es, dass Susanne Marty Leiterin Marketing & Kommunikation ist.
«Das Klischee, dass wir Frauen schlechter netzwerken als Männer, trifft auf mich zu», sagt Sandra Henrich. Sie spielt damit vor allem auf das interne Netzwerken an: «Männer testen eher ihre Chancen aus, ganz informell, so im Stil ‹Was meinst du, habe ich das Profil für diesen Posten?›» Das sei etwas, was ihr zwar keine Mühe mache, aber es sei nicht gerade das Erste, woran sie denke, sagt Sandra Henrich. Der Tipp von ihrer Mentorin lautete dementsprechend: «Probier’s doch einfach einmal aus.» Was Sandra Henrich auch getan hat. Sie erhielt ein positives Feedback im Sinne von: «Gut, dass du das gesagt hast, jetzt wissen wir, dass du dich weiterentwickeln willst.» Der Tipp war einfach, aber wirkungsvoll, und Sandra Henrich wird ihn auch weiterhin anwenden.
Susanne Marty war auch schon Mentorin bei internen Programmen. Was ist der Unterschied zum Cross Company Mentoring? «Da ich die Leute in der anderen Firma nicht kenne, kann ich Sandra nicht einfach sagen: ‹Rede doch mal mit Frau Soundso.› Es geht mehr um Fragen des Vorgehens, der Methodik.»
Susanne Marty schätzt es, Einblick in ein anderes Unternehmen und damit auch fachliche Impulse zu erhalten. Mentoring heisst für sie auch persönliche Befriedigung darüber, andere an ihrem Erfahrungsschatz teilhaben zu lassen, heisst bereichernde Gespräche und Erweiterung des Netzwerks.
Das Ende des Projekts ist nicht zwingend das Ende der Beziehung
Das vorläufige Fazit der zwei Frauen: Das Mentoring ist sehr gut, beide können sich vorstellen, dieses auch nach Abschluss der sechsmonatigen Pilotprojektphase weiterzuführen. «Wenn man sich mehrmals getroffen hat und besser kennt, wird es auch inhaltlich interessanter», sagt Susanne Marty.
Ende März ist das Pilotprojekt zu Ende, darauf folgt eine Auswertung. Derweil ist Nadia Dupont bereits mit vier Westschweizer Firmen in Verhandlung für ein weiteres Cross-Company-Mentoring-Projekt: «Es ist schön, dass wir mit anderen Firmen auf diese Art Frauen fördern können. So tragen wir gemeinsam dazu bei, Frauen in ihren Karrieren zu unterstützen und somit die Repräsentanz der Frauen in den Firmenleitungen in der Schweiz zu erhöhen.»